mai 2004

Didi Neidhart
titel

Basic Control-Instincts

Über „digital copyrights“, mehr Staat im Cyberspace und die Freiheiten, die sie meinen – Der »kunstfehler« im Gespräch mit den beiden „basics-festival“-Co-OrganisatorInnen Hildegard Fraueneder (Galerie 5020) und Peter Riegersperger (subnet).

»kunstfehler«: Wo und wie positioniert sich Medienkunst heutzutage eigentlich zwischen den Polen Kunst und Creative Industries?

Fraueneder: In den 1990ern hat sich das Kunstfeld in Bereiche auch außerhalb traditioneller Kunstorte ausgefächert. Die Mode-, Werbe- und vor allem die Musikszene spielten plötzlich eine große Rolle. Durch dieses Aufmachen hat sich der Kunstbetrieb unheimlich viele Anregungen geholt. Dieser Hype war aber nach nur zwei, drei Jahren wieder weg, und die Kunst hat wieder zugemacht.

Riegersperger: Die Frage nach Abgrenzungen stellt sich in gewissen Biografien gar nicht mehr. Der Brotberuf in Agenturen bedeutet auch einen Zeitgewinn. Viele Leute, die Kunst machen, davon aber nicht leben können, leben, arbeiten und bewegen sich auch gerne entlang dieser vermeintlichen Grenzen.

Fraueneder: Die Medienkunst hat sich extrem aus diesen engen Kunsträumen weg zu ganz anderen Aufführungsorten hin ausgebreitet. Nur wird dort unter „Medienkunst“ nun Kunst an sich nicht mehr verhandelt. Wie bei der Netzkunst stellt sich hier das diskursive Problem einer Kunst, die eigentlich mit Kunst an sich nichts mehr zu tun hat.

Das Kunstfeld hat sich schon immer diversifiziert, einmal das Kunstgewerbe von der engeren Bildenden Kunst getrennt und dann etwa beim Bauhaus wieder reingeholt.

Bei Veranstaltungen, die den Begriff „Medienkunst“ beinhalten, gehen jedoch die meisten Kunst- Projekte selten über einen reiner Anwendungsbereich hinaus.

»kunstfehler«: Elektronische, digitale Kunst kann ja auch gerade deshalb spannend und diskursiv sein, weil sie von einer kanonisierten Kunstgeschichte radikal abgekoppelt ist. Wenn Kunst eine Art diskursives Trampolin von Kontextverschiebungen ist, dann ist es doch egal, ob es noch Bezüge zu Ölfarben gibt. Die Frage ist nur, wann haben wir es analog zur aktuellen Politik ohne Politik mit einer Kunst ohne Kunst zu tun.

Fraueneder: Es entsteht keine Kunst, wenn einfach nur irgendwie kreativ mit technischen Tools und deren Möglichkeiten umgegangen wird. Diese medialen Kreationen verkaufen sich als Kunst, ohne dass hier von künstlerischen wie gesellschaftlichen Fragestellungen ausgegangen oder diesbezüglich konkrete Fragen aufgeworfen werden. Und das sind zwei wesentliche Bedingungen für Kunst.

Riegersperger: Uns geht es um Strukturen, Umstände und ganz konkrete Lebensgefühle, die sich punktuell in Technologie, in ihrem Einsatz und ihrer Verwendung alltäglich manifestieren. Eben um „neue Selbstverständlichkeiten“. Diese Technologien formen unser Leben, nur sind diese Formungen immer weniger sichtbar. Nachdem wir uns die letzten Jahre mit Netzwerk-Computern und Hightech-Hypes bombardieren lassen haben, gilt es jetzt zu fragen: „Wo sind wir, worum geht es, was bedeutet es, wie definieren Technologien Strukturen neu, wie können wir sie neu im Sinne von gegen den Gebrauch und zweckentfremdet einsetzen?

Internet-Tauschbörsen haben die informationelle Freiheit extrem potenziert. Ich kann jetzt an Musik kommen, an die ich sonst nie gekommen wäre. Auf der anderen Seite gibt es ökonomische Interessen eines Systems, das damit nicht klar kommt. Daher sind die Abwehrreaktionen auch dementsprechend massiv und gehen Hand in Hand mit einem anscheinend grundsätzlichen Bedürfnis von Staaten, ihre Bürger zu kontrollieren. In den USA wurde nie geklärt, ob digitale Internet-Tauschbörsen nach dem alten Copyright legal oder illegal sind. Stattdessen wurde sofort ein neues Gesetzt gemacht, um den Internet-Tausch für illegal erklären zu können. Es ist bekannt, dass Tauschbörsen ein extrem effizientes und superbilliges Werbemittel für CDs sind. Das will die Musikindustrie nicht wahrhaben, weil sie dann auch zugeben müsste, dass die CD, so wie wir sie kennen ein Auslaufmodell ist. Interessant dabei sind weniger die neuen Copyright-Richtlinien, die Datentauscher in die Nähe der Mafia rückt, sondern die Begleitmaßnahmen, die notwendig werden, um diese Gesetze exekutieren zu können. Wenn Internet-Börsen unter Strafe gestellt werden, braucht es auch Gesetzte, die die Kontrolle, ob jemand so eine Börse installiert hat, erlaubt.

