herbst 2004

Didi Neidhart

Funken senden

Der „Zündfunk“, das „Jugendmagazin“ auf Bayern 2 Radio, feiert seinen 30. Geburtstag.

A: Der wo die Musi spielt, is a Musikant.

B: Du spinnst ja – dann waar ja mei Radio dahoam aa a Musikant, der spielt aa oft a Musi. (Karl Valentin)

Wenn das Telefon klingelt und ein Bekannter aus Wien sich mit der Frage meldet, ob man denn gerade auch den „Zündfunk“ auf Bayern 2 höre, dann ist das schon eine Anekdote, aus der schnell eine Legende werden könnte. Denn der via Kabel den Münchner Sender in Wien privilegierte Hörende wendet sich ja an jemanden, der zum Empfang eigentlich nur seine Antenne etwas ausrichten muss, um auf rein terrestrische Weise am „Zündfunk“ teilhaben zu können. Wenn so was nun öfters passiert, muss was dran sein. Denn auch ganz unabhängig von der Tatsache des 30-jährigen Bestehens des „Zündfunks“ geht es hier ebenso um öffentlich-rechtliche „Unangepasstheiten“, die außerhalb von Bayern immer mit einem derart verblüfften Kopfschütteln quittiert werden, als hätte es Karl Valentin, Herbert Achternbusch, R.W. Fassbinder, Amon Düül etc. nie gegeben (und über die Christoph Lindenmeyer, der jetzige Leiter der Hauptabteilung Kultur und Ex-BR-Jugendfunk-Chef /BR, ehem. Leiter Jugendfunk sagt: „Wir haben nicht geschwiegen, aber dreimal so gut recherchiert.“) wie um extrem starke HörerInnen-Bindungen, die sich auch durch eine Niederschwelligkeit erklären, die es so vielleicht gerade noch bei „Freien Radios“ gibt. Dabei hat das, was jetzt unter dem Stichwort „modernes Zielgruppenprogramm“ läuft, schon vor dem eigentlichen „Zündfunk“-Gründungstag, dem 2. Jänner 1974, stattgefunden. Denn schon 1956 strahlt BR2 ein „Magazin für junge Leute“ aus. Dem folgt der „Club 16“ mit „tuffem Beat“ und bald darauf der „Zündfunk“. Wobei es schon damals zu deutsch-österreichischen Freundschaften gekommen ist. Erzählen doch Zündfunker wie Noe Noack oder Urgestein Karl Bruckmaier in den überschwänglichsten Tönen immer wieder gerne davon, wie wichtig damals die Empfangsmöglichkeit der „Musicbox“ auf Ö3 für die späteren Tätigkeiten waren. Dennoch bedeutete der „Zündfunk“ für HörerInnen in Österreich auch immer schon eine Alternative bei der Suche nach „dem Rhythmus seinem Bruder“ (Kalr Valentin) zur „Musicbox“ und später auch zu FM4. Nicht nur wegen Pionierleistungen wie dem ersten Computermagazin im Hörfunk („Bit, Byte, Gebissen“, 1987), Ralf Summers „Ravetracks“, die 1991 zusammen mit einem ersten Live-House-Mix von DJ Hell als erste Technosendung bundesweit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk on Air gingen (alter- nierend didaktisch-diskursiv mit Roderich Fabians „Breakbeats & Boogie“ verknüpft), der Achim Bogdans „Fankurve“, die selbst Fußballmuffel ans Radio fesselte, dem „Pop Sunday“, der „Nachausgabe“ oder dem „Pop-Alphabet“, dessen drei Bände (u. a. mit Beiträgen von Thomas Meinecke, Karl Bruckmair, Carl-Ludwig Reichert) auch zeigen, dass hier fast jeder Retro-Trend von Gitarren über Exotica bis hin zu No Wave/Post-Punk und Polkas schon als „Privtaschrulle“ (Meinecke) auf Sendung ging, lange bevor daraus ein gehypter Trend wurde.

Diese Art Vorsprung mag in österreichischen Ohren immer auch ein bisschen der Meckerei über das Eigene („Musicbox“, FM4) geschuldet sein. Andererseits definiert der „Zündfunk“ selbst im Zeitalter privater Konkurrenz „Jugend“ nicht als dumm, dämlich und nur „Fit For Fun“ und lässt sich dabei weder vom „Mainstream der Minderheiten“, noch vom „Alternative Mainstream“ ins neoliberale Eck stellen. Ganz im Gegenteil: Allein wie in medienkritischen Features wie „Radio Alice“ Theorien zwischen „Empire“ und Deleuze/Guattari ver- und behandelt werden, zeigt, dass hier immer noch das alte „Zündfunk“-Motto „Der Rock hat einen Gebrauchswert.“ (Karl Marx) nicht als Kalauer verstanden wird. Und welcher öffentlich-rechtliche Sender überlässt zudem schon mal seine Frequenz einem „Freien Radio“. Eben! Happy Birthday!