juni-juli 2004

Wiglaf Droste

Die Kochstraßen-Verschwörung

Kürzlich traf sich eine gute Handvoll taz-Redakteure in einem halbverrauchten Lokal. Sie wollten sich verschwören oder sich über eine kleine Verschwörung doch wenigstens beraten. Michael Ringel von der Wahrheit-Redaktion war da, Arno Frank von der tazzwei, Matti Lieske vom Sport, und der wie immer verspätete Kulturredakteur Daniel Bax brachte den jungen Kollegen Cornelius Tittel aus der Berliner Lokalredaktion mit. Carola Rönneburg und ich waren als externe, freie Radikale ebenfalls dabei und galten sogar als Drahtzieher der Angelegenheit. Uns alle trieb die Frage um, warum die Zeitung, der wir nicht unbeträchtliche Teile unserer Lebenszeit zur Verfügung stellen, so erbarmungswürdig wurde, wie sie ist, und wie man das vielleicht ändern könnte. In Dummheit und Mitmacherei sich einzurichten gilt in Deutschland zwar als normal, und genau deshalb wollten wir es eben nicht tun. Und verschworen uns, wie weiland Stauffenberg und die Seinen, nur mit dem Unterschied, dass wir weder Patrioten noch Antisemiten sind.

Während wir noch so halb hoffnungsvoll und halb verzweifelt auf Herrn Bax warteten, wie Herr Bax auf Texte von mir warten muss, verschwor sich am Nebentisch allerdings auch die Gegenseite. Peter Unfried, stellvertretender taz-Chefredakteur, den ich vor vielen Jahren als passablen Journalisten kennengelernt hatte, als er mich für das Schwäbische Tagblatt interviewte, traf Redakteur Stefan Kuzmany von tazzwei. So ist das mit Verschwörungen, wenn alle Verschwörer im selben Stadtteil wohnen und zum Verschwören dieselben Lokale aufsuchen.

Immerhin aber war das zufällige Zusammentreffen nicht ganz unlustig. Herr Kuzmany, der einmal in Frau Rönneburgs Berliner Wohnung zur Untermiete gelebt hatte, als sie bei Gruner & Jahr in Hamburg ein mittelprächtig dotiertes Unglück verzehrte, kam ganz locker und dufte herübergeschlendert, um zu zeigen, dass er keine Angst vor Verschwörern kenne. Das wussten wir Verschwörer aber schon – denn Herr Kuzmany hatte sogar im Kühlschrank von Frau Rönneburg Fliegen gehalten und galt seitdem als ein sogar vor sich selbst furchtloser Mann.

Doch ging Herr Kuzmany wieder weg, und so mussten wir uns weiter verschwören. Wie aber verschwört man sich gegen Watte? Wie gegen Peinlichkeit? „Stürzen! Stürzen!“, rief jugendfroh Kollege Tittel. Ich fand das richtig und stützte seine Forderung. Gestürzt werden sollte die Chefredaktion – klar, wer denn sonst. Die Hölle sind immer die Chefs, hätte Sartre geschrieben, wenn er nicht bescheuert gewesen wäre.

Zum 25. Geburtstag der taz hatte die Chefredaktion sich einen Karnevalsumzug ausgedacht: Maskiert und verkleidet in Siebzigerjahreklamotten sollten die Redakteure der taz zum benachbarten Springerhaus laufen. Als das ruchbar wurde, beendeten wir flink unsere Verschwörung und gingen nach Hause oder sonstwohin. Für uns gab es nichts zu tun – man kann sich nicht verschwören gegen Menschen, die sich in aller Peinlichkeit selbst entleiben wollen. Gegen alles auf der Welt gibt es ein Kraut – aber keins gegen Menschen, die zur Idiotie fest entschlossen sind.