mai 2004

Cornelia Anhaus

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Dem Umgang mit kommerziellen wie alternativen Medien kommt in der globalisierungskritischen Bewegung besondere Bedeutung zu

Ein vom Independent Media Center in Genua aus gefilmtes Video belegt, wie etwa 50 Polizisten in der Nacht des 21. Juli 2001 die gegenüberliegende Schule stürmen, welche als Quartier für etwa 150 GlobalisierungskritikerInnen zur Verfügung gestellt wurde, und auf die Schlafenden brutalst einprügeln. Es gab 20 Schwerverletzte, so eine interviewte Krankenschwester aus jenem Hospital, in welches die Niedergeprügelten aus der Diaz-Schule gebracht wurden. „Kommerzielle“, also vorwiegend aus dem Verkauf von Anzeigen finanzierte Massenmedien reagierten meist – wenn überhaupt – verspätet mit Kritik an der Exekutive. Im Fall der Übergriffe von Genua wurde die Berichterstattung großteils erst aufgenommen, als die Staatsanwaltschaft Anklage gegen 29 zum Teil hochrangige Polizeibeamte erhoben hatte. Das war mehr als zwei Jahre nachdem globalisierungskritische MedienmacherInnen ihr „Beweismaterial“ vorgelegt hatten.

Wer bestimmt, was wichtig und berichtenswert ist? Was ist journalistische Realität? Nach Ansicht bedeutender Medienkritiker dienen Massenmedien in erster Linie den mit ihnen eng verzahnten Interessen der Wirtschaft. „Wie andere Firmen verkaufen die Medien an Kunden ein Produkt auf dem Markt. Ihr Markt ist die Werbung, ihre Kunden sind die Auftraggeber für Anzeigen, ihr „Produkt“ sind die Konsumenten, deren Wohlhabenheit das Anzeigenvolumen erhöht“, so beispielsweise Noam Chomsky in „Media Control. Wie die Medien uns manipulieren.“ Fragt sich, für wen was journalistisch produziert wird, für die RezipientInnen oder die EigentümerInnen? Und wem gegenüber, wenn überhaupt, der Journalismus mit seinen Handlungen verantwortlich ist. Geht die angebliche vierte Macht in der Gesellschaft von den journalistischen AkteurInnen aus oder von der Formel „Wirtschaft ist gleich Macht, ist gleich Öffentlichkeit“?

Brisant werden diese Fragestellungen in der Berichterstattung über Gruppierungen, welche genau diese Tendenzen kritisieren und deren erklärter Hauptfeind „die Wirtschaft“ zu sein scheint. GlobalisierungskritikerInnen befinden sich in einer Position, die ihnen nicht die Möglichkeit bietet, mit den Entscheidungsinstanzen in gleichberechtigte Kommunikation zu treten. Folglich richtet sich ihre Artikulation vor allem an die Öffentlichkeit, zu der die Massenmedien nach wie vor die wichtigste Vermittlungsinstanz darstellen – mag auch das Internet zunehmend an Bedeutung gewinnen. Globalisierungs- und damit NeoliberalismuskritikerInnen kommen in den kommerziellen Medien jedoch meist nur in Verbindung mit Gewalt vor, wie auch die Anti-WEF-Demonstrationen 2001 und 2002 in Salzburg gezeigt haben.

„Am Schauplatz“: Salzburg

Als Basis nachfolgender Überlegungen zum Beispiel Salzburg dient eine Befragung von beteiligten JournalistInnen sowohl kommerzieller als auch alternativer Medien, beteiligten globalisierungskritischen AkteurInnen sowie ansässigen WissenschafterInnen – insgesamt 20 Personen.

