märz 1999

Christoph Lindenbauer
titel

Das Leben nach Dechant

Die Spitzenkandidaten der Stadtparteien über ihr kulturelles Weltbild

Gerammelt voll war das Publikumsstudio des ORF, fast jede Salzburger Kulturinitiative hat einen Vertreter geschickt, um jenen in die Karten zu schauen, die die Kulturpolitik der Stadt in der kommenden Legislaturperiode in die Hand nehmen wollen und auch werden. Am Podium bei dieser Kulturdiskussion, zu der der Dachverband Salzburger Kulturstätten geladen hatte: Joachim Lintner vom Liberalen Forum, Helmut Hüttinger von den Grünen, Siegfried Mitterdorfer von den Freiheitlichen, Heinz Schaden, der Sozialdemokrat, und Karl Gollegger, der ÖVP-Quereinsteiger und Michael Bilic vom Dachverband. Nicht geladen (merkwürdigerweise): Herbert Fartacek, Demokratie 92 Gründer und einer der umstrittensten Salzburger Kulturpolitiker. Zum Hören und Mitdiskutieren gekommen sind Salzburgs Künstler, Kulturszenekämpfer und alle Dechant-Geschädigten wohl in erster Linie wegen Karl Gollegger.

Golleggers steiles Hinauffallen der Karriereleiter vom Haslauer-Sekretär bis zum »Ich tu's nur für Euch« Bürgermeisterkandidaten mag ein Kunststück gewesen sein. Aber was hat der doppelte Doktor der Rechtswissenschaften und der Publizistik, der bisher Straßen und Kraftwerke gemanagt hat, mit Kultur am Hut? Gollegger:

»Ich übernehme ein schweres Erbe, noch immer zahlen wir die Zinsen der Fartacek-Geldverschleuderungspolitik, wir müssen also weiter sparsam sein.« Ganz perspektivlos und als bloßer Erhalter der dechantschen Spar- beziehungsweise Aushungerungspolitik wollte sich Gollegger aber auch nicht präsentieren. Seine wichtigste kulturelle Vision für Salzburg:

Gollegger (ÖVP): »Das Fest in Hellbrunn soll wiederbelebt und zu einem Festival ausgebaut werden«

»Ganz ohne Geld geht das natürlich nicht, aber dieses Festival soll von Salzburger Künstlern gestaltet werden, da wird's wohl nicht gar zu teuer sein. Das Hellbrunnfestival soll einen Monat dauern und im Juli stattfinden. Dort will ich den Salzburger Talenten eine Chance geben, in einer lebendigen Kulturszene muß alles Platz haben.« Was Gollegger aber nicht erwähnt hat: Schon mehrere Bürgermeister vor ihm haben Jahr für Jahr Millionenbeträge in das Fest in Hellbrunn gebuttert, ohne dieses Spektakel je auf wirtschaftlich oder künstlerisch eigene Beine stellen zu können. Gollegger will es dennoch wieder versuchen, da wirkt seine Forderung nach rigoroser Kontrolle der Kunst fast beruhigend. Denn Gollegger will noch mehr: »Wesentlich für die kulturelle Entwicklung der Stadt ist außerdem das Weltkulturerbe und die Stadtteilkultur.« Wem dabei etwas mulmig wird, dem sei gesagt, daß Gollegger die Kultur, anders als Dechant, nicht zur Chefsache machen wird, sondern Alfred Winter auf den Kulturstadtratsposten heben will, jenen »visionären Spießbürger«, der sich vor allem als Gründer der Szene der Jugend in den 60er Jahren und auch als Tauriska-Chef zweifellos verdient gemacht hat um die Salzburger Kulturszene.

Zurück zu Gollegger: Zugesagt hat er die seit langem von den Kultur-initiativen geforderte mittelfristige Finanzierung. Das heißt: Die Budgets sollen nicht mehr jährlich - so wie bei Dechant - sondern für drei Jahre festgelegt werden, um den Vereinen seriöses Planen und Wirtschaften zu ermöglichen.

Zum nächsten Dauerstreitthema in der Kulturszene: Das Museum der bildenden Künste auf dem Mönchsberg. Dieses bereits von Architekten fertig geplante Großprojekt ist zwar Landes- und Bundessache, mitreden will Gollegger trotzdem: »Allein schon aus wirtschaftlichen Gründen kann das Mönchsberg-Museum nicht der bildenden Kunst allein überlassen werden, ich will dort oben auch Kongresse veranstalten«. Ein Punkt übrigens, in dem sich Gollegger mit dem freiheitlichen Stadtrat Siegfried Mitterdorfer einer Meinung weiß.

Und das war's auch schon, mehr war über das kulturelle Weltbild des bürgerlichen Spitzenkandidaten an diesem Abend nicht zu erfahren.

