august-september 2004

grausame orte

Gestapelt, gebunden – nicht gefundennicht gefundenEin Lokalaugenschein in der Stadtbüchereiin der Stadtbücherei

Ein Lokalaugenschein in der Stadtbücherei

Der Sommer ist da – sagt zumindest der Kalendar. Was gibt es Schöneres, als es sich mit einer guten Lektüre am Strand, im Bad oder einfach auf dem Balkon gemütlich zu machen? Ein spannendes Buch muss her. In der Stadtbücherei findet jede Leseratte bestimmt das Richtige.

Soweit die Theorie. Glücklich in der Bücherei am Mirabellplatz angekommen, lässt ein erster flüchtiger Blick durch den Raum alle Euphorie freilich schnell wieder verschwinden: Vor, neben und hinter einem, überall stehen Bücher. Wie und wo soll man da etwas finden? Die engen, schmalen Gänge zwischen den vielen Regalen machen die Suche nicht einfacher. Stünden die Bücher wenigstens alle ordnungsgemäß im Regal, würde der Suchende vielleicht die Übersicht behalten. Aber nichts da: Sogar auf den Tischen und Sitzplätzen, die eigentlich zum Schmökern einladen sollten, stapeln sich haufenweise Bücher, die erklären, wie man Feste richtig feiert und Europa kulinarisch entdeckt. Auch auf der Fensterbank reiht sich ein Buch ans nächste, ein Öffnen des Fensters ist nicht möglich. Aber zumindest erfährt man, wie Salzburger Bäuerinnen kochen. Auch schon was.

Wenn die Stadtbücherei gut besucht ist, dann stehen sich irgendwie alle im Weg. Die MitarbeiterInnen sind bemüht, aber in dem Chaos permanent überfordert. Immerhin gibt es knapp 50.000 eingeschriebene LeserInnen und an die 1000 BesucherInnen pro Tag. Rund 132.000 Medien verteilen sich auf Bücherbus, Mediathek, Haupt- und Kinderbücherei; kein Wunder also, dass es eng wird. Dass „die Entwicklung der Bücherei in absehbarer Zeit zu räumlichen Schwierigkeiten führen wird“, dies hat das städtische Kontrollamt übrigens schon 1986 festgestellt.

Knapp 20 Jahre später soll nach den Plänen von SP-Bürgermeister Heinz Schaden die Bücherei nach Lehen umziehen. Für die beim »kunstfehler«-Lokalaugenschein befragten KundInnen – mehrheitlich RentnerInnen, Hausfrauen, LehrerInnen und StudentInnen – jedenfalls eine schwierige Abwägung von Vor- und Nachteilen: Einerseits wird moniert, der Standort Lehen liege zu weit ab vom Schuss, sei einfach zu schwer zu erreichen. Andererseits ist der „Leidensdruck“ angesichts des aktuellen Tohuwabohus – viele Bücher bleiben einfach unauffindbar – mittlerweile so groß, dass jeder Standort besser scheint, als die jetzige Situation.

-vicky/tom-