Die „Medienfrage“ scheint sich für viele GlobalisierungskritikerInnen als Dilemma darzustellen. Man ist sich durchaus bewusst, dass „die Bewegung“ die Massenmedien und damit auch die kommerziellen Medien zur Generierung von öffentlicher Aufmerksamkeit braucht. Andererseits funktionieren Massenmedien und globalisierungskritische Bewegung aber nach sehr unterschiedlichen Grundsätzen. Schon die prinzipielle Frage nach legitimierten SprecherInnen der „Bewegung“ verdeutlicht dies. Besonders hinsichtlich der Gewaltthematik wird von den GlobalisierungskritikerInnen als problematisch beurteilt, dass kommerzielle Medien nach den Prinzipien der Wirtschaftlichkeit agieren und die Auflagensteigerung essentiell für ihr Fortbestehen sei. Aufgrund des ökonomischen Drucks, sei keine Verhaltensänderung zu erwarten. Durch diese ablehnende Haltung und inhaltliche Abgrenzung wird aber auch das Misstrauen auf Seiten der kommerziellen Medien verstärkt. Es kommt zu einer Polarisierung. Die JournalistInnen antworten auf die Frage nach der wechselseitigen Informationsbeschaffung der Medien untereinander überwiegend, dass diese durchaus genützt würden. Dies freilich nicht, um die jeweils andere Berichterstattung in die eigene einfließen zu lassen, da die Berichterstattung der „Kommerziellen“ zu reißerisch oder andersrum die der „Alternativen“ zu „larmoyant“ sei. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung des Internet dürfte der als Lösungsansatz vorgeschlagene Ausbau alternativer Medienstrategien durchaus vielversprechend für die Anliegen der GlobalisierungskritikerInnen sein – vor allem zur „internen“ Kommunikation. Zur Vertretung nach außen muss man sich im Klaren sein, auf diese massenmedial entweder zu verzichten oder aber zu akzeptieren, dass ohne Ansprechpersonen auf Seiten der GlobalisierungskritikerInnen die Wahrscheinlichkeit einer diffusen Berichterstattung steigt. Andererseits bedeutet die Existenz von „SprecherInnen“ nicht automatisch eine Trendumkehr in der kommerziellen Berichterstattung, um den Fokus auf inhaltliche Auseinandersetzungen zu legen. In Richtung kommerzieller Medien scheint die Forderung, mehr Raum für nicht-institutionalisierte Opposition zu schaffen, berechtigt. Vor allem dann, wenn diese für sich beanspruchen, demokratiepolitisch eine wichtige Rolle zu spielen. In alternativen Medien wurde durch den prinzipiell offenen Zugang – etwa bei Indymedia – eine wesentliche Voraussetzung für die direkte mediale demokratische Partizipation von nicht-institutionalisierter politischer Beteiligung bereits geschaffen.

Konfliktentschärfung

Besonders den Kommerziellen kommt in der Entschärfung der Konfliktdynamik zwischen Polizei und GlobalisierungskritikerInnen eine tragende Rolle zu. Eine mediale Reflexion über die Rolle der Exekutive ist dafür unabdingbar. Die Forderung nach einer kontinuierlichen inhaltlichen Berichterstattung und Auseinandersetzung über die inhaltlichen Positionen und Anliegen globalisierungskritischer Bewegungen, insbesondere der Darstellung von struktureller Gewalt und ihren Folgen scheint gerechtfertigt zu sein. Für die kommerziellen Medien könnte auch eine Beachtung der Inhalte der alternativen Medien von Nutzen sein, da diese aktueller über Problemlagen globalisierungskritischer Zusammenhänge informieren.

Sowohl kommerzielle als auch alternative Medien müssen nicht Lösungen für Konflikte bereitstellen, sollen aber durch die Thematisierung von gesellschaftlichen Problemfeldern erheblich an der Entwicklung und Förderung von Lösungsansätzen mitwirken. Dies setzt das Bewusstsein und Selbstverständnis einer aktiven Rolle in Konfliktprozessen voraus, entgegen eines passiven Selbstverständnis, dass das eben so ist.