august-september 2004

gehört

Musik

Monster Magnet

Monolithic Baby!

Steamhammer/SPV 2004

Gerade erst ist der Rock’n’Roll 50 geworden – das jedenfalls verkündet der „Falter“ auf seinem Titelblatt. Um dann in der dazugehörigen Geschichte mittels Zitat doch wieder (zumindest ein klein wenig) die alte Leier vom schlechten Rock anzustimmen (natürlich nicht im Sinn von „bad“ – was ja slangmäßig das genaue Gegenteil meint). Aber die von den selbst ernannten Hipness-Predigern und Geschmacksdiktatoren verkündeten Urteile unterliegen bekanntlich wechselnden Konjunkturen. Nichts Neues und kein Grund zur Sorge!

Seit Ende der 80er Jahre liefert ein Quintett aus New Jersey beharrlich Anschauungs- und Hörmaterial, das Neil Youngs altes Verdikt „Rock’n’Roll Will Never Die“ noch immer gilt: Die Rede ist von Monster Magnet. Die Neandertaler aus dem Freakshop USA legen ihre achte reguläre Platte vor und die Suche nach den mächtigen Powerriffs geht auch diesmal weiter. Und führt zu wunderbaren Ergebnissen. Das Biotop „Schweinerock“ bedienen derzeit nur Nashville Pussy ähnlich souverän (weil nämlich auch durchaus selbstironisch) wie Dave Wyndorf und seine langzotteligen Lederjungs. Hart, erdig, dreckig klingen die Ur-Stoner, die diesmal die narrischen Schwammerl wohl eher im Beutel gelassen haben: statt der bei früheren LPs gewöhnlich hohen Dosis an psychedelischem Space-Rock, kommen die Riffmeister auf „Monolithic Baby!“ viel direkter und schnörkelloser zur Sache. Dabei covern sie (indirekt) auch diesmal einen Hawkwind-Song. „The Right Stuff“ stammt von Hawkwind-Sänger Robert Calvert, den er aber mit seinem Nebenprojekt Captain Lockheed And The Starfighters einspielte. Dazu kommt noch ein anderes halbwegs obskures Cover, nämlich „There`s No Way Out Of Here“, das sich ursprünglich auf der ersten Soloplatte des Pink-Floyd-Gitarristen David Gilmour findet. Von allen Tracks klingt diese Nummer noch am ehesten wie eine Ballade – aber eine mit Dreckkruste. Die Referenzen für diese mitreißende Sorte von Hard & Heavy Acid Rock stehen fest: Black Sabbath (natürlich), Blue Cheer, MC 5, Stooges und Montrose. Im Schatten der hohen Marshall-Türme versöhnen sich außerdem Hawkwind und Motörhead. Wer mit Monster Magnet eine Zeitreise in die 70er antritt, landet nicht im Stadion, sondern in der Garage mit den Ford Mustangs (oder hierzulande wohl eher den auffrisierten Zündapp-Moperln). Dort wird freilich nicht eins zu eins kopiert, vielmehr der individuelle Schliff im Feintuning gesucht. Genau das betreiben die bösen Rockerbuben mit ihrer ewigen Suche nach den dreckigsten Schweineriffs, die sich auf diesem und anderen Planeten finden lassen.

Doc Holliday

Dance your ass off!

Salsoul/Suss’d Records/ Record/Shack/ www.recordshack.org

„Disco Sucks!“ Unter diesem Motto wurde am 12. Juli 1979 im Chicagoer Comisky Park während einer Spielpause zwischen den White Sox und den Detroit Tigers ein großer Scheiterhaufen aus hunderten von Disco-Platten (oder dem, was darunter verstanden wurde, also auch jede Menge Soul und Funk) angezündet und mittels zuvor schon darunter deponiertem Dynamit in die Luft gesprengt. Die „Disco Demolition Night“ läutete das Ende von Disco (wie auch von Funk und Soul) in den US-TopTen ein. Niemals zuvor roch es in der Pop/Rock-Musik (und zwar aus ihr heraus) derart nach Bücherverbrennungen. Oder wie es auf www.deepdisco.com nachzulesen ist: „The Disco Sucks campaign was a white, macho reaction against gay liberation and black pride more than a musical reaction against drum machines.“

Aber was ist Disco? Disco ist ein gigantischer Eisberg, dessen Unterwasserteile immer noch im Schatten läppischer Klischees über Fließbandproduktionen, Entmenschlichung, Hedonismus, Oberflächlichkeit, Tanzmusik pers se, Abweichungen von heterosexuellen Normen und Künstlichkeit als Radikal-Antithese zur rockistischen „Jute statt Plastik“-Ideologie steht.

Dagegen protestierten nicht nur Chic mit ihrem „Rebels Are We“. Denn als Utopie gelesen (und als solche verstanden) steht das cosmopolitische Konzept von Disco auch für ein „Promised Land“ in dem es zwar Kategorien wie race/gender/class als diskursiv verhandelte Konstrukte ideologisch geerdeter Identitätspolitiken gibt, deren jeweilige Transgressionen und Transformationen jedoch prinzipiell allen offen stehen – und sei es nur für eine „Night On The Dancefloor“. Kurz: Disco kann auch als (gender-)politisches, den Queer-Theories sozusagen voraustanzendes „offenes Netz von Möglichkeiten, Lücken, Überlagerungen, Dissonanzen und Resonanzen, Fehlern und Überschüssen von Bedeutung“ (Eve Kosofsky Sedgwick 1993) gelesen werden.

„Disco Sucks!“ verursachte aber auch einen erneuten Gang von Disco in den Underground wo vor allem das New Yorker Salsoul-Label federführende war. Dort wurde nicht nur die Maxi-Single, sondern auch der DJ-Mix erfunden. Nachzuhören jetzt auf „Larry Levan: The Definitive Salsoul Mixes ’78 – ’83“ wo es schon ganz flott von Disco nach House geht. Dort steht dann schon Chicagos Acid-House-Erfinder Marshall Jefferson mit der Mix-Doppel-CD „My Salsoul - The Foundations of House“ bereit. Höhepunkt jedoch „Grandmaster Flash: Salsoul Jam: Return To The Disco Breaks - Mixing Bullets And Firing Joints“! Der Endgültige Beweis für die queeren/ schwulen Disco-Roots von HipHop.

-didi-

Various Artists

Soul Jazz Sessions

Dancefloor Favourites

From The Soul Jazz Scene

Union Square Music, 2002

Mit Soul Jazz ist hier nicht das gleichnamige exzellente Label, sondern der Musikstil mit der funkigen Hammondorgel, der ursprünglich im Amerika der 60er Jahre entstand und ab den späten 80ern besonders in Britannien wieder entdeckt und weitergeführt wurde, gemeint. Union Square ist bekannt für hervorragend kompilierte Sampler, etwa zu Blues, Funk oder Afrobeat.

Diesmal ein guter Überblick über alte und neue Soul Jazz-Sounds, Rare Groove, Acid Jazz und Hip-Hop inspiriertes: von den Brand New Heavies über Jimmy McGriff, den Brooklyn Funk Essentials (mit „The Creator Has A Masterplan“), zu dem James Taylor Quartet und Galliano – um nur einige der vertretenen Groovemeister zu nennen.

Doc Holliday