herbst 2004

Petra Schweiger

„Ungewollt schwanger“

Dreißig Jahre Fristenlösung – und kein Ende der Debatte.

Seit dem 1.1.1975 ist der Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 97 des österreichischen Strafgesetzbuches straffrei, wenn er auf Antrag der betroffenen Frau von einer Ärztin/einem Arzt, nach einer Beratung und innerhalb der ersten drei Monate nach dem Beginn der Schwangerschaft vorgenommen wird.

Nach den ersten drei Schwangerschaftsmonaten ist ein Abbruch aus medizinischen Gründen straffrei, wenn eine ernste Gefahr für die Gesundheit der Frau oder des Kindes besteht, wenn eine schwere geistige oder körperliche Schädigung des Kindes zu erwarten ist, oder wenn die Frau zu dem Zeitpunkt, als sie schwanger wurde, das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

Österreich hat somit zwar eine gesetzliche Basis, welche als liberal bezeichnet werden kann, dabei wird jedoch häufig übersehen, dass es keine verbindlichen Durchführungsbestimmungen gibt.

Kein Arzt/keine Ärztin, auch kein öffentliches Spital ist verpflichtet, Abbrüche durchzuführen – das heißt umgekehrt gedacht: Eine Frau mit einer ungewollten Schwangerschaft hat keinen Anspruch auf die Durchführung des Abbruchs möglichst nahe an ihrem Wohnort.

Womit wir mitten in der aktuellen „Salzburger Diskussion“ angelangt sind: Seit Jahrzehnten sind Frauen aus dem Bundesland Salzburg gezwungen zur Durchführung einer Abtreibung in ein anderes Bundesland (überwiegend nach Wien) zu fahren, da es in Salzburg weder ein privates Ambulatorium, noch ein öffentliches Krankenhaus gibt, in dem im 21. Jahrhundert ein Schwangerschaftsabbruch (außer bei medizinischer Indikation!) durchgeführt wird.

Zum Vergleich: In Wien gibt es derzeit fünf öffentliche Spitäler, an denen ein Abbruch durchgeführt werden kann, und zwei private Ambulatorien, und Frankreich hat das Durchführungsproblem gelöst, indem jede gynäkologische Abteilung eines öffentlichen Krankenhauses verpflichtet ist, Abbrüche durchzuführen. Selbstverständlich ist dort auch nicht der einzelne Arzt/die Ärztin verpflichtet, den Abbruch durchzuführen, jedoch ist der Leiter einer gynäkologischen Abteilung dafür verantwortlich, zumindest einen Arzt /eine Ärztin einzustellen, der/die diese Aufgabe übernimmt. Damit wurde eine landesweite Versorgungssicherheit gewährleistet. Vorbildlich und beispielgebend, wie wir meinen.

Im Rahmen der Erhebungen zum Salzburger Frauengesundheitsbericht 2000 gaben vier Prozent der befragten Frauen an, in letzter Zeit einen Schwangerschaftsabbruch gehabt zu haben.

Nach wie vor ist der Schwangerschaftsabbruch ein Thema, das in Salzburg öffentlich kritisch und moralisierend diskutiert wird.

„In einem Dorf ist Abtreibung fast noch Rufmord. Wenn etwa bekannt wird, dass ein Mädchen abgetrieben hat, dann ist es fast so, dass sie aus dem Dorf weggehen muss, dass sie hier keine Existenz mehr hat.“ (Salzburger Frauengesundheitsbericht 2000)

Der Eingriff ...

Der chirurgische Schwangerschaftsabbruch ist ein risikoarmer medizinischer Eingriff. Normalerweise wird die schonende Form der Saugcurettage („Absaugmethode“) angewandt. Das Gewebe der Gebärmutterinnenwand und die hierin eingenistete, befruchtete Eizelle wird mittels einer Saugkanüle abgesaugt. Der Eingriff dauert in etwa fünf Minuten. Der Eingriff wird entweder in Lokalanästhesie oder unter Vollnarkose vorgenommen.

Zehn Jahre nach der Markteinführung in Frankreich (eine lange Zeit, wenn man an die internationale Markteinführung anderer Medikamente, z. B. Viagra, denkt!) können nun Frauen seit Jänner 1999 auch in Österreich einen medikamentösen Abbruch mit „Mifegyne“ durchführen. Der Zugang zu dieser Methode ist nach wie vor auf einige wenige Krankenanstalten eingeschränkt.

Somit ist Österreich das einzige Land der Welt, in welchem niedergelassene ÄrztInnen zwar chirurgische Abbrüche (auch in Vollnarkose in ihrer Praxis) durchführen dürfen, Frauen jedoch zur Einnahme von drei Tabletten in eine Krankenanstalt überwiesen werden müssen! („Mifegyne“ ist an keinem öffentlichen Salzburger Spital erhältlich!)

Die Seele – ein Politikum?

Mit angsteinflößenden Behauptungen lässt sich gut Front gegen ideologisch unerwünschte Schwangerschaftsabbrüche machen. Es entspricht wohl eher dem Wunschdenken von Gegnern der Abtreibung als der Realität, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht ein traumatisierendes Erlebnis sein müssen. Ob psychische Folgen nach einer Abtreibung auftreten, hängt in starkem Maße mit gesellschaftlicher Diskriminierung zusammen. Das Klima, in dem sich der Entscheidungsprozeß einer Frau zwischen Eröffnung und Konsequenz vollzieht, hat eine sehr bedeutsame Rolle für die spätere Verarbeitung. Nach neuesten Erkenntnissen haben vier von fünf Frauen, befragt man sie ein Jahr nach der Abtreibung über ihre Befindlichkeit, keinerlei Probleme mit ihrer Entscheidung. Je einsichtiger und behutsamer eine Gesellschaft mit der sensiblen Frage nach der Abtreibung umgeht, desto mehr kann man einer Frau in der Konfliktsituation helfen und desto offener kann sie sich um Hilfe an andere wenden. Das wiederum verringert das Risiko, später seelische Verletzungen davonzutragen. Der unparteiischen Beratung, die der Entscheidungsfindung dient, aber nicht die Lösung vorgibt, kommt in dieser Hinsicht ein großer Stellenwert zu! Die derzeit in der Öffentlichkeit stattfindende Debatte traumatisiert Frauen zusätzlich.

