märz 1999

Didi Neidhart
gehört

BLUMFELD Old Nobody

(ZickZackBig Cat/Rough Trade)

Mit »L' Etat Et Moi« veröffentlichten Blumfeld 1994 eine der wichtigsten Platten der 90er. Damit wurden nicht nur Begriffe wie »Diskurs-Rock« und »Hamburger Schule« (Die Sterene, Tocotronic, etc.) salonfähig und zum Markenzeichen. Vor allem die Lyrics von Sänger/Gitarristen Jochen Distelmeyer boten genügend Stoff für nächtelange Debatten über Pop, Literatur, Theweleit, Foucault, Soul sowie das Liebes- und das politische Lied an sich. Nach knapp fünf Jahren Sendepause melden sich Blumfeld mit »Old Nobody« also wieder zurück und klingen so leichtfüßig poppig wie noch nie. Das liegt nicht nur an Prefab Sprout-Elementen, dezenten Discoansätze (»Lord Of Song«, »Pro Familia«), New Wave-Anleihen und beinah schon kitschig zu nennenden Streicherpassagen. Auch Distelmeyers Lyrics haben nur noch wenig von früheren Ruppigkeiten und gehen stattdessen direkt ohne größere Umwege ans Eingemachte. Dort wird zwar immer noch von der Unmöglichkeit einer Trennung zwischen dem Privaten und dem Politischen ausgegangen, jedoch haben sich Blumfeld noch nie so ununterscheidbar zwischen Peinlichkeiten, Banalitäten, Geistesblitzen und dem, was so »Popwahrheiten« geheißen wird, bewegt. Auch wenn es immer noch heißt »Mein System kennt keine Grenzen«, müssen Zeilen wie »Zärtlichkeit braucht Zeit/Musik für eine andere Wirklichkeit« erst einmal verdaut werden, um später als mögliche Soul/Gospel-Referenzen erkannt zu werden (oder auch nicht). Was nicht bedeuten soll, daß Blumfeld plötzlich daran arbeiten, die sentimentale, gesellschaftskritische Schlagerschnulze wiederzubeleben. Nur liegt der Schwerpunkt von »Old Nobody« eben eher auf jenen privat-zwischenmenschlichen Ebenen, die besonders bei Liebesliedern wie »Tausend Tränen Tief« und »Ein Lied von zwei Menschen« verhandelt werden. Daß sowas im ungünstigsten Fall wie aus der deutschen Hitparade klingen kann, mag sein. Daß dabei aber immer noch jene Soul-Qualitäten beibehalten werden, die solche Liebeslieder zu ergreifenden und absolut unironisch gemeinten Momentaufnahmen von nicht greifbaren Zuständen machen, sollte jedoch auch nicht überhört werden. Umsonst heißt der letzte Song auf »Old Nobody« wohl nicht »Solange es Liebe gibt« und spielt Helmut Berger im Video zu »Tausend Tränen tief« mit. Verzwickte Sache.