frühling 2005

Georg Wimmer

„Sportstadt ist die falsche Positionierung“

Bürgerlisten-Klubobmann Helmut Hüttinger zweifelt an der Sinnhaftigkeit der Salzburger Olympia-Bewerbung.

»kunstfehler«: Die Bürgerliste hat sich zur Olympiabewerbung Salzburgs immer wieder kritisch geäußert. Ist das gleichzusetzen mit einem dezidierten Nein zu Olympia?

Hüttinger: Wenn unser Nein zu Olympia in der öffentlichen Wahrnehmung nicht klar durchkommt, dann machen wir etwas falsch. Wir sagen zum einen, dass sowohl für die Bürgerbefragung als auch für die politische Entscheidung alle Fakten auf den Tisch gehören. So liegt zum Beispiel der Kontrollamtsbericht über die letzte, gescheiterte Bewerbung noch immer nicht vor. Unsere Ablehnung begründen wir aber auch mit den Erfahrungen anderer Austragungsorte.

»kunstfehler«: Was haben Sie denn über die Erfahrungen von anderen Olympia-Orten herausgefunden?

Hüttinger: Es gab bisher keine Olympischen Winterspiele, die ohne namhafte Zuschüsse der öffentlichen Hand ausgekommen sind. Was Olympia bewirkt, sehen wir in Nagano, das auf Jahrzehnte hinaus Pleite ist, das sehen wir in Lillehammer, wo sinnvollerweise ein Nachnutzungsfonds zur Speisung der Betriebskosten für die nicht genutzten Sportstätten eingerichtet wurde. Turin veranstaltet nächstes Jahr die Olympischen Winterspiele und hat gerade erst eine 150 Millionen-Euro-Spritze des Staates erhalten, damit die Spiele überhaupt abgehalten werden können.

»kunstfehler«: Der letzte Austragungsort Salt Lake City hat angeblich schwarze Zahlen geschrieben.

Hüttinger: Ja, aber erst nachdem die öffentliche Hand enorme Beträge zugeschossen hat, die als Einnahmen verbucht wurden.

»kunstfehler«: Die Grünen im Landtag betonen, sie seien „derzeit gegen Olympia“. Wie verträgt sich das mit dem Standpunkt der Bürgerliste?

Hüttinger: Das ist eine Sprachregelung, auf die wir uns mit den Grünen geeinigt haben. Wir halten es für völlig unverantwortlich, bei unserer Budgetlage Geld für eine Bewerbung auszugeben. In der Sache selbst meinen wir: Die Sportstadt ist eine falsche Positionierung Salzburgs. Salzburg wäre gut beraten, an seinem Image als Kultur- und Wirtschaftsstandort zu arbeiten und dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sichern. Nur mit dem Erhalten des Ererbten wird es auf Dauer nicht getan sein.

»kunstfehler«: Also auch kein Ja der Bürgerliste zu Olympia unter bestimmten Voraussetzungen?

Hüttinger: Salzburgs BewerberInnen haben genug Chancen gehabt zu zeigen, dass sie ihr Handwerk verstehen und dass Olympia Sinn macht. Diese Chancen haben sie mehr als verpfuscht. Und sie haben gezeigt, was sie von Grundsätzen wie Sparsamkeit und vor allem von Kontrolle beim Umgang mit öffentlichem Geld halten, nämlich gar nichts. Da wurde eine Kontrollamtsprüfung zunächst unterbunden und dann möglichst schwer gemacht. Diese Verschleierungspolitik ist unser massivster Vorwurf.

»kunstfehler«: Noch immer verärgert, dass die Politik bei der Bewerbung Salzburgs übergangen wurde?

Hüttinger: Was da passiert, ist eigentlich unfassbar: Da fährt eine angeblich private Initiative nach Wien, während in der Bewerbungsstadt kein einziges politisches Gremium weiß, was da überhaupt vorgestellt wird. Die angeblichen Privatleute kriegen den Zuschlag, und erst Wochen später bekommen die PolitikerInnen in Salzburg das Bewerbungsdokument.

»kunstfehler«: Zumindest die Bewerbungskosten sind mit angeblich sieben Millionen Euro niedriger veranschlagt als bei der letzten Bewerbung.

Hüttinger: Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Beim letzten Mal waren es wohl neun Millionen, wobei die BewerberInnen ursprünglich davon ausgegangen sind, dass sich Sponsoren und öffentliche Hand die Kosten teilen. Herausgekommen ist dann, dass private Sponsoren zwei Millionen und die SteuerzahlerInnen sieben Millionen Euro aufgebracht haben.

Soviel zum Verhältnis von privatem und öffentlichem Geld in der Bewerbungsphase.

»kunstfehler«: Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat die Ausgabe einer Olympia-Anleihe vorgeschlagen, um das nötige Geld aufzutreiben.

