september-oktober 1998

Thomas Neuhold

Denkmalstreit am Bahnhofsvorplatz

Salzburgs nächste Peinlichkeit: Ersetzt Kaiserin Sisi ein antifaschistisches Denkmal?

Salzburgs Kommunalpolitik steuert ungebremst auf die nächste Blamage zu: Nachdem nun irgendwann die Baustelle am Bahnhofsvorplatz doch noch einmal verschwinden soll - was haben die eigentlich all die Jahre und mit den hunderten Millionen gemacht? -, stellt sich nun die Frage, welches Denkmal am Bahnhofsvorplatz aufgestellt werden soll.

Wie aus einem gemeinsamen Schreiben des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, der Israelitischen Kultusgemeinde, des KZ-Verbandes und der ÖVP-Kameradschaft an Bürgermeister Josef Dechant hervorgeht, »besteht ein aufrechter Gemeinderatsbeschluß bezüglich der Errichtung eines Denkmals für die durch das NS-Regime hingerichteten und in den Konzentrationslagern ermordeten Salzburger und Salzbur-gerinnen, auf dem Gelände des Bahnhofsvorplatzes. Mit diesem Denkmal solle auch unserer ermordeten jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen gedacht werden.«

In dem Brief an Dechant vom 8. Juni weisen Kultusgemeinde und NS-Opferverbände auch darauf hin, daß es bereits konkrete Pläne für ein Salzburger Antifa-Denkmal gibt: Schon Anfang der 50er Jahre hat Österreichs berühmteste Architektin, Grete Schütte-Lihotzky, entsprechende Pläne vorgelegt: »Das Mahnmal besteht aus einem großen Körper in Dreiecksform, Symbol der KZler. (...) Auf der Vorderseite ist eine sinkende Figur, die zum Zeichen des Widerstandes die Hand zur Faust ballt, als Relief auf vertieftem Grund. (...) An den beiden Seitenflächen des Mahnmals können die Namen der einzelnen Opfer eingeschrieben werden. (...)«, heißt es in der Orginalbeschreibung Schütte-Lihotzkys. Für die Rückseite des rund zweieinhalb Meter hohen Objektes hatte die Architektin die Inschrift »Den Toten zur Ehre - den Lebenden zur Pflicht« vorgeschlagen. Realisiert wurde das Vorhaben allerdings nie, dafür wurde der Entwurf aber dem KZ-Verband übergeben. Bei seiner Verwendung würden somit keinerlei zusätzliche Kosten entstehen, betonen Kultusgemeinde und Widerstandskämpfer in ihrem Schreiben.

Sisi-Statue statt Antifa-Mahnmal

Wie kaum anders zu erwarten, machen aber FPÖ und der Bürgermeister gegen den Antifa-Gedenkstein Front. Auch wenn sich die VP-Funktionäre nur ungern mit der Kultusgemeinde und der ÖVP-Kameradschaft anlegen, sie wollen statt dessen eine Statue von Kaiserin Elisabeth, die derzeit im Schloßpark Hellbrunn steht, am Bahnhofsvorplatz aufstellen.

Ein Vorschlag, der auf den ersten Blick nicht ganz einer gewissen »historischen Logik« entbehrt: Auch wenn Salzburg nicht gerade habsburgisch geprägt war, aber immerhin stand die Sisi-Statue aus dem Jahr 1901 bereits einmal beim Bahnhof. Sie wurde zu Ehren der 1898 in Genf ermordeten Kaiserin, nach der auch die Bahnlinie Wien-Salzburg »Kaiserin-Elisabeth-Westbahn« benannt war, errichtet. Und es trägt ja auch der Stadtteil Froschheim seit Anfang des Jahrhunderts den Namen Elisabeth-Vorstadt. Im republikanischen Jahr 1918 wurde die Marmorstatue der Monarchin mit Holz zugenagelt und dann 1925 nach Hellbrunn übersiedelt.

Auf den zweiten Blick merkt man/frau freilich die Absicht: Eine permanente Erinnerung an den Widerstand in der Stadt der einzigen Bücherverbrennung Österreichs ist auf einem der meistfrequentierten Plätze Salzburgs wohl nicht erwünscht. Sisi ist tourismuskompatibel, von den Nazis Ermordete weniger. Ihnen soll in gewohnter Manier dort gedacht werden, wo's nicht so viele sehen: »vor der Elisabethkirche in der Plainstraße etwa«, meint zumindest VP-Mann Dechant.

Eine Vorentscheidung, welches Denkmal am Bahnhofsvorplatz stehen wird, dürfte Anfang Herbst im Kulturausschuß fallen. Aber vielleicht kommt ja auch ein richtig österreichischer Kompromiß raus: Das Antifa-Denkmal und Sisi stehen nebeneinander am Platz vor dem Bahnhof. Gerüchteweise wird diese Variante im Stadtsenat bereits diskutiert.