juni-juli 2004

Doc Holliday
kommentar

Widerstand als Geisteskrankheit

Die NS-„Gesundheitspolitik“ war ein Teil der Tötungsmaschinerie. In der unmenschlichen Diktion der „Herrenrasse“ hieß das: „Ausmerzen unwerten Lebens.“ Geistig und körperlich behinderte Menschen, insbesondere Neugeborene und Kinder, schickten die skrupellosen „Erbgesundheitswächter“ ins Gas. Im Rahmen der Mordaktion „T 4“ wurden etwa 18.000 InsassInnen österreichischer Anstalten nach Hartheim transportiert. (In etwa so viele unschuldige Menschen fielen den „Selektionsmaßnahmen“ dort zum Opfer). Dabei war der in der Nähe des oberösterreichischen Eferding gelegene Ort zwar die einzige Euthanasietötungsanstalt auf heimischem Boden, aber nur eine von insgesamt sechs im „Reichsgebiet“. Hartheim blieb bis Dezember 1944 in Betrieb und diente nach 1941 vor allem der Vergasung von „geisteskranken Ostarbeitern“, die nicht mehr den Leistungsplansoll erbringen konnten.

Die Euthanasietötungsanstalten erfüllten noch eine weitere barbarische Funktion: In der nach den internen Aktenzeichen „14f13“ genannten Aktion dienten die technischen und personellen Kapazitäten zur massenhaften Tötung von arbeitsunfähigen oder einfach missliebigen KZ-Häftlingen. In Hartheim fielen etwa 8000 bis 10.000 Unglückliche aus den KZs Dachau, Gusen und Mauthausen dieser Tötungsmaschinerie zum Opfer.

Ein bevorzugtes Ziel stellten ausgewiesene Gegner der Nazis dar: Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten, besonders solche, die im Spanischen Bürgerkrieg mit der Waffe in der Hand gegen die Nazis gekämpft hatten. Als 1941 in Dachau ein Gerücht die Runde machte, „dass für Invalide Sonderlager mit leichter Arbeit eingerichtet würden“ (Landauer/ Hackl), machte sich unter den politischen Häftlingen vorerst zwar Skepsis über den unerwarteten Anfall von Humanität breit, nichtsdestotrotz meldeten sich bei den daraufhin stattfindenden Selektionen etliche Insassen – die sich gesundheitlich oft in gar keinem schlechten Zustand befanden.

Im Jänner 1942 startete der erste dieser „Invalidentransporte“, in dessen Rahmen auch etwa zwölf österreichische Spanienkämpfer im oberösterreichischen Mordschloss ums Leben gebracht wurden. Einer der ersten war der Hilfsarbeiter und ehemalige Interbrigadist Richard Holleis aus St. Johann im Pongau.