september-oktober 1998

Didi Neidhart

Schluß mit lustig!

Bei Karl-Markus Gauß vergeht Harry Reithofer der Schmäh

Am 2. Oktober findet im Landesgericht St. Pölten ein von 16 Ö3-MitarbeiterInnen beantragter Strafprozeß statt. Die Ö3-KlägerInnen sprechen Gerichtsdeutsch von »Beschimpfung, Verspottung, Beleidigung«. Trotzdem handelt es sich nicht um eine massenhafte Selbstanzeige, denn auf der Anklagebank sitzt der Salzburger Publizist Karl-Markus Gauß.

Wenn das Leben ein Hit ist, ist das Leben eine einzige Recycling-Maschinerie. Zumindest wenn man im Sommer Ö3 einschaltet. Doch das Leben ist nicht nur ein Hit, es will auch irgendwie mit Sinn gefüllt werden. Und sei es um den Preis, das Leben einer wiederauffüllbare Pfandflasche führen zu müssen. Wer das nicht will und dann auch noch miesepetrig Ö3 den selbstgezeugten Spaß madig redet, kann hingegen sein blaues Wunder erleben. Dann heißt es nämlich unter Zuhilfenahme eine Dictionaries »Das Leben ist ein Schlag«. Worauf prompt Klage und Prozeßtermin folgen. So ist es jedenfalls dem Salzburger Publizisten Karl-Markus Gauß widerfahren, nachdem er in einem NEWS-Interview den mittlerweile österreichweit bekannten Sager machte, daß »bei Ö3 die Mitarbeiter ausschließlich aus den größten Deppen jedes Maturajahrganges rekrutiert werden und der am schnellsten seine eigene Sendung moderieren darf, dessen sprachliche Fähigkeiten am eingeschränktesten sind.« Also klagten 16 Ö3-Fun-ModeratorInnen Gauß wegen »Beschimpfung, Verspottung, Beleidigung« und verlangen zusätzlich von NEWS Entschädigung. Auch wenn dieser Umgang mit kritischen und unbequemen Stimmen in Österreich BeobachterInnen der innenpolitischen Klimalage in Sachen Kultur nicht wirklich überraschte (man denke nur an die Fälle Schlingensief, Nitsch, Kolig), so stellt doch die Tatsache, daß hier ein Sender wie Ö3 derart reagiert, eine gravierende Verschärfung der Situation dar. Dazu Gauß gegenüber dem kunstfehler: »Zunächst war ich überrascht, daß all die lustigen Burschen und Mädels, die nichts als flotte Sprüche machen und so witzig sind, daß es kein Mensch von Witz und Verstand aushält, sich plötzlich so staatstragend beleidigt und erschüttert zeigen und zum Kadi laufen. Aber ich glaube mittlerweile, daß die ganze Aktion von höheren Instanzen ausgegangen ist. Dabei geht es schlicht darum zu zeigen, daß man sich alles leisten kann, wenn nur die Quoten und die Werbeeinnahmen stimmen.« Bedenklich, so Gauß, sei an Ö3 nicht nur »ein Programm umfassender Verrohung«, sowohl die Sprache wie auch die Inhalte betreffend, sondern vor allem auch die Tatsache, »daß ein Sender des staalichen Rundfunks, der sich etwas auf seinen kulturellen Auftrag zugute hält, ein Programm gestaltet, für das sich auch jeder private Sender, dessen Quotenstolz die absolute Niveaulosigkeit ist, nicht zu schämen bräuchte. Mit diesem Programm hat Ö3 offenbar einen erheblichen Publikumserfolg. Und diesen Erfolg, der sich aus einer landesweiten tagtäglichen Reklame für das einfältige Leben ergibt, möchten sich die dafür Verantwortlichen nicht vermiesen lassen.« An eine Möglichkeit zu einem kritischen Dialog glaubt Gauß, der seine via NEWS geäußerte Kritik als »milden Akt von Notwehr« versteht, jedoch nur bedingt. »Es wimmelt in den Medien von jungen Leuten, deren intellektuelles Vermögen restlos von ihrem Glauben an das, was sich erfolgreich verkaufen läßt, blockiert ist. Wer diesen dynamischen Burschen und Mädels mit einem Einwand, einem Gedanken, einer Kritik kommt, die sich nicht unmittelbar zur Steigerung der Quoten verwerten lassen, den verstehen sie gar nicht.« Vielleicht wurde der mehrfach, auch international, ausgezeichnete Essayist, der in der Anklageschrift als »kaum bekannter Salzburger Publizist« geführt wird, ja wirklich deshalb geklagt, weil Ö3 seine Kritik schlichtweg nicht verstanden hat. Wer will sich schon in Wien von einem unbekannten Salzburger Schreiberling reinreden lassen. Oder geht es etwa nur darum, daß Gauß mit seiner Annahme, es handle sich bei den Ö3-MitarbeiterInnen um ehemalige Maturajahrgänge, die Unwahrheit gesprochen hat? Viel eher scheint es jedoch, daß Gauß auch als Anlaßfall für einen Schlagabtausch zwischen Ö3 und NEWS (das mit 25% am Privatradio Antenne 102.5 beteiligt ist) herhalten muß. Wobei seine Kritik an der »Lust am Analphabetismus«, die »das Mißglückte, das Dilettantische als das eigentlich Witzige« versteht, eigentlich zu kurz greift. Das Problem bei Ö3 besteht weniger darin, daß auf diesem Sender nicht so schön gesprochen wird wie auf Ö1, sondern welche Inhalte hier vermittelt werden. Wenn überleitende Moderationen zu den Geschehnissen in Lassing oder zu Bombenattentaten kaum noch zu unterscheiden sind von Ankündigungen einer Sportnachricht, einer »Ö-Driver«-Geisterfahrermeldung oder eines neuen Blocks voller »Hits der 80er und 90er Jahre« und sich das »Witzige« immer öfter Minderheiten als Watschenmann/ frau aussucht, ist soetwas wie »Analphabetismus« wirklich das kleinere Übel.