juni-juli 2004

geschaut

Geschaut

Salzburg-TV

Fernsehen zum Wegsehen

„Das schönste im Leben sind die Pausen“, sangen einst Roy Black und Anita, was umgemünzt auf unsere heutigen medialen Alltagserfahrungen kurz mit Werbepausen übersetzt werden kann. Solche Pausen kennen wir aber auch als Blöcke, und die können schon mal vor einem Programm oder einem Film kommen. Gerne erinnern wir uns dabei an jene Werbeblöcke, wie sie in Salzburger Kinos vor dem jeweiligen Hauptfilm im Auftrag der ortsansässigen Wirtschaft in Auftrag gegeben und vor unseren staunenden Augen abgespult wurden und die uns mit ihrer unfreiwillig komischen Unprofessionalität in Verbindung mit einer tollpatschigen marktschreierischen Provinztheatersprache immer auch an unsere schlechtesten Erfahrungen im Zuge wissenschaftlich betriebener Ostblock-Werbeblock-Studien erinnerten. Genau daran, wenn auch auf einem Lichtjahre technisch professionelleren Level (bei gleich bleibender Provinzialität des hierbei dargebotenen Salzburg-Bildes), müssen wir aber immer auch beim Betrachten von Salzburg-TV (Eigentümer: Wirtschaftskammer, Raiffeisenkasse, Spängler Bank) denken. Kann es sein, dass ein rein von privatwirtschaftlichen Interessen geleitetes und finanziertes PRIVAT-Fernsehen immer mehr zu einem Fernsehen wird, das in seinen Grundzügen der legendären „Einheitszeitung“ aus den frühen „Kottan“-Folgen immer ähnlicher wird? In seiner „Phänomenologie des Geistes“ schreibt Hegel 1807 über die „Dialektik von Herr und Knecht“, dass es dem Knecht dabei immer nur um die Anerkennung von Oben (also vom Herrn) geht. Und das ohne Rücksicht auf Verluste. Was jetzt nicht nur das kleinbürgerliche Treten nach Unten bei gleichzeitigem Buckeln nach Oben meint, sondern auch die Konstruktion einer vermeintlich autonomen und daher umso selbstgerechteren und narzistischeren Ich-AG, deren Primärcharakteristik sich in einem alles und jeden verunglimpfenden und verspottenden Zynismus entäußert. Wohl auch deshalb finden sich z. B. Kunst und Kultur (sofern nicht volkstümlich oder eventtümlich) bei Salzburg-TV meist am Watschenbaum wieder. Was jedoch immer vom jeweiligen Kontext abhängt. Auch hier gilt Friedrich Nietzsches Postulat „Die Leidenschaften werden böse und tückisch, wenn sie böse und tückisch betrachtet werden.“ („Morgenröte“), was auf Salzburg-TV dann sofort aus jedem blanken Busen bei den Festspielen „Pornographie“ macht, selbiges nacktes Fleisch bei der Salzburger Love-Parade-Sparvarianten-Version abgefilmt jedoch in den Sendevorspann bringt. Jetzt sind uns Sexisten als Pornojäger aus anderen Privatfernsehkanälen durchaus bekannt, nur das Treten gegen geschasste Herrn, wie es kurz nach der Salzburger Landtagswahl im „Wochenkommentar“ auf Salzburg-TV betrieben wurde, bei dem der immer noch in diversen Vorspännen gezeigte und bis zum entscheidenden Wahlsonntag auch bei jeder Bieranzapferei plus anfolgender Wortverzapferei oft bis zum Überdruss dokumentiert Wahlverlierer Schausberger als in den letzten Jahren vor allem für das Ansehen und das Amt des Landeshauptmann als sozusagen schädlichen Einfluss abgewatscht wurde. Da waren selbst wir mit unserem Hegel am Ende und wünschten wir wären Andy Warhol, von dem folgenden Spruch überliefert ist: „Mein Gedächtnis ist ein Tonband mit einer einzigen Taste: Löschen.“

Christa Obermaier/Ursula Päffgen

Drehpunkt Kultur

„Trüffeln und Kartoffel“ hieß eine schon etwas länger zurückliegende Diskussionsveranstaltung, die sich mit Auswahlkriterien, Prioritätenlisten und Quotendruck in der Salzburger Kulturberichterstattung auseinandersetzte. Den „Trüffeln“ der Berichterstattung, jene hochkulturellen Ereignisse (von den Festspielen bis zum Jazzherbst), mit denen Salzburg und seine Kulturpublizisten protzen standen die „Kartoffeln“ gegenüber: Kulturelle Ereignisse, die bevorzugt in Kulturstätten stattfinden, aber auf den Kulturseiten der Zeitungen zu wenig bis gar keinen Niederschlag finden. Das niederschmetternde Fazit: „Kritik ist nur mehr Anhängsel der Service- und Vorberichterstattung“ und – im historischem Konnex: Mit der Ausrottung des intellektuellen Judentums seien die Feuilletonisten und mit ihnen die literarische Kunstform des Journalismus ohnehin ausgestorben.

Aber auch Kulturpessimisten können noch überrascht werden: Ein selbstbewusstes Redaktionsteam bietet für die Stadt Salzburg seit kurzem online an, was vermisst wurde. www.drehpunktkultur.at ist der „Versuch, dem Aussterben des Bildungsbürgertums und dem geistig dürftigen Zappen einer oberflächlich an Kultur interessierten Yuppie-Kultur entgegenzuwirken.“

Mutig ist dieser Feldversuch mit noch unbekanntem Ausgang allemal, erwünscht sogar sehr. Ganz den Eindruck, sich in einer Stadt mit hohem zeitgenössischen Potential zu befinden, hat man derzeit noch nicht. Zu sehr fokussiert man etwa noch auf den klassischen Musikbetrieb, die Popkultur harrt noch der Entdeckung. Wer sich allerdings konsequent durch die Seiten wühlt findet – updated daily at 2.00 pm! – hat auch die aktuellsten Theaterrezensionen. Das ist gut so. Aber doch nicht ganz: Denn optisch fühlt man sich in die Gründerzeiten des Mediums Internet versetzt. Den Machern Reinhard Kriechbaum und Heidemarie Klabacher ist dies auch bewusst und Hilfe ausdrücklich erwünscht. Zum Kopieren bestens geeignet scheint etwa www.perlentaucher.de, anstatt das Wort „Menüführung“ („Hungrig nach Kultur?“, „Buchstabensuppe“, „Ohrenschmaus“) allzuwörtlich zu nehmen.

Ja, und wie ist das nun mit dem Revival des Bildungsbürgertum? Darüber sollte man dann noch einmal nachdenken.

Weil der Bildungsbürger in Deutschland (zum Unterschied von Frankreich oder England) im unreflektierten Vertrauen dem Idealismus einer konservativen Wertehierarchie erlag, hat er sich nicht nur der Moderne entgegengestellt, sondern auch dem Nationalismus verschrieben und dem Nationalsozialismus eine Basis geschaffen.

Thomas Randisek