mai 2004

Tina Hofstätter

Übergeben Sie sich!

Spargel und Chianti samt Nebenwirkungen

In Kärnten hat die FPÖ annähernd so viele Wählerstimmen erhalten wie in Salzburg die SPÖ. Mit den Stimmen der ÖVP und unter tatkräftiger Mithilfe der SPÖ ist JH nun ein drittes Mal Landeshauptmann.

Wäre Kärnten anders als anders, hätt’ man’s ja auch verhindern können. Man hat aber nicht. Offenbar zog das auch kaum jemand – mit Ausnahme der Grünen – ernsthaft in Erwägung. Zumindest nicht in Kärnten.

Innerhalb kürzester Zeit wurden die Referate verteilt, Ambrozy und Haider verströmen medial Harmonie und Arbeitswillen pur. Die Grünen, erstmals im Landtag, fahren zur Angelobung in einer Kutsche vor und gratulieren Ambrozy mit Spargel und Chianti; eine mäßig heitere Symbolik, die den „Alles Paletti-Rummel“ eher unfreiwillig stützt als sarkastisch kommentiert.

Wer das neue Regierungsabkommen zwischen SPÖ und FPÖ rügt, wird ignoriert oder mit einem Hinweis auf den Wählerwillen abgespeist.

Tatsächlich hat mehr als die Hälfte der KärntnerInnen die FPÖ nicht gewählt. Von den Medien im Land wird dieses Faktum ebenso wenig transportiert wie in Vorwahlzeiten zwischen Partei und Person unterschieden wurde. Dass alles kam, wie es kommen musste, und wie es ohnehin schon immer unabwendbar vorauszusehen war, ist unter Nicht-FPÖ-WählerInnen eine weit verbreitete Haltung; wirklich überrascht war nur die FPÖ selbst.

Der in Wien lebende Kärntner Autor Antonio Fian zitierte unlängst im Falter aus „Kärnten. Literarisch“, und erinnerte dabei an Gustav Mahler, der die Kärntner für so „entsetzlich stupid und hoffnungslos“ hielt wie sonst „gewiss keinen Menschenschlag in Europa“.

Dum: gut, wo nicht. Hoffnungslos ja, aber auch hoffnungslos treu sind die Kärntner. Hinter dem Wahlergebnis steckt zu einem Gutteil auch ein sentimentaler Reflex. Hier trennt man sich nicht gerne von der Vergangenheit und ihren Repräsentanten, und schließlich ist man an Schicksalsgemeinschaften gewöhnt, die sich zur Empörung wie zum Jammern eignen. Die KärntnerInnen, scheint es, beharren schon deshalb auf ihrem Unglück, weil es berechenbar und das Glück sowieso ein Vogerl ist, das auch in Wien gerade vom Sprießerl zu fallen drohte.

Die wieder aktuellen kärntnerischen Seufzer „Meiner Sö(l)“ und „Pr’moj’ du“ sollten immer schon, indem regressiv Imaginäres und Höheres angerufen wird, die resignative Hilflosigkeit, die nach Freispruch heischt, bezeugen. Aber auch anderswo ist die Seele wieder im Gespräch. „Die Macht ist es nicht wert, dass man dafür seine Seele verliert“, meinte Pierre Moscovici, Sekretär für internationale Verbindungen der Sozialistischen Partei Frankreichs und gescholtener Kritiker des Kärntner Bündnisses zwischen SPÖ und FPÖ, im profil-Interview. Das bisserl Seele, das Ambrozy im Austausch für das bisserl Machtzuwachs bei Personalentscheidungen verloren haben könnte, kann schon deshalb nicht ins Gewicht fallen, weil Seelen nachweisbar nicht nachweisbar sind.

Der Zuwachs an Referaten hingegen verspricht eindeutig Stimmenspeck fürs nächste Mal. Wer sich zukünftig vermehrt auf Sportplätzen oder bei Feuerwehrübungen ins Bild bringen kann, darf zu Recht auf Volksnähe verweisen. Wer weiß dann noch, dass die SPÖ nicht einmal versucht hat, das Kulturreferat aus einer Chefsache zu ihrer eigenen zu machen?

Aber andererseits, wozu? Außerdem läuft dort, scheint’s, eh alles prächtig. Die Personal-Provisorien haben sich dauerhaft bewährt, die Eventkultur wuchert hypertroph wie die Schwammerln nach Tschernobyl, die bewusste Distanzierung vieler Kulturschaffenden ist weitgehend einem unauffälligen Pragmatismus gewichen. Die Wendehälse sitzen eindeutig am längeren Ast, und von denen, die’s nicht überlebt haben, ist ohnehin nichts mehr zu hören. Die Ausdünnung der freien Szene funktioniert inzwischen wie das jährliche Vertikutieren des Frühjahrsrasens, unauffällig und effektiv, was nachwächst, ist hybrid. Die zunehmend verordnete Kultur heißt Spektakel, Seebühne oder Festival, Chorgesang und Blechbläserverein. Ein vom ehemaligen ÖVP-Landesrat, der selbst gerne Kulturreferent geworden wäre, initiiertes Barockfestival soll sogar übernommen werden, vermutlich deshalb, weil es besser hörbar ist als Zeitgenössisches. Wer braucht schon zweisprachige Ortstafeln, wenn sich die offizielle Kulturzeitschrift des Landes, die „Brücke“, so offenkundig um slowenische AutorInnen und Themen bemüht. Ganz nach dem Vorbild des Landes hält inzwischen auch die Landeshauptstadt schützend ihre Hand auf einst autonome Jugend-Veranstaltungen, nicht ohne die jungen Leute daran zu erinnern, dass jegliche politisch gefärbte Äußerung verboten ist. Und vereinzelt treffen Subventionsvergaben Ungläubige wie die Stimme des Herrn den Saulus.

Demnächst reist Kärntens LH wieder nach Libyen, das heute natürlich nicht mehr das Libyen von gestern ist. Um sich von den dortigen hohen Würdenträgern, die er zweifelsohne treffen wird, auch kulturpolitische Ezzes zu holen? Alles ist möglich, und man soll ja die Hoffnung niemals aufgeben.

Für fünf lange Jahre hat JH versprochen, für das Wohl im Lande sorgen zu wollen. Dass er dazu wieder Gelegenheit hat, wird er denen, die ihm dies ermöglicht haben, gewiss nicht danken. Das Universitätskulturzentrum, kurz UNIKUM, das für seine ansonsten subtil künstlerischen Interventionen bekannt ist, sah sich jedenfalls auf vielfachen Wunsch genötigt, als Reaktion auf die Wahl und deren Helfershelfer die „2. Kärntner Kurzschlusshandlung“ kurzfristig mit einem einzigen käuflich zu erwerbenden, überaus praktischen und unverzichtbaren Produkt wieder zu eröffnen: Dem Kärntner Speibsackl.