märz 1999

Günther Marchner
titel

Stille Nacht

Zu den Kulturprogrammen der Salzburger Landesparteien

»Das Lied Stille Nacht - Heilige Nacht ist das weltweit meistgesungene Weihnachtslied. (...) Es ist aber viel zu wenig bekannt, daß dieses Lied in Oberndorf im Land Salzburg erstmals gesungen wurde. (...) Es ist daher ein umfassendes Konzept auszuarbeiten

und jede Initiative zu fördern, die diese Tatsache in der ganzen Welt bekannt macht.«

(aus dem Zukunftsprogramm der Salzburger Volkspartei für das 21. Jahrhundert)

Im von Routine und Tradition geprägten Salzburger Kulturleben liegt es nahe, die Ausagen der Parteien zu Kunst und Kultur nach ihrem Gehalt an zukunftsweisenden Vorschlägen zu bewerten. Die folgenden vergleichenden »Shortcuts« sollen die mühselige Akquierierung der Parteiprogramme - die meisten werden nicht auf der Straße ausgeteilt - ersparen.

Kulturverständnis: von altmodisch-klassisch bis zukunftsweisend-innovativ.

Der Umgang der Parteien mit dem kulturellen Wandel der letzten 20 Jahre fällt unterschiedlich aus: Die FPÖ setzt auf Vielfalt zwischen »Singkreis und Hochkultur«. Die ÖVP gibt sich zwar vielfältig-pluralistisch, aber klassische Kunst, Tradition und kulturelles Erbe stechen in ihrem Papier hervor - daneben gibt es auch noch etwas »Anderes«. Die SPÖ nimmt den Wandel bewußter wahr und setzt auf eine »vielfältige, aktive und moderne Kulturszene«, ebenso wie die Grünen und das Liberale Forum. Wenn Salzburg also zukunftsorientiert erscheinen möchte, so zielen die Akzente des ÖVP-Programmes - popularisierte Klassik-Events und bewährte Image-Konserven (Mozart) - sicher daran vorbei. Dagegen wünschen sich die SPÖ »Salzburg als Synonym für ein weltoffenes, buntes sowie zeitgenössische und auch unkonventionelle Strömungen förderndes Kulturklima«, die Grünen eine Überwindung der »Mozart & Marterl-Kultur« und das Liberale Forum »Mut zu Neuem«.

Alternativen zum Traditionalismus in einer komplexen Wirklichkeit? Die Sehnsucht nach heilen Welten und geschlossenen Horizonten, die in der Betonung von »Regionalkultur« gegen kulturelle »Nivellierung« im ÖVP-Programm durchschimmern, lassen einen zukunftsweisenden und offenen Blick vermissen. Eine »falsche Wärme der Kultur« (Rudolf Burger) wird verkauft. Wie ein reflexiver Umgang mit »Tradition« und eine offene kulturelle Identität ohne Angst vor dem Fremden gefördert werden können, wird dabei allerdings nicht beantwortet. Aber auch die anderen Parteien kommen zum Thema »Umgang mit kulturellem Wandel« über Grundsatzbekenntnisse wie »Modernität« (SPÖ), »Grenzüberschreitung« (Grüne) oder »Abbau von Barrieren« (Liberales Forum) noch nicht hinaus. ÖVP und FPÖ scheinen »Tradition« und »kulturelles Erbe« gepachtet zu haben. Die anderen Parteien fragen scheinbar nicht, ob sie diese Themen wirklich dem Traditionalismus überlassen sollen.

Freie Kultur/Neuer kultureller Sektor: Wie positionieren sich die Parteien?

Es fällt auf, daß bei ÖVP und FPÖ (Info-Defizit oder Realitätsverweigerung?) Begriffe wie »Kulturszene« oder »freie Kultur« nicht vorkommen. Dagegen heben SPÖ, Grüne und Liberales Forum eine vielfältig-aktive Kulturszene besonders hervor. Und nur sie weisen auf die Unterschiede zwischen »großen« und »kleinen« Einrichtungen, zwischen »gebundenen« und »freien« Fördermitteln hin und treten für eine Umverteilung von Mitteln zugunsten der freien Kultur ein.

Für eine mittelfristige Finanzierung treten explizit nur das Liberale Forum und die Grünen ein; die SPÖ verharrt auf »Stabilität« und »Kontinuität« der bisherigen Finanzierung. Das Liberale Forum wünscht sich - stärker als andere - Sponsoring und Mäzenatentum als »dritte Säule« der Kulturfinanzierung. Alle Parteien vertreten im allgemeinen die Autonomie von Kunst und Kultur (was im Grunde keine Forderung, sondern eine Selbstverständlichkeit sein muß). Aber in den Details gibt es Unterschiede: Die ÖVP hebt künstlerische Autonomie hervor. Dies läßt vermuten, daß sie die wirtschaftlich-administrative Autonomie von Kulturstätten in Zweifel zieht. Die FPÖ möchte - im Gegensatz zur Finanzierungsrealität - nur Start-, aber keine Dauerfinanzierungen. Ihr »Schlüsselwort« in Sachen Kulturförderung ist »Kontrolle«. Es ist anzunehmen, daß sich dieses Bedürfnis nicht nur auf Kostenfragen beschränkt. Die anderen Parteien nehmen Autonomie ernster, sprechen sich aber für mehr wirtschaftliche Effizienz (SPÖ) bzw. für Strukturreformen von Einrichtungen (Grüne) aus.

Innovationen?

Nur wenige Parteien - und das ist auch neu - fordern Impulse gegen Routine und Stagnation in der Kultur-szene: Verstärkte Projektförderung via »Innovationstopf« (SPÖ) bzw. einen Budgetansatz für neue Projekte und Koopera- tionen (Grüne). Die SPÖ hält Vernetzung, Marketing, Wissenstransfer, Organisation für wichtig. Die Grünen treten für eine Verbesserung der Entwicklungsfähigkeit (Qualifizierung, Professionalisierung, Organisationsentwicklung) der Kulturstätten ein. Insgesamt fehlen neue Impulse und Akzente für den Kulturraum Salzburg, auch wenn sich die SPÖ »Salzburg als Synonym« für ein »weltoffenes« Kulturklima, das Liberale Forum »Mut zu Neuem« und die Grünen »Innovation, Grenzüberschreitung, Aufbrüche« wünschen. Der ÖVP fällt nichts zu einem möglichen Entwicklungsfeld »Kultur - Medien - Neue Technologien« ein. Auch zukünftig ist ein salzburgspezifisches »Innovationsmodell«, vor allem seitens der Präsidialabteilung des Landeshaupt- mannes, zu befürchten: Die Politik fördert nicht Kultur, sondern macht sie einfach selber. Und sie erfindet neue »Events« - unter Ignorierung der bestehenden Kulturszene.