Fraueneder: Es gibt ein tendenzielles Begehren nach immer mehr Freiheiten, die gleichzeitig so funktionieren, dass momentane, aktuelle Freiheitseinschränkungen gleich wieder durch das nächste Freiheitsversprechen verdrängt werden. Daher denken wir, unser Lebenssetting sei so wunderbar, weil überall immer neuere und tollere angeblich noch freier machende Sachen um unsere Aufmerksamkeit buhlen.

»kunstfehler«: Der kontrollgesellschaftliche Schmäh der freien Wahl funktioniert ja auch nur, wenn die richtige Wahl getroffen wird. Wir sind auf perverse Art gleichzeitig von immer restriktiveren Verboten umgeben und von einem Zwang zum Genießen, bei dem es ständig heißt: „Du darfst!“ Dabei wird im Cyberspace genau jener Staat gefordert, der im Realen abgebaut wird. Während Polizei- und Gendarmerie-Posten geschlossen werden, übernehmen immer mehr private Sicherheitsdienste auf diffusen rechtlichen Grundlagen deren Agenden und gleichzeitig wird an einem virtuellen Cyber-Polizeistaat gearbeitet.

Fraueneder: Je restriktiver ein System, desto harmloser will es sich verkaufen. Im gleichen Maße wie Microsoft die User immer mehr zu kontrollieren versucht, tauchen Programmanweisungen wie „My Photo“, „My Video“ auf und suggerieren die Illusion einer Privatheit, die es nicht gibt. Während der Datenschutz extrem verwässert und aufgelöst wird, werden die Zugriffsrechte in die Privatsphäre gesetzlich immer mehr ausgeweitet und privaten Dienstleistungsunternehmen überantwortet, was ja im totalen Gegensatz zu verschärften Copyright-Gesetzen steht.

Riegersperger: Aktuell haben wir einen Transfer, bei dem Individuen immer weniger Kontrolle über ihre eigenen Daten haben, gleichzeitig aber staatliche wie private Organisationen immer mehr Macht ausüben, weil sie diese persönlichen Daten zur kommerziellen Verwertung besitzen. Deshalb sind Community Networks und die Free- Software-Bewegung so wichtig, weil hier Fragen der Selbstbestimmung gestellt werden. Wie sieht dein informationelles Umfeld aus, welche Daten gibst du her, zu welchen Daten kommst du?

Wenn alle von allen klauen, ist das ja auch nicht unproblematisch. Aber es wird überhaupt nicht darüber geredet, was vernünftig daran ist und was nicht. Stattdessen wird einfach ein unerträgliches Copyright-Gesetz zusammengebastelt, das uns um hunderte von Jahren zurückwerfen wird.

»kunstfehler«: Diese neue Copyright holt ja auch das völlig autonome und alleine vor sich hinschaffende bürgerliche Künstlersubjekt quasi per Gesetz wieder aus seinem Grab hervor. Kunst ist ja, gerade im „Age Of Plunder“ ohne Zitate, Referenzen, Samples, ohne vernetztes Denken gar nicht denkbar, geschweige denn möglich. So gesehen erklärt dieses Gesetz, wenn es Sampling unter Strafe stellt, ja auch einer Kunstform wie Hip-Hop den Krieg. Gleichzeitig lassen sich biogenetische Firmen Gene patentieren, was bedeutet, das schon jetzt andere das Copyright auf meine genetischen Bestandteile haben, ich mich also eh schon im Besitz einer Firma befinde.

Riegersperger: Genau. Das Copyright schützt ja nicht die Autoren, sondern die Verwerter. Es ist durchaus möglich, dass das Zitieren von geschützten Werken bald nicht mehr möglich sein wird. Dabei ist es ganz normal, dass man sich mit den Massenkulturgütern, die von Medienkonzernen produziert werden, auseinandersetzt. Das wird nicht nur ein Problem für die Kunst, sondern für alle Menschen, die sich damit auseinandersetzen wollen. Stell dir einfach vor, du schreibst eine CD-Kritik und wirst wegen der Verwendung geschützter Namen von der Zitatpolizei ausgespitzelt und geklagt.

»kf«: Danke für das Gespräch.