september-oktober 1998

Thomas Neuhold
im gespräch

»Hätten SPÖ und Bürgerliste eine Mehrheit...«

SPÖ-Vizebürgermeister Heinz Schaden und Bürgerlistenklubobmann Helmut Hüttinger über Kultur- und Kommunalpolitik in der Stadt Salzburg

Ziehen wir Bilanz über die Zeit von den Wahlen 1992 bis zum Wahlkampfbeginn: Wo steht die Kommunal- und Kulturpolitik in der Stadt Salzburg heute?

Hüttinger: 1992 war das Ende einer Phase, in der die Kulturszene - gerade im freien Bereich - einen enormen Aufschwung genommen hat. Das Ergebnis ist ein Rockhouse, ein Literaturhaus und viele andere Kultureinrichtungen in Salzburg, die es Bürgermeister Josef Dechant ermöglichen, zu sagen: schaut's euch an, was es unter mir als Kulturressortchef alles gibt. Er verschweigt dabei die reale Entwicklung im freien Kulturbereich, wo es - ähnlich wie im Sozialbereich - massive Rückgänge gegeben hat.

Im Unterschied beispielsweise zum öffentlichen Verkehr kann man im kulturellen Bereich ohne sehr große finanzielle Mittel etwas bewegen. Das ist verabsäumt worden. Die Mehrheit im Gemeinderat hat Kulturschaffende als Schmarotzer, als Chaoten, als lästige Bittsteller denunziert. Es wurde ein Klima geschaffen, in dem die Pleite der Stadt nur mit den »exorbitanten Ausgaben« im Kulturbereich erklärt wurde.

Schaden: Mit dem Aufschwung in der vergangenen Funktionsperiode und dem folgenden Bruch innerhalb der SPÖ hat auch ein Vertrauensbruch zwischen den Kultureinrichtungen und der SPÖ stattgefunden. Das war ein denkbar schlechtes Ende einer sehr produktiven Zeit. Mir ist es relativ schwer gefallen, in der Zeit danach dieses fast naturhafte Vertrauen zur SPÖ wieder aufzubauen. Ich sehe auch heute immer noch Nachwirkungen und Phantomschmerzen.

Darüberhinaus hat die Kultur mit der Ressortübernahme Dechant ihren wichtigsten Ansprechpartner verloren. Ich erinnere an den Streit um SPOT oder an die Pläne »Das Kino«, die »SZENE« und das »Kleine Theater« anzugehen. Bei Dechant kommt noch dazu, daß es über die Verweigerung eines Dialoges auch ein spürbares Desinteresse gibt. Die Kultur interessiert ihn nicht, da hat er keine Leidenschaft dafür. »Die Frau hat's sich ang'schaut und der hat's nicht g'fallen«, ist bei ihm ein geflügeltes Wort.

Die Auswirkungen dieses Nicht-Dialoges sind ziemlich weitreichend: Die Kulturszene stagniert teilweise, weil sich die Einrichtungen in eine Überlebensstellung eingeigelt haben und auf bessere Zeiten warten. Für und mit der jüngeren Generation findet auch deshalb wenig statt, weil jeder wartet, daß diese katastrophale Phase zu Ende geht. Bleibt zu hoffen, daß die Wahl 1999 insofern eine Änderung der Kräfteverhältnisse bringt, daß die automatischen Mehrheiten für Dechant ein Ende haben und jemand anderer das Kulturressort übernimmt. Es ist hoch an der Zeit!

Ist die These richtig, daß die Kulturpolitik, wo es budgetär nur um die berühmten 'Peanuts' geht, in der Stadtpolitik wichtiger wird, weil die Kommunalpolitik bei den zentralen Fragen immer weniger Spielraum hat und die Profilierung der Parteien letztlich nur mehr über vergleichsweise kleine Nebenthemen möglich ist?

Schaden: Nein. Einerseits hat Salzburg sicher die Phase des Null-Spielraumes hinter sich, auch wenn die goldenen siebziger und achtziger Jahre vorbei sind. Andererseits ist gerade in der Stadt Salzburg eine Kombination aus guter Wirtschafts- und kluger Kulturpolitik mehr als nur ein kommunalpolitisches Randthema. Wir nehmen den Vorteil und den Reichtum, der sich aus der »Kulturstadt Salzburg« ergibt, oft gar nicht mehr richtig wahr.

Hüttinger: Kulturpolitik ist gerade in Salzburg deshalb ein so wichtiges Thema, weil es die Chance einer positiven Stadtentwicklung bieten könnte. Konkret müßte man unter dem Leitmotiv »Mozartjahr 2006« ein großes kulturpolitisches Stadtentwicklungsprojekt starten, statt zu schlafen oder irgendwelche Seifenblasen wie Megastadion und Olympia zu starten.

