september-oktober 1998

Didi Neidhart

»...nicht schon wieder Schlingensief!«

Auf der Jagd nach dem Phantom, Akt 2

Jetzt war er also doch da. Weniger als Aktionist, denn vielmehr als Privatier, der umringt von zig TV-Teams durch Salzburgs Innenstadt wandelte, im Café Tomaselli Kaffee trank, »Dantons Tod« besuchte und sich ansonsten eher gestreßt gab. Dafür gabs im Vorfeld der beabsichtigten Innenstadt-Aktion eine typische Schlingensief-Soap-Opera. Da war von gerichtlichen Schritten gegenüber der Szene zu hören, von Geheimaktionen und ständigen Anrufen diverser Exekutivabteilungen im Szene-Büro, ob dieser Schlingensief nun schon irgendwo in Salzburg aufgetaucht sei. Auch am und im Wolfgangsee passierte nicht wirklich viel. Etwas Sponti-Aktivismus aus den 70ern, etwas Meta-Medienkritik aus den 80ern (wir leben in einer Welt der Inszenierungen, das System bildet sich ständig selber ab) und natürlich das von den 68ern gelernte Scheitern. Dann war er wieder weg. Zurück bleibt eine Klimaverschärfung innerhalb der Salzburger Kulturlandschaft mit bis jetzt doch eher ratlosen Kulturschaffenden und einem schlußendlich doch triumphierenden Kulturzensor Dechant. Es sei denn, alle mehr oder weniger davon betroffenen SommerfrischlerInnen haben die Ferien auch dazu benutzt, sich Gedanken über mögliche Konsequenzen und Reaktionen zu machen, die dann nach dem Ende der allgemeinen Urlaubszeit konkret diskutiert und umgesetzt werden. Auch Szene-Indendant Michael Stolhofer gibt zu, daß »bis jetzt noch nicht wirklich etwas passiert« sei, er jedoch keine Zweifel daran hat, daß »die Diskussion darüber noch nicht abgeschlossen« ist. »Wir müssen nach dem Sommer alle ausführlich darüber nachdenken und reden. Die Diskussion findet ja bereits auf breiter Ebene statt. Auch wenn derzeit das meiste noch eher zwischen Tür und Angel passiert.« Geplant sei jedenfalls eine zusammen mit der Bürgerliste formulierte, dringliche Anfrage im Stadtsenat sowie die Forderung nach einer Klausel in den Subventionsverträgen, die äußere Einflußnahmen verbieten. Dazu Stolhofer: »Es geht schlicht um die Frage, unter welchen Umständen nimmt man Subventionen. Nur können wir als Szene die ganze Geschichte nicht alleine durchziehen.« Daß es nicht bei Solidaritätsbekundungen eh Gleichgesinnter und Betroffener sowie bei internen Diskussionen, die, auch wenn sie medial öffentlich gemacht werden, nicht wirklich über einen begrenzten Kreis hinauskommen, bleiben darf, bekräftigt auch Thomas Randisek vom Dachverband der Salzburger Kulturstätten. Wobei er als konkrete Ansatzpunkte Diskussionsveranstaltungen während der im September in der E-Bühne stattfindenden Ausstellung »Kunst und Zensur in Österreich« sowie eine für Oktober im ORF-Landesstudio geplante Kulturdiskussion nennt (in diesem Zusammenhang sei auch noch auf eine für den Herbst geplante Diskussionsreihe in der Galerie 5020 verwiesen, bei der sich in- und ausländische ReferentInnen u.a. speziell mit dem Themenkomplex »Kunst/ Politik« auseinandersetzen werden). Doch auch hier hält sich allzu großer Optimismus, was etwaige Konsequenzen oder gar Aktionen betrifft, eher in Grenzen. Die Gefahr des Aussitzen, des Vergessens, des irgendwie Weiterwurstelns, weil es scheinbar keine gangbaren (denkbaren?) Wege aus einem mitunter fatalen Abhängigkeitsverhältnis gibt, sei schon gegeben. Zudem müsse man realistisch zugeben, daß die Salzburger Kulturszene in diesen Belangen »nicht unbedingt zu den Fittesten« gehört. Diesen Eindruck hat auch die Causa Schlingensief hinterlassen. Wobei es jetzt nicht so sehr darum geht, daß die Szene plötzlich in einer Situation war, wo »eigentlich jede Entscheidung eine falsche gewesen wäre« (Stolhofer). Es geht auch nicht um Schlingensief. Was viel eher verwundert und sich im Sommer mehr als manifestiert hat, ist eine so gut wie überhaupt nicht stattgefundene »Re-Politisierung« innerhalb Salzburgs Kunst- und Kulturszene. Diesbezügliche, seit Jahren heftigst ausgetragene Diskurse scheinen zumindest an Salzburg spurlos vorbeigerauscht zu sein. Daß konkrete Taten als Konsequenzen aus dem Verhalten von Dechant gezogen werden müssen, fordert auch der ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Salzburger Landeskulturbeirates, Gerald Gröchenig: »Letzlich liegt es an den Salzburger Kulturschaffenden und deren Rezipienten, Herrn Dechant spüren zu lassen, daß er seinen Kredit als Kulturreferent verspielt hat. Wenn sich jemand mit Ignoranz und Kulturfeindlichkeit den Biertischen anbiedert, dann soll er auch seine Feierstunden dort verbringen. So jemand hat eigentlich bei keiner Vernissage oder Premiere mehr etwas verloren. Allerdings dürfte die Konfliktfähigkeit, dies auch in aller Öffentlichkeit auszudrücken, in Salzburg nicht allzu ausgeprägt sein.« Aber vielleicht würde es auch einfach nur genügen, das Parteiprogramm von Schlingensiefs CHANCE 2000 als Negativfolie zur (Re-)Politisierung des eigenen Denkens/Handels zu verwenden. Denn dort geht es vorrangig auch darum »einen ideologiefreien Raum zu gestalten«, der »jenseits von links und rechts« liegt und persönlicher Betroffenheit mehr »wahres Leben« zugesteht, als den gesellschaftspolitischen Verhältnissen und Zwängen, die dafür verantwortlich sind. Mal sehen.