juni-juli 2004

Markus Grüner
zu gast

Echte Ohrfeigen

Wenn Lieblinge der Musikkritik nach einigen Jahren wieder ein neues Album herausbringen und auf Tour gehen, dann haben sie es besonders schwer.

Variante 1: Alles klingt wie erwartet. Die Kritik zürnt unzufrieden über Stagnation und Einfallslosigkeit.

Variante 2: Alles klingt ganz anders. Feuilleton und Musikmagazine beschwören den Stil von früher und verhöhnen die Band am großen Geld des Mainsteams mitnaschen zu wollen.

Ende März brachte die Band Funkstörung ihr neues Album „Disconnented“ (!K7) heraus und die kleine Welt des Musikjournalismus reagierte reichlich irritiert. Funkstörung kommen aus Rosenheim (Ja, jenem kleinen Rosenheim gleich um die Ecke von Salzburg) und haben Mitte der Neunziger die Musikwelt im Sturm erobert.

Sie galten als einzigartig in ihrem Stil Hip-Hop-Grooves mit elektronischen Sounds zu verändern, neu zu erfinden und letztlich auch zu zerstören. Ihre Remixe gelten bis heute als Meilensteine, reduziert, unkonventionell und tanzbar. Doch auf der neuen Platte tauchen ungewöhnlich viel Gastvokalisten auf, mancher Song klingt nach akkustischem unplugged Soul, alles wirkt etwas langsamer und trauriger. Irritiert? Keineswegs!

Auf Ihrer Tour (zu Gast in der ARGEkultur im Rahmen des Basics- Festivals am 13. 5.) wird diese neue Funkstörung nicht nur verständlich gemacht. Sie wird begreifbar. Vor dem eigentlichen Konzert präsentiert der 23-jährige Münchner Sänger Enik sein Soloprogramm. Allein mit Laptop, Effektgeräten und Mikrofon zeigt er auf der Bühne Industrial Songs, mit viel Pathos und Leidenschaft, ein einsamer Seelenstriptease als radikaler Appetitmacher – bis Chris de Luca und Michael Fakesch auf die Bühne kommen und die Laptops kreativ misshandeln. Die Beats sind extrem reduziert und extrem rund, die Sounds die dafür benutzt werden aber kantig und scharf, präzise Ohrfeigen für genormte Gehörgänge.

Es groovt wie bei DJ DSL, ohne dabei in die Sound- und Samplekiste der 70iger zu greifen. Und das einzige Instrument auf der Bühne ist das wirklich Essentielle jedes Beats and Pieces: der Bass. So mischt sich der Sound von Ausnahmeelektronikern mit einfachstem Bass und eindringlichen Vokals zu einem wirklich neuen Stil.

Diese Herangehensweise ist nicht radikal, aber eigenständig, es werden keine Grenzen erweitert, wohl aber einige aufgehoben. Hier spielen schon lange nicht mehr die „Einstürzenden Neubauten des Hip-Hops“, aber FM Einheit darf davon träumen, solche Beats zu produzieren – und Musikkritiker lehnen gerne ab, was sie nicht verstehen – gut so – dieser Sound ist auch nicht für sie gemacht.