Tatsachen auf einen Blick ...

Mehr als ein Drittel aller Schwangerschaften weltweit – 80 Millionen im Jahr – sind ungewollt oder kommen zur unrechten Zeit.

Eine Vielzahl von Gründen sind dafür verantwortlich, wobei der häufigste in der Nicht-Verwendung oder unsachgemäßen Verwendung von Verhütungsmitteln oder deren Versagen zu sehen ist. Eine Schwangerschaft kann auch ungewollt sein, weil die Frau zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder vergewaltigt wurde, weil sie körperliche oder seelische Probleme hat oder weil es ihr an psycho-sozialen Ressourcen mangelt ein Kind großzuziehen oder aus anderen Gründen.

Weltweit gesehen werden durchschnittlich 22 Prozent aller Schwangerschaften durch einen Abbruch beendet. In Deutschland und Frankreich sind es ca. 15 Prozent aller schwangeren Frauen, die sich zu einem Abbruch entschließen.

Im Falle einer ungewollten Schwangerschaft besteht die Gefahr, dass Frauen auf gefährliche Techniken des Abbruchs zurückgreifen, wenn ihnen der Zugang zu sicheren medizinischen Einrichtungen erschwert wird. 20 Millionen Abbrüche werden jährlich unter nicht sicheren Bedingungen durchgeführt und gefährden somit Leben und Gesundheit von Frauen. Weltweit sterben täglich 200 Frauen an den Folgen einer unsachgemäßen Abtreibung.

Internationale ExpertInnen stimmen darüber überein, dass Frauen bei unerwünschten Schwangerschaften zuverlässige Informationen und teilnahmsvolle Beratung erhalten sollen, wozu auch Informationen darüber zählen, wie und wo eine unerwünschte Schwangerschaft legal beendet werden kann. In Salzburg zählt das Frauengesundheitszentrum ISIS zu jenen Einrichtungen, die diese Beratung und Information rasch und kostenlos für Frauen anbieten.

Europa: Ein Überblick

Die Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch mit bester medizinischer Versorgung durchführen zu lassen, hängt davon ab, in welchem europäischen Land eine Frau wohnt, welche Krankenversicherung sie hat, vom Zustand der öffentlichen Gesundheitsversorgung in ihrem Land, ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnt, von ihrem Alter, der Einstellung der behandelnden Ärztin/ihres Arztes, ihrem relativen Wohlstand, dem Zugang zu unparteilicher und rechtzeitiger Information und Beratung und natürlich von nationalen und lokalen Gesetzen in Zusammenhang mit dem Abbruch und Abbruchseinrichtungen.

In den Niederlanden ist der Schwangerschaftsabbruch für niederländische Staatsbürgerinnen kostenlos und kann bis zur 22. Woche durchgeführt werden. Einige ÄrztInnen in den Niederlanden haben sich auf den Schwangerschaftsabbruch im zweiten Trimester spezialisiert – aus diesem Grunde reisen jährlich ca. 4000 Frauen aus anderen europäischen Ländern nach Holland, um dort diesen Eingriff durchführen zu lassen. Ungefähr 100-200 Österreicherinnen reisen jährlich in die Niederlande, um einen Abbruch im zweiten Trimester vornehmen zu lassen.

In Schweden trat 1975 ein Gesetz in Kraft, welches Frauen ermöglicht, bis in die 18. Schwangerschaftswoche einen Abbruch durchführen zu lassen. Nach der 18. SSW können Frauen einen Antrag auf Sondergenehmigung an die nationale Gesundheitsbehörde stellen, um unter Angabe von „ernsthaften Gründen“ bis zur ca. 22. SSW einen Abbruch vornehmen lassen zu können. Minderjährige Mädchen müssen in Schweden keine Zustimmung der Erziehungsberechtigten vorweisen.

In Dänemark können Frauen einen kostenlosen Abbruch bis in die 12. Woche durchführen lassen. Auch in Frankreich übernehmen die Kassen seit 1982 die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch bis in die 12. SSW – zudem sind alle öffentlichen Spitäler verpflichtet, Schwangerschaftsabbrüche auf Verlangen durchzuführen! In Großbritannien ist der Abbruch ebenfalls kostenlos.

Die Auswirkungen der Abbruchsgesetzgebung auf das Leben und die Gesundheit der Frauen sind beträchtlich: In Irland ist der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch gesetzlich verwehrt. 1999 waren 7000 Frauen gezwungen, Irland zu verlassen, um in Großbritannien einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen.

Vor der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Rumänien 1989 starben beispielsweise mehr als 20.000 Frauen in Folge illegaler, gefährlicher Abbruchsmethoden und mehr als 98.000 Kinder wurden weggelegt. Europaweit sehen sich viele Frauen zum „Abbruchstourismus“ gezwungen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Anzahl der Schwangerschaftsbbrüche in jenen europäischen Ländern zurückgegangen ist, in welchen flächendeckend Information und Zugang zu Verhütungsmitteln gut und kostengünstig gewährleistet sind, und der Zugang zu medizinischen Fach-Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, für Frauen erleichtert wurde.

Eine frauengesundheitspolitische Strategie, dem unser Bundesland folgen sollte.