Nehmen wir doch 2006 zum Anlaß, um auch nur einen Teil des Geldes in die Hand zu nehmen, daß wir für Olympia in die Hand nehmen wollten. Schauen wir, welche Kulturprojekte wir starten können, damit Salzburg eine der wichtigen mitteleuropäischen Kulturstädte wird - vor einigen Jahren hätte ich noch gesagt »bleibt«.

Prag oder Wien laufen uns sonst im Bereich Mozarttourismus den Rang ab. Wir sind nicht in der Lage, Menschen die in Salzburg qualitative klassische Musik außerhalb der Festspielzeit erleben wollen und die bereit sind dafür Geld hinzulegen, ein tolles Programm anzubieten. Das sind Gäste, die in einem ähnlichen wirtschaftlich potenten Segment sind, wie die Museumstouristen.

Stichwort Museumstourismus: Das führt schnell zum Thema Guggenheim. Das Projekt ist ja an der Salzburger Situation, wo in der Politik überhaupt nichts mehr geht, gescheitert.

Hüttinger: Es gibt zwei Seiten dieser Politik, die da betreiben wird: Die Politik der großen Seifenblasen und die Politik, wo nichts möglich ist.

Schaden: Guggenheim ist ein gutes Beispiel dafür, daß es an der Phantasielosigkeit und an der Angst scheitert. In Stadt und Land hat man es sich nicht wirklich vorstellen können und dann gab es noch die Konkurrenz zum Stadt-Land-Museum ...

...wegen dem niemand nach Salzburg kommt.

Schaden: So ist es. Das lockt niemanden hinterm Ofen hervor ...

Hüttinger: ...dennoch ist es einfach eine Sauerei, wie man mit ganz wichtigen Kulturgütern aus Salzburg umgeht. Kulturschätze vergammeln, Bilder von unschätzbarem Wert werden zerstört, weil wir eben nicht einmal das kapieren.

Schaden: Das war damals eine kleinliche Auseinandersetzung um das Stadt-Land-Museum und Guggenheim. Denn es gab ein großzügiges Angebot des Bundes, ein richtiges Mondfenster, in welchem Erhard Busek und Franz Vranitzky angeboten haben, rund 80 Prozent von Guggenheim zu zahlen. Und das außerhalb von Wien! Da war man phantasielos.

Das zweite Hindernis war vor allem kommunalpolitisch: Man hat Angst vor den vielen Menschen bekommen, die dann kommen. Heute haben wir eine Altstadtdebatte und fragen, was können wir tun, damit Menschen in die Altstadt kommen. Dazu kommt noch, daß gerade die Bildende Kunst in Salzburg unterbelichtet ist und Guggenheim eine internationale Größe gewesen wäre.

Politik spielt sich oft auch auf symbolischer Ebene ab. Jüngstes Beispiel: Die Kulturminister der EU tagen im Rahmen der österreichischen Präsidentschaft nicht in der »Kulturstadt Salzburg«, sondern in Linz.

Schaden: Linz hat uns in den letzten Jahren den Rang abgelaufen. Linz hat - nicht nur im Bereich der Kulturpolitik, sondern wie sich die Stadt präsentiert - einen kompletten Paradigmenwechsel geschafft; von der tristen Stahlstadt hin zu einer lässigen Stadt. Das zieht unglaublich viele Leute an. Im Gegensatz dazu Salzburg: Wir spielen zwar noch gut mit, laufen aber Gefahr, Positionen zu verlieren.

Reden wir über Veränderungs-

chancen für Salzburg.

Hüttinger: Es wäre in vielen Bereichen sicher manches einfacher, hätten SPÖ und Bürgerliste eine Mehrheit im Gemeinderat.

In der derzeitigen Konstellation des Gemeinderates braucht man zu einfachen Mehrheiten drei Parteien. Das bedeutet, daß kleinere Fraktionen durchaus Einfluß nehmen können, wenn sie Bündnispartner gewinnen. Am Beispiel der Subventionierung freier Kulturstätten muß man aber feststellen, da hat zwischen Bürgerliste und SPÖ vieles nicht funktioniert. Es ist nicht gelungen, eine gemeinsame Politik zu vereinbaren, um Rahmenbedingungen für eine Zustimmung zum Budget festzulegen.

