september-oktober 1998

Romana Klär

Erfolg ist machbar

Das Kreuz mit der Karriereplanung

»Was kann ich für Sie tun?« Jene schmeichelhafte Frage an zahlungskräftige Kunden, die sich Dienstleistungen kaufen und damit ihren Alltag leichter machen wollen, rollt Beratern und Beraterinnen in Sachen Persönlichkeits- sowie beruflich- wirtschaftlicher Entwicklung selten über die Lippen.

Denn was zu tun ist - und zwar rasch - liegt ihrer Meinung nach auf der Hand. Den Start ins Berufsleben bis zum Pensionsanspruch sollten alle ArbeitnehmerInnen und solche, dies noch werden wollen, heute genauso wenig dem Zufall überlassen, wie erfolgreiche Manager es schon immer taten.

»Planen und vorsorgen«, lautet das Credo von Lebenshilfe-Best-Sellern, in denen beschrieben steht, wie man(n) und frau ihre jeweils passenden Top-Jobs endlich finden können. Jung und dynamisch, wie er nun einmal ist, füllte jüngst auch »Der Standard« sein Sommerloch mit blassen Ratschlägen für zielstrebige KarrieristInnen.

»Es gibt eine Vielzahl von Fehlern, die Sie begehen können. Das Beruhigende und gleichzeitig Verwirrende dabei ist: Die meisten Fallen stellen Sie sich selbst.« Damit dürfte allerdings nicht gemeint sein, das Angebot an Kursen nicht genau zu prüfen, sich nicht gefragt zu haben, ob und welche Seminare man tatsächlich brauchen kann und nicht geprüft zu haben, wer sie hält und welche Qualifikation die ReferentInnen vorweisen können. Erfolg ist machbar, hören und lesen wir außerdem, sofern man die Zügel selber fest in die Hand nimmt, sich - falls gar nichts mehr geht - selbstbewußt selbständig macht und endlich Verantwortung (er)trägt. Wen dieser Ruf Anfang 20 ereilt, hat Glück. Fünf Jahre später wird es eng. Mit 30 ist es fast zu spät, um Bewerbung, Beförderung, Wohnraumbeschaffung und Vermögensplanung effizient bis zum erfüllten Pensionsalter gedanklich und (versicherungs-) vertraglich abzuschließen. Kurz: Die Weichen für eine zufriedenstellende persönliche und berufliche/wirtschaftliche Entwicklung zu stellen.

Aus einem Werbeprospekt: »Karriere bedeutet, ein zufriedenes und erfülltes Leben zu führen, um mit Eintritt in den Ruhestand nicht erkennen zu müssen, daß man sein Leben damit verbracht hat, die Ziele anderer zu verwirklichen.« Ausgenommen jener - wie aus dem morastigen Boden sozialer Unsicherheiten sprießender - Beratungsfirmen, die sich williger (Jung) AkademikerInnen annehmen wollen und selbst FacharbeiterInnen sowie Lehrlinge nicht mit ihren Parolen verschonen, sich die Ergebnisse mangelhafter arbeitsmarktpolitischer Entscheidungen (Stichwort Werkvertrags- dschungel, Teilzeitarbeit statt Existenzsicherung) auf den eigenen Buckel zu schnallen und Mißerfolg im eigenen Unvermögen zu suchen. Unter Berücksichtigung von »Eignung und Neigung« versprechen derlei BeraterInnen den UnternehmerInnengeist zu fördern und bei der »Umsetzung von Zielen« (wie schaffe ich die Kohle für die nächste Miete ran?) zur Seite zu stehen. Visionen und positives Denken sind erlaubt: Ich schaffe nicht nur die Miete ran, sondern kann mein neues Auto jederzeit mit Sprit befüllen, mir ein Kind zulegen, mir Urlaub in Österreich leisten, eine Sport-Unfall-Haftpflichtversicherung abschließen, jeden Monat meinen Beitrag zur Privatpension (Fonds oder Erlebens- /Ablebens-Versicherung) einzahlen, eine Eigentumswohnung anzahlen, selbstbestimmt, eigenverantwortlich und kreativ (erwerbs)arbeiten.

Der Weg dorthin: Beziehungsfähigkeit stärken, Selbsterkenntnis fördern, Handlungsstärken ausbauen. Die Auswahl ist groß: Zeitmanagement, Kommunizieren, Persönlichkeitsentwicklung, Provokation. Durchschnittspreis für die Wochenendtreffs einer österreichweit operierenden Grazer Beratungsfirma: 3.500 Schilling. Seit 1994 haben rund 5.000 Personen daran teilgenommen. 8.000 Verträge wurden im »Wirtschaftsbereich« (Versicherungen) abgeschlossen. Rund 80 Prozent der TeilnehmerInnen waren HochschulabsolventInnen. »Arbeiten macht krank oder Spaß«, sagt der Berater. »Sie können selbst entscheiden.« Auch er hätte sich von diesen querdenkerischen, gar revolutionären Ansichten mitreißen lassen und bei der Firma als Selbständiger angeheuert. Unzufrieden war er früher. Die Arbeit jetzt mache Spaß. Zieht er allerdings nicht bald mehr Verträge an Land, müsse er sich einen neuen Job suchen. Seine Familie könne er halt nicht ernähren, die Versicherungsraten nicht bezahlen. Und - genau - das liege ganz allein an ihm.