juni-juli 2004

Didi Neidhart
leitartikel

Sport ist Wort

Wenn ich Sport sehe, greife ich zur Fernbedienung. Nicht aus grundsätzlicher Abneigung, sondern wegen traumatischer Prägungen, sprich Absetzungen, Verschiebungen von TV-Serien oder Filmen. Dabei gab es einmal eine Zeit, da war ich noch ein kleiner Junge und ging sogar extra früh ins Bett, um dann extra früh aufstehen zu können, weil Muhammad Ali irgendwo boxte. Dennoch wurde Sport immer suspekter, was sich durch eine angedrohte Nachprüfung in gymnasialen Leibesübungen noch verstärkte. Zwar wurden mir daneben auch die Vorzüge und Grundprinzipien des Sozialismus von meinem Eisenbahneronkel anhand von Fussball eingeimpft („Nur kollektive Sportarten sind echter Sport!“), dennoch blieben Zweifel, die unter anderem ein passionierter Kartenspieler nährte: „Dem Sport ist zu allen Zeiten und vor allem von Regierungen aus gutem Grund immer die größte Bedeutung beigemessen worden, er unterhält und benebelt und verdummt die Massen, und vor allem die Diktaturen wissen, warum sie immer und in jedem Fall für den Sport sind. Wer für den Sport ist, hat die Massen auf seiner Seite, wer für die Kultur ist, hat sie gegen sich, hat mein Großvater gesagt, deshalb sind immer alle Regierungen für den Sport und gegen die Kultur.“ (Thomas Bernhard: Die Ursache. Eine Andeutung, 1975)

Das saß. Aber das auch: „Einmal ließ ich beim Training die Alkoholiker unter meinen Spielern gegen die Nichtalkoholiker kicken. Die Alkoholiker gewannen 6:1, darauf sagte ich ihnen: »Burschen, sauft’s weiter.«“ (Max Merkel: Das Runde ist der Ball, 1989)

Das ist Liebe! Und deshalb fand ich mich plötzlich auch auf Fußballplätzen wieder (immer im Schlepptau fußballbegeisterter Bands). Das ist aber auch Vergangenheit. Weshalb Sport – wie das Kino, Musik oder Fernsehen – immer auch ein regressives Bedürfnis nach dem ersten Mal (am Platz) beinhaltet. Nur scheitert dieser Wunsch nach der Wiederholung dieser so tollen wie prägenden Ur-Szene(n) immer mehr an der schlichten Tatsache, dass Teamsportarten mit Teams aus lauter Ich-AGs schlicht für’n Arsch sind (von den Funktionären und Managern, die Max Merkel in den 1980ern noch so „dringend wie einen Kropf“ benötigte, ganz zu schweigen). Die Frage ist nur, ob wegen Stronach, Westenthaler, Kunstrasen und FPÖ-Quereinsteiger, die Sport als „Leibesertüchtigung“ im Sinne eines „gesunden Volkskörpers“ propagieren, gleich „die Dress“ (Hans Krankl) weggeworfen werden muss oder es nicht doch eher „Reclaim The Stadions“ heißen sollte.