Wir (die Bürgerliste; Anm.) haben immer eine Valorisierung der Dotationen in den freien Kultur- und Sozialbereichen und in einzelnen Positionen Anhebungen gefordert. Daher haben wir den letzten Budgets nicht zugestimmt. Die SPÖ hingegen war aber eine der Mehrheitsparteien für das Budget, die nicht ausfallen durfte. Da haben wir unseren oft gemeinsamen Bemühungen, wo wir gesagt haben, die Kulturstätten werden ausgehungert, einen Bärendienst geleistet. Insbesonders wenn die SP-Klub-obfrau in der Budgetrede explizit sagt, daß wir keine Valorisierungen brauchen. Um das zu verbessern, brauche ich mir nicht mehr Mandate oder andere Mehrheiten wünschen.

Schaden: Den Vorwurf kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Tatsächlich sind die Budgets gleichgeblieben. Der Vorwurf, daß wir uns am Aushungern beteiligen, ist da nicht richtig. Das letzte Budget war allerdings eines, wo es auch für uns in zentralen Fragen »auf Spitz und Knopf« gegangen ist. Was sicherlich nicht in dem Maße betont wurde wie bei der Bürgerliste war die Frage, was gibt es darüberhinaus noch. Wir hätten aber sicher nicht einem Budget zugestimmt, das noch einmal eine Verschlechterung des Status für die Kultureinrichtungen gebracht hätte.

Was die Valorisierung angeht, hat es in unserer Fraktion heftige Diskussionen gegeben. Ich teile den Standpunkt von Susi Neuwirt nicht.

Es ist eingangs schon vom Vertrauensverlust und von fehlenden Ansprechpartnern im Kulturbereich gesprochen worden. Was wollen SPÖ und Bürgerliste unternehmen, um die 1992 nach dem Bruch mit Fartacek beziehungsweise die durch Herbert Fux entstandenen Irritationen zu beheben?

Schaden: Was soll 1999 passieren? Entweder es gibt 1999 eine Wähler-entscheidung, die klar genug ist, daß die SPÖ wieder selber das Kulturressort übernimmt, oder jedenfalls - auch in Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen - stark genug macht, daß derartige kulturpolitische Entscheidungen, wie sie in den vergangenen Jahren gefallen sind, einfach nicht mehr passieren können. Ich würde gerne selber das Kulturressort übernehmen. Einfach auch aus der bereits erwähnten Position, daß eine gute Wirtschafts- und eine kluge Kulturpolitik in der Stadt eine positive Dynamik auslösen kann. Siehe Linz, das es aus einer Underdog-Position geschafft hat, eine prickelnde Stadt zu werden. Da können wir immer noch aus einem wesentlich größeren Fundus und einer wesentlich größeren Reputation schöpfen. Ich erlebe immer wieder, daß die Leute in der Stadt fast hungrig sind nach mehr Diskurs, nach mehr intellektueller Aufregung.

Gibt es auf der SPÖ-Liste ein personelles Angebot für die Kulturszene?

Schaden: Wir haben uns aus der Kulturszene um eine Person bemüht. Der war jedoch das kulturelle Leben wichtiger als das politische. Das muß ich respektieren.

Wer garantiert, daß Herbert Fux nicht ein zweites Mal passiert?

Hüttinger: Ich. Es gibt eine klare Entscheidung, nicht mehr mit Fux zu kandidieren und ihn aus den Ausschüssen abzuziehen. Ich kann garantieren, daß die Kulturpolitik eine wichtige Rolle spielen wird. Wir sind sehr bemüht, daß wir auch neue Menschen finden, denen Kulturpolitik ein Anliegen ist, die mit uns in die Wahl gehen wollen.

Wir versuchen, neben Mindesstandards wie etwa mittelfristige Fördervereinbarungen, ein Klima wiederherzustellen, daß der zuständige Politiker auch eine hohe Verläßlichkeit hat. Das hat Bürgerliste und SPÖ in den vergangenen Jahren oft unterschieden, weil die Kulturausschußvorsitzende oder der Vizebürgermeister viele Dinge in der Fraktion nicht durchsetzen konnte. Da würden wir mehr Verläßlichkeit in Richtung Gesamtkulturentwicklung bieten.

Die Ziele für die Wahlen 1999?

Schaden: 15 Mandate und den Bürgermeister. Ich trete nicht an, um Zweiter zu werden. Ich renne nicht auf Platz, sondern auf Sieg.

Hüttinger: Es spricht viel dafür, Johann Padutsch als Herausforderer genauso ernst zu nehmen wie den amtierenden Bürgermeister und Heinz Schaden. Wir sind derzeit drittstärkste Fraktion im Gemeinderat, das wollen wir bleiben und noch dazulegen.

Danke für das Gespräch.