februar 2004

Dieter Braeg

Ski und Rodel gut

Salzburgs Skihalle im deutschen Neuss, älplerischer Albtraum im Flachland

Dort wo sich weder Fuchs noch Hase „Gute Nacht“ sagen würden und eine „fünfte Jahreszeit“ am 11. 11. um 11 Uhr 11 beginnt (die damit endet, dass man das dumme Volk, meist am Rosenmontag, von Prunkwagen aus mit Zuckerl bewirft), da liegt Grefrath. Die nächste größere Stadt, Neuss, kennt man auch nicht, weil sie, ohne erkennbaren Grund, irgendwo, ganz plötzlich, zur Landeshauptstadt von Nordrhein Westfahlen, Düsseldorf, wird. Das schafft Identifikationsprobleme, und deswegen gibt es in Neuss der Welt größtes Schützenfest – da marschieren dann drei Tage seltsame Männer in überaus phantasievollen Uniformen herum, schultern Holzgewehre und spielen „Militär“, weil ja auch in Deutschland Soldatsein nur von kurzer Dauer ist, und das ist für den heimatliebenden völkischen Mann zu wenig!

Dass Grefrath und Neuss zur Landschaft gehören, die man als „Niederrhein“ bezeichnet, passt also! Begonnen hat alles irgendwann in Mönchengladbach, da kann und konnte man wenigstens Fußball spielen, damit das Volk aber in der fußballlosen Zeit auch was zu staunen hat, wurde von einigen Geschäftsleuten die Hindenburgstraße (Haupteinkaufsstraße in Mönchengladbach, die auch „Hitlerkanzlerernennungsstraße“ genannt wird) im November mit Kunstschnee „eingewintert“ und das – samt einem „Syncroslalomskiwettbewerb“ – reichte aus, um mehr als eine Viertelmillion Menschen an einem Wochenende mit „Schneeschaun“ zu unterhalten.

So war es nur ein kurzer Weg, in Grefrath bei Neuss die Allrounder-Winterworld-Skihalle zu errichten, an der auch die SalzburgerLand Tourismus Gesellschaft beteiligt ist, die dafür verantwortlich zeichnet „dass der Pistenbetrieb bestens funktionieren wird“ und die Hallenbesucher „Gelegenheit haben, sich auf Salzburger Schnee auf ihren Urlaub vorzubereiten“.

Im Januar 2001 war die Eröffnung der Halle, die im Jahr circa drei Millionen Kilowattstunden verbraucht und mit 12 in die Decke integrierten Schneekanonen griffigen Pulverschnee erzeugt, der sicherlich nie SalzburgerLand gesehen hat. Die Halle ist 300 Meter lang und 60 Meter breit, und der Hang weist im oberen Teil ein Gefälle von 28 Prozent auf. Zwei Schlepplifte und ein Doppelmayr-Vierer-Sessellift sind in der Lage, pro Stunde höchstens 6000 Personen zu befördern, während die Gesamtpiste maximal 800 Skifahrer verkraftet. Unter dem Sessellift gibt es noch eine bobbahnähnliche Rodelstrecke, und insgesamt macht diese „Winterwelt“ auf mich den Eindruck der Babyliftstrecke samt Übungshang bei der Talstation der Schmittenhöhenbahn in Zell am See. Nur, in Grefrath gibt es an 365 Tagen kein Schneeproblem, denn da ist die Schneedecke, unter der sich eine zehn Zentimeter dicke Eisschicht befindet, samt insgesamt 90 Kilometern Kühlschläuchen, immer zwischen 0,5 und einem Meter dick. Zur Energieverbrauchsvernebelungsstrategie der Halle, die ihren Strom vom Schweizer Energieversorger eos (energie ouest suisse – Electrabel) bezieht, hier eine Erklärung zum Schneekreislauf der den Kleinenmaxe genau so wie Jagateetoni begeistern dürfte: „Das Energie-Konzept lässt sich am besten anhand des Schnee-Kreislaufes darstellen: In den Schweizer Alpen fällt frischer Schnee. Dieser schmilzt zu Wasser und wird in „grüne Energie“ verwandelt, die dann in der allrounder winter world wieder genutzt wird, um Schnee zu produzieren. So schafft Naturstrom in einem sauberen und ressourcenfreundlichen Kreislauf die Voraussetzungen für attraktiven Schneespaß und hohen Freizeitwert am Niederrhein.“

Schweizer Schmelzschnee?

