juni-juli 2004

Paul Raspotnig

Von der Kunst, der Kunst ein Haus zu bauen

In Österreich boomt die Bauaufgabe, der Kunst Häuser zu bauen. Wien, Graz, Linz oder Salzburg – immer geht mit diesen Bauvorhaben eine heftige politische und öffentliche Diskussion einher.

Dabei geht es nicht nur um Fragen der Standortsuche, der Ausschreibung und der Projektfindung (durch mehr oder wenige geglückte Wettbewerbsverfahren) oder gar um Personen, sondern auch um die ansehnlich gebauten Resultate.

Die Architekturkritik erteilt ihr Urteil schon vorab in der Planungsphase und ihre Unkenrufe gelten vorauszuahnenden Unzulänglichkeiten. Im Nachhinein zieht sie jedoch die medienwirksame Hetze einer objektiven Analyse vor.

Spielen Sie daher mit und treffen Sie im - in der Print-Ausgabe - abgedruckten Architektur-Quiz Ihre Zuordnungen der Schlagzeilen über das Museum der Moderne am Mönchsberg, das Kunstmuseum Lentos in Linz und das Kunsthaus Graz. Sie werden sehen, es ist gar nicht so leicht! Oder erkennen Sie sofort, welches Kunsthaus sich hinter welchem Logo verbirgt?

Kunsthaus oder Kunstwerk

Es gibt zwei Herangehensweisen, der Kunst ein Haus zu bauen: das Haus selbst als Ausstellungsstück aufzufassen (vgl. das Museum Guggenheim in Bilbao) oder nur neutrale Ausstellungsräume („white cubes“) mit einer äußerlich gestalteten Hülle zu schaffen. In die Reihe der Kunsthäuser dieser Welt, welchen den ersten Weg beschreiten, reiht sich das von den Londoner Architekten Peter Cook und Colin Fournier geplante und als „friendly alien“ bezeichnete Grazer Kunsthaus. Die Züricher Architekten Jürg Weber & Josef Hofer gehen einen Mittelweg: Sie verstehen die architektonische Hülle ihrer neutralen Ausstellungshallen auch als Behältnis für die Kunst (vgl. Kunsthaus Bregenz u. a.). Auf dem zweiten Weg unterwegs kleiden die Münchner Architekten Friedrich Hoff und Zwink ihren Kunstbehälter schlicht in Stein.

Inhalt oder Form

Halt! Gilt nicht noch „form follows function“? Die althergebrachte Formel trug dem Grazer Kunsthaus schadenfrohe Häme ein: zu wenig variabel für einen brauchbaren Kunstraum. Überhaupt, sucht sich die Kunst ihr Haus oder suchen sich die Häuser die passende Kunst?

Ab 23. Juli dieses Jahres wird das Mönchsberg-Museum „eingeleuchtet“; eine erste Ausstellung folgt erst drei Monate später. Eine Eröffnung ohne Ausstellung konnte sich bisher nur das Jüdische Museum in Berlin (Architekt Daniel Libeskind) leisten, welches aber die Architektur selbst zum Programm stilisiert.

Die Frage, wie lange man Häuser der Kunst mit permanentem Programm betreiben können wird, stellt sich hier wie dort – nicht nur angesichts des Grazer Budgetdebakel infolge „03“.

Zeitwert oder Halbwertszeit

Jedenfalls werden die baulichen Strukturen hier wie dort die wechselnden programmatischen überdauern. Auch wenn die Halbwertszeit der Bauten auf dem Salzburger Standort im Schnitt lediglich 25 Jahre betrug, eine künftige Anforderung ist heute, da wir schon weltweit Museen online durchschreiten können, erkennbar. Die Häuser werden mit Programmkonzeptionen zu füllen sein, die nicht auf eine „reale“ Architektur reagieren. In nicht einmal 20 Jahren können wir mehr „virtuelle“ Ausstellungen besuchen, als wir aus dem 20. Jahrhundert noch in Erinnerung haben. Erfüllen dann die gebauten Hüllen nur mehr die Funktion eines gesellschaftlichen Treffpunktes? Eröffnet daher zuerst das Restaurant und dann erst das Museum? Nichtsdestotrotz, der verloren gegangene Ausblick vom alten Café Winkler in die Stadt hinunter – nun wird man nur mehr über die Stadt „hinwegsehen“ können – wird dann mittels Visualisierung und Animation auf die bis dahin durch einen Plasmascreen ersetzte Panoramascheibe wieder wettgemacht sein.