Tarnen und Täuschen
Wie Rechtsextremisten linke Netzaktivitäten imitieren
In jüngster Vergangenheit lässt sich ein neuer Trend beobachten. Rechtsextremisten verwenden bei öffentlichen Auftritten bevorzugt Parolen, Kleidung, Logos und Attitüden des verhassten linken Gegners. Strategien der Aneignung kannte der politisch interessierte Beobachter seit den 70ern vor allem von autonomen Gruppen in Italien. Der freche Klau und die Umdeutung der Zeichen zeigen einmal mehr, dass im braunen Milieu nicht nur tumbe Idioten beheimatet sind. Die bürgerlichen Totalitarismustheoretiker wiederum fühlen sich in alten Vorurteilen bestätigt. Die Rechtsextremen studieren ihre linken Gegner sehr sorgfältig. Schon der militante Neonaziführer der 70er und 80er, Michael Kühnen, bewunderte die RAF.
Die globalisierungskritische Bewegung dient als Vorbild für Internetauftritte der rechten Kameraden. Ganz nach dem Muster von „Indymedia“ (www.indymedia.org), der linken Internetplattform mit über 100 lokalen Medienzentren, schufen die Ewiggestrigen eine ähnliche Netzseite: „Altermedia“ (de.altermedia.info) ist laut Eigendarstellung „hervorgegangen aus unterschiedlichen politischen Gruppen“ und hat ihren Ursprung in Frankreich. Inzwischen existieren 14 verschiedene Lokalausgaben. Der wichtige Unterschied zu „Indymedia“: bei „Altermedia“ gilt das Prinzip des „Open Posting“ nicht. Alle Beiträge gehen zuerst an eine unbekannte Redaktion, die dann über eine Veröffentlichung entscheidet. Ideologisch Unbedarfte sollen getäuscht werden. Es mögen zwar Beiträge von rechtsextremen Gruppen (wie der NPD) dominieren, immer finden sich aber auch Texte, die selbst bei Indymedia nicht weiter auffallen würden – und die zumindest nur in Teilen mit braunem Gedankengut kompatibel sind. Da passt es offenbar auch ins Weltbild, dass „Altermedia Deutschland“ mit einem Zitat des unabhängigen Sozialisten George Orwell seine Seiten aufmacht: „In einer Zeit des Universalbetruges ist die Wahrheit zu sagen eine revolutionäre Tat.“ Die Wahrheit ist: Orwell kritisierte den Stalinismus wie den Kapitalismus und kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg gegen Faschisten und Nazis. Eigentümer des rechten Etikettenschwindels ist übrigens ein US-Amerikaner: der Rechtsextremist David Duke trug früher weiße Kapuze und Nachthemd. Das geziemt sich so in der ultrarassistischen Bruderschaft des Ku-Klux-Klan.
Zum Schluss noch drei Adressen, die über die rechten Umtriebe umfassend informieren: www.klick-nach-rechts.de / www.idgr.de / www.d-a-s-h.org
Doc Holliday