herbst 2004

Doc Holliday
gelinkt

Ein Volk, ein Reich, viele Sprachführer

Ein kolossal ungustiöser Gesichtspunkt des auch im Zuge der Debatte um die rechte Rechtschreibung entstandenen Sprachkampfes sind die verschiedenen rechten Gruppen, die sich als Gralshüter der deutschen Schrift und Sprache gebärden. Alt bekannte Begriffe wie „Überfremdung“, „Reinheit“, „Sprachverwilderung und -missbrauch“ gehören etwa zum Sturmgepäck des „Bundes für deutsche Schrift und Sprache“ (www.e-welt.net/bfds). Der Zweck dieser Sprachgestapo ist „die Pflege und Erhaltung der deutschen Schrift und Sprache.“

In einer Werbebroschüre nehmen die Schriftleiter den Feind ins Visier: „Wie eine Seuche greift nun schon seit Jahrzehnten die Fremdwortsucht um sich. Bundesbahn und Bundespost führen laufend neue Fremd- und Dummwörter ein. Gesetz- und Verordnungsgeber tragen ebenso zur Sprachverwilderung bei wie Funk, Fernsehen, Zeitungsverleger und verantwortungslose Pädagogen“.

Nähere Informationen zu dieser Kampfgruppe finden sich beim Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (im Weltnetz: www.uni-duisburg.de/DISS/Internetbibliothek/Artikel/Gralshueter.htm). Anfang der 90er war übrigens auch ein früherer Mitarbeiter des ehemaligen FPÖ-Klubobmanns Ewald Stadler, Gerhard Staudinger, stellvertretender Vorsitzender des Bundes. (www.doew.at - unter der Rubrik „Neues von ganz rechts“ im Archiv). Eifrig um das sprachliche Reinheitsgebot bemüht sich auch die „Deutsche Sprachwelt“ (www.deutsche-sprachwelt.de). Diese „Plattform für alle, die Sprache lieben“ verkraftete nicht nur das frühe Ausscheiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der letzten EM nicht richtig, sondern forderte auch einen Neuanfang bei den Fernsehkommentatoren. Einleuchtende Begründung: „Unmäßiger Gebrauch überflüssiger Anglizismen“. Der Austausch der Herren Beckmann, Kerner oder – um den heimatlichen ORF-Acker nicht zu vergessen – König ist zweifellos überfällig. Allerdings nicht weil sie den fighting spirit statt den Kampfgeist beschwören.

Dass die Rollbahn zur sauberen deutschen Sprache oft mit Kratern übersät ist, zeigt beispielhaft die Heimatseite des neonazistischen deutschen Wikingerversandes: „88 Kameraden unsere homepage ist gestern online gekommen ... MKG Jürgen & Peter88.“ Hier ist wohl nur wichtig, dass man weiß, wofür „88“ steht: nämlich für „Heil Hitler“.

Doc Holliday