mai 2004

René Zechner
gelinkt

Mit Sicherheit gelinkt?

Zum tristen Alltag mikrobiologischer Viren gehört es, unschuldige Zellen zu überfallen. Der geschickt konstruierte Viruskörper bohrt dazu ein Loch in die Hülle einer Opferzelle und injiziert ihr seine DNS – eine dünne Proteinhülle mit einem Nukleinsäurefaden: sein Programm. Nur selten kann die Wirtszelle die eigenen Erbinformationen von den fremden unterscheiden. So befolgt sie sklavisch die in der Viren-DNS enthaltenen Anweisungen: Stelle Kopien der viralen DNS-Stränge her und baue neue Körper für diese Viren-DNS auf. Die infizierte Zelle produziert daraufhin eine wahre Armee von Viren. Am Ende eines Zyklus platzt die befallene Zelle und entlässt Heerscharen von Viren in die Umgebung. Die Wirtszelle stirbt, und die von ihr produzierten Erreger dagegen starten einen neuen Kreislauf.

Auch die Programme in Ihrem PC sind nichts weiter als Stapel voller Anweisungen für den Prozessor, der sie Seite für Seite abarbeitet – Viren erweitern diese Stapel um neue Ersatz-Anweisungen. Da Programme und Prozessor sich ihrer selbst nicht bewusst sind, führen sie stur aus, was auf den neuen Seiten steht: Wie man neue Viren herstellt.

Übergeordnet wird von Computerviren geredet, doch man sollte Viren von Würmern und „Trojanischen Pferden“ (auch: Trojaner) unterscheiden. Die Moral der Troja-Story kennt man ja: Die Dinge sind nicht das, was sie zu sein scheinen – aktuelle Trojaner lassen sich selten von aktuellen Schutzprogrammen aufspüren. Sie sind oft nicht „ansteckend“ und treten deswegen nicht so massiv auf wie Würmer. Am Ziel angekommen, öffnen sie eine Hintertür auf ihrem Wirtssystem, durch das ihr Herr und Meister uneingeschränkten Zugriff erhält. Tastatureingaben (Passwörter) und Bildschirminhalt können so übertragen und selbstverständlich der komplette Festplatteninhalt manipuliert werden.

Ein Wurm hingegen befällt, gern als E-Mail-Kettenbrief getarnt, nicht nur einzelne PCs, sondern nutzt deren Netzwerkfunktionen, um sich in kurzer Zeit massenweise zu verbreiten. Mehr als hundert Millionen Menschen schufen ein Paradies für spezialisierte Schädlinge: Sie verwenden Microsofts Mailprogramm „Outlook“.

Abgesehen von naiven „Netizens“ erleichtert auch die Architektur des Internets die Verbreitung virtuellen Ungeziefers: Ein weiteres Fundament der Nachrichtenübertragung im Netz, das „Simple Mail Transport Protocol“ (SMTP), ist mittlerweile schon 22 Jahre alt. Es stammt also aus einer Zeit, in der ein kommerzielles Internet noch gar nicht abzusehen war.

Der „Kampf gegen den Terror“ sollte sich im Netz nicht zu sehr verstricken – Für echte Sicherheit kommt man nicht drum rum, das eigene System zu hinterfragen.