mai 2004

Didi Neidhart
zu gast

FSK

Freiwillige Selbstkontrolle

Es ist schon interessant wie sich Bezugsrahmen verändern. Besonders bei einer Band wie FSK, die mit mehr als 20 „Dienstjahren“ neben ihrem alten Radikal-Gegenpol, den Einstürzenden Neubauten, auch immer noch das zweifelhafte Schubladenschild „älteste Neue Deutsche Welle-Band“ umgehängt bekommt. Wobei sich im aktuellen Programm der Münchner „Diskurs-Rocker“ (sic!) ironischerweise soviel akustische Rückblicke zur 1981er Anfangszeit finden („Wir werden heute auch einige Stücke spielen, die älter als ein Teil von euch sind.“) wie selten zuvor. „Durch Bands wie The Rapture”, so FSK-Mastermind und Suhrkamp-Schriftsteller („Hellblau”) Thomas Meinecke, „ist Rock als antirockistische Post-Punk-Idee wieder interessant geworden. So konnten auch wir uns mit dem eigenen alten Material wieder konfrontieren. Lustigerweise spielen wir jetzt auf der Tour zu unserer elektronischsten Platte den ältesten Stoff. Aber vielleicht spielen wir 2011 unsere Polkas wieder.” Besagte Polkas, bei FSK als transatlantische Übersetzungsmechanismen entlang der Kategorien „Nation“ und „Identität“ in den 1990ern zur „Dekonstruktion der vermeintlichen Authentizität von Folk“ (Meinecke) diskursiv behandelt, waren kurioserweise auch bei der Produktion des aktuellen Albums „First Take Then Shake“ (Disko B/Ixthuluh), für das sich FSK, nun als „The Afro-Germanic Motor Cities United Sextet“, den legendären Detroiter Techno-Pionier Anthony ‚Shake’ Shakir mit an Bord holten, ein Thema in Sachen produktiver, afro-germanisch-transatlantischer Missverständnisse. Denn Shakes Meinung zum extra für ihn eingespielten Track „Tiger Rag“, der sich dann Live in ein ruppiges Keller-Disco meets Velvet Underground-Monster verwandelte, war schlicht „That’s all Polka to me“.

Wobei Polka wie auch FSKs aktuelle Forschungen in Sachen Disco, House, Techno, etc. natürlichen einen Ort gemeinsam haben – den „diskursiven Dancefloor“. Denn warum soll Tanzmusik, nicht auch gleichzeitig „Denkmusik“ sein? Speist sich doch das Interesse an Musiken wie Disco oder House auch durch ihre Diskursivität vor allem entlang der Kategorien „race“ und „gender“. Dazu Meinecke: „Spannende, interessante Musik ist immer diskursive Musik und umgekehrt. Speziell wenn ein Mainstream-Genre wieder abtaucht und in die produktive Unverständlichkeit rücküberführt wird. Wir definieren einen Begriff wie „Queer-Music“ ja nicht nur im Sinne sexueller Orientierung, sondern auch dahingehende wie und was von einer ungeraden sexuellen Orientierung gelernt werden kann. Aber im Endeffekt stehen Disco und House jetzt dafür, wofür damals Cajun- und Tex-Mex-Polkas standen.“

Und so wie sich Thomas Meinecke in den 1990ern als Polka-DJ schon mal eine blutende Nase einhandelte, kann bekanntlich auch das Plattenverlegen „schwuler Disco-Scheiße“ durchaus handgreiflich enden. Schmäh ohne!