Und was sagt Heinz Schaden, Golleggers aussichtsreichster Konkurrent im Kampf um den Bürgermeistersessel zum Thema Kongresse auf dem Mönchsberg? »Man darf doch ein Museum, das nach internationalen Maßstäben ein Winzling ist, nicht auch noch zum Abhalten von Kongressen verdonnern. Die Museumspläne sind architektonisch ohnehin Mittelmaß, mit einem kombinierten Museum-Kongreßhaus auf dem Mönchsberg schlittert das gesamte Projekt ins wirtschaftliche und künstlerische Desaster«. Und auch von Golleggers Festival-Plänen will Schaden nichts wissen:

Schaden (SPÖ): » Ein neues Festival in Hellbrunn aus dem Boden zu stampfen, ist ein Blödsinn«

Die Begründung Schadens: »Wir haben alle Hände voll zu tun, um die bestehenden Kulturinitiativen finanziell über Wasser zu halten, da werden wir uns nicht einen zusätzlichen Subventionsbetrieb züchten.« Stichwort Subventionen, die will auch Schaden in Zukunft allen Kulturinitiativen für jeweils drei Jahre gewähren. An dieser Stelle sei (lieber einmal zu oft, als einmal zu wenig) in Erinnerung gerufen, daß Wahlen vor der Tür stehen. Aber Schaden will nicht nur dreijährige Kulturbudgets für die Kulturinitiativen, er will die seit Jahren kritisierte Vergnügungssteuer und die Kommunalsteuer abschaffen. »Es ist doch unsinnig, Subventionen zu zahlen und sich einen erheblichen Teil dieses Geldes dann über die Steuer wieder zurückzuholen, das beschäftigt nur die Bürokratie.« Rechtlich wäre das durchaus möglich, schließlich zahlen etwa die Kulturvereinigung oder die Festspiele diese Steuern auch nicht. Und Schaden legt noch ein Schäuflein nach und verspricht: »Das städtische Kulturbudget muß von derzeit rund 4 Prozent auf 7 Prozent aufgestockt werden, so wie es Anfang der 90er-Jahre schon einmal war und in den meisten vergleichbaren Städten Mitteleuropas auch ist.« Der smarte Sozialdemokrat zieht die Spendierhosen noch immer nicht aus und kündigt an, die bereits budgetierten 25 Millionen Schilling nicht für die Silvesterfeier zur Jahrtausendwende auszugeben, sondern damit das Toihaus, die ARGE, das Künstlerhaus oder das Kleine Theater sanieren oder umbauen zu wollen. Reichen wird dieses Geld zwar bei weitem nicht, gesteht er, aber immerhin, er winkt mit dem kontinuierlichen Weitersanieren der baulich teilweise desolaten Kulturstätten in den Folgejahren. Schaden wollte dieses Heimspiel in der Wählerstimmenliga natürlich gewinnen und verschweigt daher tunlichst, daß die SPÖ die Sparbudgets Dechants größtenteils mitbeschlossen hat. Aber es ist schließlich - wie gesagt - Wahlkampf.

Schadens möglicher Koalitionspartner in der Stadt, Helmut Hüttinger, hat indes versucht, im selben Wählerstimmenteich wie der Sozialdemokrat zu fischen und hat daher nicht nur Golleggers Festival in Hellbrunn, sondern die kulturellen Vorstellungen des schwarzen Quereinsteigers in Bausch und Bogen als traditionell und überholt bezeichnet. Kultur sei eben mehr als drei Tenöre, sagt der Grüne - welche Salzburger Kulturinitiative würde da schon widersprechen. Auch Landeshauptmann Franz Schausberger bekommt sein Fett ab: »Für den endet die Kultur beim Fußballstadion«. Auch Hüttinger fordert dreijährige Kulturbudgets und punktet mit dem Hinweis, daß das städtische, freie Kulturbudget in der Ära Dechant von 80 Millionen auf 60 Millionen geschrumpft ist, während die Budgets etwa von Landestheater, Mozarteums-orchester oder von Festspielen in diesem Zeitraum deutlich gestiegen sind. Hüttinger schlägt - genau wie Schaden - vor: »Das Kulturbudget muß wieder von vier auf sieben Prozent des städtischen Gesamtbudgets gehoben werden« Aber was will Hüttinger mit den zusätzlich geforderten Millionen für die freie Kultur?

Helmut Hüttinger (Grüne): »Mehr digitale Kunst«.

