september-oktober 1998

Didi Neidhart
gehört

STUDIO BRAUN

Gespräche 1 (Mercury/Polygram)

Was zuerst noch wie eine erneute Auflage sattsam bekannter Spaßterror-Unternehmungen (z.B. Salon Helga) klingen mag, erweist sich bei näherer Betrachtung als regelrecht wissenschaftlich ausgearbeitete Verhaltensforschung. Wobei die Grundidee ganz einfach ist. Man ruft einfach bei den Dauerkunden einer auf Privatanzeigen spezialisierten Hamburger Gratiszeitung an und bietet ihnen Gewünschtes sowie Überhauptnichtverlangtes an. Natürlich nicht ohne in Extreme abzugleiten. Also ruft hier schon mal Gott an, werden Adelstitel aberkannt, tonnenschwere, luftigleichte Motorsägen angeboten, missverständliche Koks-Deals abgehandelt, Wege in Phantasiekönigreiche detailiert beschrieben (man will ja auch irgendwie zu den günstigen Angeboten kommen) und hundertstellige Handynummern, die prompt mitgeschrieben werden, durchgegeben. Wobei es dem Studio Braun (angeblich verstecken sich dahinter Teile der Goldenen Zitronen und Hamburgs King Rocko Schamoni) nicht unbedingt um vordergründige Kleinbürgerverarsche geht. Deshalb sind diese Gespräche auch weniger lustig oder witzig, als eher beklemmend. Allein was hier alles via Telefon für bare Münze genommen wird, ist stellenweise nicht auszuhalten. Da muß man sich nicht mehr wundern, warum gewisse Parteien trotz ihrer faulen Versprechen gewählt werden. Das beste »Hörspiel« seit langem zum ewigen Thema des guten Vertrauens und der besser vollzogenen Kontrolle.