juni-juli 2004

Doc Holliday
grausame orte

Hoch gestapelt!

Lifestyle, Lounge & Lemuren

Ende Dezember letzten Jahres öffnete das legendäre Hotel Stein am Giselakai nach siebenmonatigem Umbau wieder seine Pforten. Im siebten Stock bekam die „Steinterrasse“ ein Facelifting verpasst und heißt jetzt „Café– Bar–Lounge“.

Einmal glücklich mit einem der zwei Lifte oben angekommen, lässt es sich auf dem Laufsteg – vorausgesetzt der Auflauf hält sich in Grenzen – rundumspazieren. Die Idee ist so neu wie Bier in Dosen: Auf hohen Gebäuden machen Bars mit Sitzecken und großen Glasfronten doppelt Sinn, denn zum guten Weitblick und zur Bekämpfung der Höhenangst braucht der Mensch schon etwas Treibstoff. Der Blick von oben herab ist ein herrschaftlicher. Genau das dürfte dem momentanen Klientel der Steinterrasse gut gefallen: Touristen, gehobenes Bürgertum und MittelschülerInnen aus ebendiesen Kreisen. Tussis und Schnösel der nervtötenden Sorte, die, auch wenn sie noch so herausgeputzt in feinen Markentextilien aufmarschieren, doch nur dummdreiste Stillosigkeit verbreiten.

Durstige Weißbiertrinker speisen die zu Bedienungsuniformen samt Schürzchen vergatterten KellnerInnen mit winzigen Seidel-Fläschchen ab, Frankfurter Würstel kosten schlappe drei Euro und 70 Cent, eine Flasche Champagner Krug Rose scheint mit 290 Euro ein veritables Schnäppchen zu sein. Fast alles in Ordnung in diesem gastronomischen Schlaraffenland, sieht man davon ab, dass Jack Daniels zwar ein Whiskey, aber leider kein Bourbon ist, wie einem die Getränkekarte vorgaukelt. Die Musikberieselung orientiert sich in ihrer Stillosigkeit an den Gästen. Auch dies muss ertragen, wer sich in der Mozartstadt abhärten will. Aber was soll eigentlich die Aufregung um die neuen „Kult“-Toiletten? Nur weil im Waschraum ein Monitor in die Wand eingebaut wurde, überschlagen sich die Hofberichterstatter auf den Klatschseiten? In der 52. Etage des „Bank Of America“-Wolkenkratzers in San Francisco berührte ihr weltgewandter Ortskritiker weiland gar güldene Wasserhähne. In der Salzburger Minimunduswelt genügt der Geschäftsführung, wenn ein Gast die goldene Kreditkarte zückt. In der Bar des erwähnten Wolkenkratzers waren dafür die Longdrinks höher, besser und dazu noch günstiger. Salzburg bleibt eben Salzburg. Wie steht es so schön auf den Schürzen der Bedienungskräfte: „Carpe Diem“, also „genieße den Tag“. Dazu muss man allerdings diese Kultstätte der Grausamkeit meiden!

Doc „Stowasser“ Holliday