»Vorbild sind Linz und Wien. Das Gollegger-Festival ist überflüssig, das würde nur dem Szene-Festival Konkurrenz machen. Weg mit der Vergnügungssteuer, Kultur ist auch ein wirtschaftlicher Motor, trotzdem muß das Kulturbudget wieder auf gut 7 Prozent gehoben werden.« Verliebt hat sich Hüttinger in den Szene-Plan zur Belebung der Altstadt. Mit - je nach Variante - 8 bis 15 Millionen Schilling ließe sich die Altstadt wirkungsvoll auf Trab bringen. Außerdem würde ein Lehrberuf »Kulturarbeiter« Professionalität in die heimische Kultur bringen. All das geht für Hüttinger wesentlich leichter, wenn der Dachverband der Salzburger Kulturstätten in den Rang des offiziellen Vertreters der Salzburger Kultur erhoben werden würde. Ein Vorschlag, zu dem sich Schaden nicht geäußert hat, ein anderer auf dem Podium aber schon.

Dem Freiheitlichen Siegfried Mitterdorfer kommt dieser Vorschlag offensichtlich gerade recht. Stimmgewaltig blockt er ab: »Die Kultur in der Stadt braucht alles andere als zusätzliche Kulturbürokraten«. Mitterdorfer ist an diesem Diskussionsabend klar, daß es hier keine Wählerstimmen zu holen gibt. Dementsprechend deftig sind seine Attacken:

Siegfried Mitterdorfer (Freiheitliche): »Viele Kulturschaffende sind Schnorrer und Mimosen«.

»Die Kulturszene ist bloß unzufrieden, weil ein nicht linker Kulturreferent das Sagen hatte. Dechant hat die Kultur-szene aus ihrer verwöhnten Trägheit gerissen und bloß das hemmungslose und unkontrollierte Geldausgeben gebremst: Es ist eben schmerzhaft, aus der von Fartacek geschaffenen geschützten Werkstatt in die Wirklichkeit hinaus zu müssen.« Stöhnen im Saal, das erst dann hörbarer Erleichterung weicht, als Mitterdorfer verkündet: »Ich würde auch als Bürgermeister das Kulturreferat nicht übernehmen.« Dennoch hat der Freiheitliche auch konkrete Vorschläge: »Was Salzburg braucht, ist eine Musicalszene, außerdem muß der Salzburger Jazzherbst massiv unterstützt werden, oder ist Jazz für Sie vielleicht keine Kunst? Silvester 2000 wird uns die 25 Millionen wohl wert sein, und eines sag ich Ihnen auch: Die Freiheit der Kunst ist auch die Freiheit der Kritik«.

Wer fehlt noch im Reigen der Kandidaten und Kultursprecher? Joachim Lintner vom Liberalen Forum. Für ihn ist, wie könnte es anders sein, zuviel Staat in der Kultur. »Denken sie nur an den Fall Schlingensief, da hat doch glatt ein Politiker entschieden (Dechant), welche Künstler eingeladen werden dürfen und welche nicht.« Lintners konkrete Vorschläge:

Joachim Lintner (Liberales Forum): »Kultursponsoring muß von der Steuer absetzbar werden«

»Außerdem muß das Verteilen der Subventionen unbürokratischer werden. Für Summen bis zu 250.000 Schilling darf doch kein monatelanges Bewilligungsverfahren notwendig sein, das muß innerhalb von 14 Tagen erledigt werden können. Jeder Kulturbeamte soll Summen bis zu 20.000 Schilling freihändig verteilen können. Dafür muß man den Kulturinitiativen halt ein begleitendes Finanzmanagement zur Seite stellen«.

Publikum gab es übrigens auch im ORF-Landesstudio an diesem Diskussionsabend. Mitreden durfte es auch, da gings um das Installieren einer Tanzschule (Hubert Lepka), die Kleinkariertheit der Stadt (Kulturhofrat Herbert Werner vom Land), um die Bitte, daß in Zukunft ein Politikerwort auch gelten muß (Hildegund Amanshauser vom Künstlerhaus) oder um eine Lüftung im Literaturhaus (Tomas Friedmann). Bemerkenswert ein Einwand von Thomas Randisek vom Dachverband der Kulturstätten: »Diese Kulturdiskussion ist schlapp«. Tatsächlich scheint die Dechantsche Kulturlähmung noch nicht überwunden. Da gilt schon als Optimist, wer, wie Michael Bilic, hofft, daß in Zukunft wenigstens wieder normal miteinander geredet werden kann. Die meisten Kulturinitiativen und ihre Mitarbeiter sind wohl zu realistisch, um in euphorische Aufbruchstimmung zu verfallen, bloß wegen einer Reihe von Wahlversprechen (oder Wahldrohungen?). Aber immerhin: Das bisher unbeschriebene Blatt Karl Gollegger hat zumindest den Schwanz der Katze aus dem Sack gelassen. Und die anderen Parteien haben in Erinnerung gerufen, worum es den Kulturinteressierten am 7. März gehen muß. Da scheint - trotz allem - Karl Valentins Anarchistenweisheit: »Won's wöhn wos höfat, waas längst vabotn« fehl am Platz.