Hüttinger: Die Olympia-Anleihe ist eine völlig unausgegorene Idee. Wer soll sie erstens zeichnen, wer soll sie zurückzahlen und vor allem: Womit soll sie zurückgezahlt werden? Das passt hinten und vorne nicht.

Wir müssen sehen, vor welchem Hintergrund wir derzeit Budgets erstellten, dass wir Einrichtungen zur Seniorenbetreuung kürzen, dass wir Schulen nicht sanieren können, dass der zuständige Stadtrat stolz darauf ist, dass die einzige Schule für schwerst behinderte Kinder soeben mit einem behindertengerechten Eingang ausgestattet wurde. Das ist Budgetrealität.

»kunstfehler«: Und der Werbeeffekt einer Olympiabewerbung? Sie sagen doch selbst, dass sich Salzburg nicht auf dem Ererbten ausruhen kann. Immerhin leben wir in einem Bundesland, in dem jeder vierte Arbeitsplatz vom Tourismus abhängt.

Hüttinger: Ich mache in meinem Umfeld immer einen kleinen Test und frage die Leute: Wissen Sie, wer sich um die letzten Olympischen Spiele beworben hat? Wissen Sie, wo die nächsten oder allenfalls die übernächsten Winterspiele stattfinden werden? Ich bin bis heute nicht überzeugt worden, dass die Erwähnung in Medienberichten im Rahmen einer Kampagne, die nur bis zur Entscheidung des IOC führt, auch nur im Geringsten wirtschaftlich lohnenswert ist. Eine Studie der Hochschule Luzern geht davon aus, dass der touristische Effekt von einmal stattfindenden Großereignissen in der Regel weit überschätzt wird, im Gegensatz zu wiederkehrenden Veranstaltungen wie z. B. einer Vier-Schanzen-Tournee oder eines jährlichen Weltcup-Rennens in Kitzbühel.

»kunstfehler«: Ein Argument der BefürworterInnen lautet, dass mit Olympia die Infrastruktur in Stadt und Land verbessert wird. Als Beispiel wird der öffentliche Verkehr genannt.

Hüttinger: Im Bewerbungsdokument ist kein Projekt angeführt, das nicht ohne Olympia auch kommen würde. Null Verbesserung für die Verkehrsinfrastruktur.

»kunstfehler«: Stellt sich die Frage, was ein erklärter Olympia-Gegner wie Sie tun kann. Presseaussendungen und Anfragen im Gemeinderat sind eine Möglichkeit.

Andererseits hat die parteifreie Gemeinderätin Elisabeth Promegger als Ein-Frau-Fraktion mit der Sammlung von Unterschriften zur Einleitung der BürgerInnnenbefragung mehr bewirkt als die gesamte Bürgerliste.

Hüttinger: Wir hatten die Sorge, dass eine BürgerInnenbefragung zu einem frühen Zeitpunkt, etwa im Dezember, mit einer sehr dünnen Faktenlage und bei einer möglicherweise geringen Beteiligung vom Bürgermeister und dem Gemeinderat nicht ernst genommen wird. Deshalb wollten wir zuerst den Kontrollamtsbericht abwarten. Die Kollegin Promegger hat dann gesagt, ich mach es gleich, und wir haben sie bei der Unterschriftensammlung auch unterstützt. Jetzt zeigt sich, dass SPÖ und ÖVP die BürgerInnenbefragung durchziehen, bevor alle Fakten auf dem Tisch sind. Genau das, was wir befürchtet haben.

»kunstfehler«: Werden sich Bürgermeister und Gemeinderat an das Ergebnis der BürgerInnenbefragung halten?

Hüttinger: Die Strategie wird sein, dass die Bürgerbefragung möglichst weit vor der Entscheidung des Gemeinderats abgehalten wird, um dann gegebenenfalls argumentieren zu können, die Faktenlage habe sich aus diesem und jenem Grund geändert. Und dann wird es heißen, man könne das Ergebnis der Bürgerbefragung vernachlässigen.

»kunstfehler«: Hat die Bürgerliste keine Angst vor dem Image einer Nein-Sager-Partei?

Hüttinger: Sportliche Großveranstaltungen sind für uns kein Teufelswerk. Wir haben zum Beispiel den Beschluss für die Rad-WM mitgetragen, weil die zum Segment des Rad-Tourismus passt. Über eine solche Veranstaltung lässt sich Salzburg als Radwege-Stadt gut verkaufen.

»kunstfehler«: Wenn man die Frage der Sinnhaftigkeit einmal beiseite lässt – hat Salzburg eine seriöse Chance, den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2014 zu erhalten?

Hüttinger: Das wage ich zu bezweifeln.

»kunstfehler«: Herzlichen Dank für das Gespräch.