märz 1999

Didi Neidhart
zu gast

»FLOWERS FOR HITLER«

Wie kann der Nationalsozialismus thematisiert, bearbeitet und analysiert werden? Ende Jänner fanden dazu im Kulturgelände Nonntal zwei Theaterstücke (»Fräulein Braun«, »Liebe Macht Blind«) sowie ein Symposion zum Themenschwerpunkt »Geschlechterpolitik im Nationalsozialismus« statt. Ausgangspunkte bildeten dabei Fragen nach der verführerischen Faszination, die Macht auf Frauen ausübe (in den beiden Theaterstücken thematisiert als Hitler-»Groupie« Eva Braun und sehnsüchtige Hitler-Liebesbriefe-Schreiberin) sowie aktuelle Positionen innerhalb der feministischen Geschichtswissen- schaften zum Themenkomplex »Frauen und Nationalsozialismus«.

Spätestens seit die deutsche Frauenwissenschaftlerin Christina Thürmer-Rohr den Begriff der »weiblichen Mit-Täterschaft« prägte, sind in wissenschaftlichen und politischen Diskursen klassische 70er-Jahre Ansätze nicht mehr haltbar. Das betrifft vor allem den Topos, daß alle Frauen Opfer des Patriarchats seien und dies somit auch für alle Frauen im Nationalsozialismus gelte. Daher sei die Frage nach den »Täterinnen« während des Nationalsozialismus erst in letzter Zeit vermehrt ins Zentrum feministischer Geschichtsforschungen gerückt, so Johanna Gehmacher vom Wiener Institut für Zeitgeschichte im Rahmen des Symposions »Flowers für Hitler«. Angesichts der Orte und Räume, die Frauen im Nationalsozialismus zugewiesen wurden (das Haus/Heim, die Familie, die »Heimatfront«) und der Funktionen, die sie dort zu erfüllen hatten (Kinderkriegen, Erziehung, in Fabriken arbeiten), gehe es daher primär um die Frage »Was ist das Politische am Privaten«? D.h., wie sehr lassen sich »private Gefühle«, so die Historikerin Ingrid Bauer, »für politische und nationalistische Zwecke instrumentalisieren?« Daß sich hierbei die »Politics of Gender« in den »Politics of War« wiederspiegeln und gegenseitig rückkoppeln, stellt auch die Historikerin Ela Hornung in ihrem Referat über »Erzählkonstrukte von Ehe/Paaren« fest. Kriegsfront und Heimatfront verschmolzen in- und miteinander. Daher seien alte Dichotomien, die auf den Gegensatzpaaren Mann/ Frau, Front/Heimat, Täter/Opfer basieren, nicht mehr haltbar. Auch die »Selbststilisierung als Trümmerfrauen« sei daher als Versuch zu werten, in bzw. nach der Niederlage dem »Heroischen« einen neuen Namen zu geben.

Nur, und hier beginnt eines der Probleme des Symposions, wie können Analysen, die auf einen spezifischen historischen Zeitabschnitt (Nationalsozialismus, 2. Weltkrieg, unmittelbare Nachkriegszeit) beschränkt sind, über dessen Ideologie und Geschlechterpolitik einen Diskurs führen, der nicht bei einem historisierenden »Es war einmal« stehen bleibt? Gab es eine Kontinuität der Nazi-Ideologie nur bei der gewalttätigen Verfolgung von »Amibräuten« in der Nachkriegszeit wegen »Verunreinigung deutschen Blutes« und bei Winifred Wagner, die sich noch 1976 in Syberbergs Hitler-Film zum »Führer« bekannte? Oder, anders gefragt, muß eine »historisch« ausgerichtete Nationalsozialismus-Diskussion zwangsläufig »in der Geschichte« stecken bleiben? Wie kann es kommen, daß die deutsche Sozialwissenschaftlerin Gudrun Schwarz den Disput zwischen Martin Walser und Ignatz Bubis als »Debatte zwischen alten Männern« abtut? Müßte nicht eher, wie auch seitens des Publikums kritisch angemerkt wurde, von »Faschismus« gesprochen werden? Nicht nur, weil ein reduzierter Blick auf »Hitler« und die »NS-Zeit« die Gefahr in sich birgt, die Kontinuität faschistischer »Politics« (jenes »Faschismus ohne Hakenkreuze«, den die »Rechten« schon lange nicht mehr alleinig für sich gepachtet haben) und der (neuen) Bilder, die dabei weiterhin produziert werden, zu kurz kommen zu lassen. So mag es wenig verwundern, daß an dem von Nike Wagner in die Diskussion geworfenen problematischen Begriff »Mentalität« nur wenig Kritik laut wurde. Auch wenn die Historikerin Ingrid Bauer immer wieder betonte, daß im Bezug auf den Nationalsozialismus nicht von »privaten Einzelfällen« gesprochen werden könne, da diese nie unabhängig von den jeweiligen politischen Kontexten und sozio-strukturellen Machtverhältnissen betrachtet werden können und sich zudem die verschiedenen Diskurse immer wieder durchkreuzen, wurde an einer Art »weiblicher Mentalitätsgeschichte« festgehalten. Das scheint nicht nur deshalb als problematisch, weil hier Unterschiede zwischen den Geschlechtern erneut als essentialistisch, d.h., naturgegeben (und nicht als Produkte sozio-politisch bedingter Konstruktionen) betrachtet werden können. Auch Nike Wagners Verweis, daß bei der aktuellen feministischen Nationalsozialismusforschung (etwa bei Interviewsituationen) nicht vergessen werden dürfe, daß es generationenspezifische Unterschiede bei den jeweiligen »Frauenbegriffen« gäbe, erscheint im Licht einer »Mentalitätsgeschichte« als Differenz bzw. antifaschistische Haltung, die sich vor allem durch verschiedene »Gefühle« und der »Gnade der späten Geburt« manifestieren.

Ginge es nicht eher, neben der Notwendigkeit eines »politischen« Antifaschismus, darum, wie und warum etwa angesichts der Filme von Leni Riefenstahl (deren »Beitrag« zur »Geschlechterpolitik im Nationalsozialismus« komischerweise überhaupt nicht thematisiert wurde), faschistische Machtinszenierungen und die dabei produzierten Bilder immer noch eine schreckliche Faszination ausüben? Wenn Georg Seeßlen Faschismusanalyse als Dekonstruktion jener faschistischen Mythen definiert, die zugleich »außer mir« wie »in mir« sind und sich dabei indirekt auf Klaus Theweleits Aussage bezieht, daß »Faschismus« auch jederzeit Teil der eigenen (auch linken) »Realitätsproduktion« sein kann, so impliziert dies auch veränderte Sprechpositionen und ein anderes Denken/Bewußtsein bezüglich des »tödlichen Faszinosums« Faschismus/männliche Machtinszenierungen. Gerade und vor allem wegen dem, was davon (noch) »in mir« ist und somit auch reale Effekte auf aktuelle Geschlechterverhältnisse haben kann.