august-september 2004

Hans Lindenbaum

Kampf um kulturelles Kleinod

Die Stadt Salzburg will das Magazin „Stadtleben“ nicht mehr auflegen

Ob Buchbesprechung oder Bauchtanzen, Seniorentreff oder schrille Szene, Apothekendienst oder ambitionierte Ausstellung: „stadt:leben – das Magazin der Stadt Salzburg für Politik, Kultur und Service“ kündigt an, umreißt, worum es geht und nennt die Daten.

Ob hochkulturelles, volkstümliches oder grelles Kulturangebot oder eben Einführung des Gelben Sackes zur Mülltrennung: Wer im Zentralraum lebt, tut gut daran, zu Monatsanfang in den Stapeln von Gratiszeitungen und Prospekten im Hausflur das aktuelle Heft zu suchen.

Verjüngungskuren eingeschlossen, gibt es die Publikation seit 1993. Im Oktober 2003, zum zehnjährigen Bestehen, befindet Bürgermeister Heinz Schaden, dieses Objekt biete den Salzburgerinnen und Salzburgern „nicht nur kompakte Berichterstattung über Kommunales und Service“. Damit meinte er wohl, dass er selbst neben den anderen Polit-Promis häufig per Bild und Text ins Blatt gerückt wird: gratulierend, ehrend, würdigend, beschenkt werdend, aufmerksam lauschend, Rad fahrend …

Wohin aber mit all diesen großen Gesten, wenn sie ab Jahresende nicht mehr vierfarbig gedruckt Niederschlag finden sollen, wie Schaden nun wissen ließ? Auch wenn die Stadt damit bis zu 300.000 Euro spart.

Seit dem politischen Bekenntnis der Weltkulturerbe-Stadt zu einem Kulturleitbild und jener Rolle, die „stadt:leben“ dabei spielt, sind drei Jahre vergangen. Nun soll beim Streichen von Service just mit jenem Medium begonnen werden, das in breiter Form (Weiter-)Bildung, Freizeitgestaltung und Kultur vom Trachtenträger-Treffen bis zum jugendlichen Schabernack thematisiert. Mit jeweils rund 1500 Terminen und der respektablen Auflage von 100.000 Exemplaren. Wobei die Hefte über die Stadt hinaus in die Haushalte der Umlandgemeinden gelangen. Einen Monat lang wird in ihnen geblättert – häufig auch als Klo-Lektüre, wie nicht-repräsentative Befragungen ergeben. Gastronomie und Hotellerie wiederum sind sogar erpicht, den Gästen das Heft in die Zimmer zu legen.

Anders als bei kostenlos oder per Verkauf vertriebenen Zeitungen und Zeitschriften verbindet sich mit dem stadteigenen Kultur- und Service-Kalender, was die Ankündigungen betrifft, kein Interesse an Insertion. Hier kommen auch die dran (und erfahren journalistische Zuwendung), von denen wohl nie eine bezahlte Einschaltung winkt – Angebote für Senioren oder Auftritte von Schülerinnen und Schülern beispielsweise. Eine möglichst komplette Übersicht und große Vielfalt wird von jeher angestrebt. Der verfügbare Raum wiederum wird nicht von Werbung angeknabbert, die in redaktionelle Felder wuchert. 20 bis 30 Prozent ihrer Arbeitszeit setzen die Medienleute der Stadt nach eigener Einschätzung für das Zustandekommen des Magazins ein.

Nachdem von den Gemeindefraktionen der ÖVP und der FPÖ nur mehr wenige Mandatare übrig sind, gibt es auf politischer Ebene kaum Gegenspieler bei dieser neuen Form des Kulturkampfes. Schadens Genossinnen und Genossen, beruflich vorzugsweise mit Partei, Gewerkschaft, Magistrat oder Sozialversicherung verbunden, erwecken auch nicht unbedingt den Eindruck, mehrheitlich einer Kultur-Avantgarde anzugehören. Bleiben die als Bürgerliste etikettierten Stadt-Grünen. Deren Klubobmann Helmut Hüttinger sagt zur beabsichtigten Einstellung der Papierversion von „stadt:leben“: „Mit uns ist das schlicht und einfach nicht machbar.“ Kultureinrichtungen seien ohnehin schon von vielen Kürzungen betroffen, weitere drohten.

Bei den Vorschlägen für Sparmaßnahmen würden „irgendwelche budgetären Rahmen vorgegeben, die niemand kennt“.

Tomas Friedmann, Leiter des Literaturhauses, schlägt den Verzicht auf nur eine der 22 fürs Mozart-Jahr 2006 geplanten Opern-Produktionen zugunsten ganzjähriger „urbaner Normalität, nämlich der Information ihrer Bürger über das, wovon Salzburg lebt: Kunst und Kultur“ vor.

Längst hat eine bunt zusammen gewürfelte Schar von sozial, kulturell und künstlerisch tätigen Leuten mit allerlei Aktionen begonnen, um das Ende des bedrohten Magazins zu beeinspruchen. Deren einziger Zweck ist es, nachzuweisen, dass das Salzburger Stadtleben „stadt:leben“ braucht.