juni-juli 2004

Doc Holliday
gelinkt

Identität und (Selbst)Ironie

Eine jüdische Zeitschrift sprengt mit Chuzpe alle Klischees

„Heeb“ nennt sich das 2001 in New York gegründete und vierteljährlich erscheinende Magazin, das in seiner gedruckten Form selbst in der US-Metropole nicht leicht zu bekommen ist. Ein Blick ins Netz bietet sich an: www.heebmagazine.com.

Allein mit dem Titel entfachten die jungen jüdischen Macher eine Kontroverse. Schließlich leitet sich „Heeb“ von Hebrew ab, diese Kurzform galt aber seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als antijüdisches Schimpfwort – vergleichbar dem Terminus „Nigger“ für Schwarze.

„Heeb“ versteht sich als Forum all jener, die mit dem einengenden Traditions- und Gruppenzwang klassischer jüdischer Organisationen nichts mehr anfangen können. Die Zeitschrift richtet sich an eine urbane, kritische Leserschicht, die ihr Jüdischsein positiv besetzt. Gleichzeitig besitzt diese Generation einen ausgeprägten Sinn für Selbstironie und eine intime Kenntnis der Popkultur. Wenig verwunderlich, dass in „Heeb“ gleichermaßen satirische wie „ernsthaft“-politische Beiträge erscheinen. Frech, respektlos, subversiv und selbstbewusst im Umgang mit ihrer keineswegs verleugneten Identität, so präsentiert sich eine Generation von (amerikanischen) Juden, die ihr Selbstverständnis nicht mehr (allein) durch Klezmer-Folklore, Holocaustliteratur und Religion definiert.

In eigentlich guter jüdischer Humor-Tradition bekommt alles und jeder sein Fett ab. Tabuzonen existieren für die „Heeb“-Macher nicht. Gerade mit dieser ketzerischen und provokativen Weltsicht befinden sich die „Nestbeschmutzer“ in guter Gesellschaft: Komiker und Bürgerschreck Lenny Bruce, Filmregisseur Mel Brooks, Countrybarde und Schriftsteller Kinky Friedman, Liedermacher Randy Newman oder Neo-Glam-Rocker Bobby Conn – amerikanische Juden, die mit feiner oder auch brachialer Ironie alles und jeden kritisier(t)en. Was hierzulande leicht mit Totschlagargumenten (Antisemitismus, Antiamerikanismus ...) abgekanzelt wird, nennt „Heeb“-Herausgeber Josh Neuman „Groucho-Marxismus“. Das Blatt disst George W. Bush, lässt jüdische Menschenrechtsaktivisten von den Kämpfen auf der Westbank berichten oder interviewt die Globalisierungskritikerin Naomi Klein. Eine von Mainstream-Medien jeglicher Couleur ignorierte israelische Protestkultur kommt ausführlich zu Wort, gerade an Premier Sharon wird heftig Kritik geübt.