Grüner Energiesparerklärkas?

Ah jo, draus wird SalzburgerLandschnee.

Fesch!

Damit dieser ständige Sommerskitourismus auf den Kitzsteinhorngletscher ein Ende hat, hier die Preise für den Besuch einer Familie mit zwei Kindern an einem Wochenendtag in der allrounder winter world – Skifahren bis zu 14 Stunden inklusive kompletter Skiausrüstung 152 Euro . Wer ein Stündchen Skifahrprivatunterricht haben will, zahlt 54,00 Euro. 45 Minuten Rodelspaß incl. Schuhe kostet für den Erwachsenen 10 Euro. Das ist doch was, oder? Ach ja, man auch an einer Kletterwand herumturnen, das kostet für maximal 12 Stunden zwischen 11 und 13 Euro.

Von den bisher fast drei Millionen Besuchern seit der Eröffnung im Januar 2001 haben etwa die Hälfte die Piste benutzt, während die anderen in der Carlsberg Schirmbar abfeiern und abtanzen oder in der Stiegl Alm „urig, rustikal“ abgefüllt werden, mit dem feinen Stieglbier (o,3 l Glas zu 2 Euro) oder im Jausenstadl „brettljausnen“ . Ein DJ namens „Alpen Charly“ steht für 45 Euro pro Stunde exklusiv zur Verfügung, falls man eine Privatveranstaltung machen will. Elegant geht’s im Restaurant „Edelweiss“ zu, da gibt es die „typisch alpenländischen Spezialitäten sowie Wildgerichte und Speisen aus der regionalen Küche“, mit Blick auf die „Piste“. Da wird „Tafelspitzbrühe mit Fritatten“ serviert – was für die Niederrheiner so übersetzt wird: „Kraftbrühe vom Almochsen mit Pfannkuchenstreifen und feinen Gemüsewürfeln.“ Die Supp’n kostet 3,40, den dazugehörigen Tafelspitz vom „Almochsen“, den findet man allerdings auf der Speisekarte nicht. Insgesamt bietet diese Halle etwa 270 Arbeitsplätze. Lustig sind die „trachtig“ verkleideten deutschen Madl und Buam, die dann berlinernd oder gar sächsisch redend Almabtriebsstimmung verbreiten sollen. Denn das gibt es auch, einen Almabtrieb, ganz ohne Alm.

Begeistert berichtet darüber die heimische Tageszeitung: „Dritter Alm-Abtrieb in Grefrath: Esel „Schnucki“ zeigte sich auf dem Wege von der „Kessel-Alm“

zur „Dorf Skihalle“ zunächst recht störrisch, während Blumenkinder freundlich winkten, die Peitschen knallten, die alten Lanz-Traktoren ballerten und die Musik „Vidirallala, die Mädchen sind zum Küssen da“ spielte.“ Das alles ist ein „Volksfest mit alpenländischer Volkskultur und niederrheinischer Volksverbundenheit, zum liebevollen Zusammenspiel von Alpenland und Niederrhein.“

Wer sich schon immer gefragt hat, warum die deutsche Ski-Nationalmannschaft so schlecht ist, findet in der Halle die Antwort. Dort steht auf einem Blechschild: „Offizieller Trainingsstützpunkt der deutschen Ski-Nationalmannschaft!“

„Umweltschutzpolitisch,“ meinte ein Kommunalpolitiker der Grünen aus Neuss, der nicht genannt werden möchte, weil er die seit ewigen Zeiten regierende CDU nicht verärgern will, „ist das hervorragend, so schützt man Gletscher, Wälder und Berghänge in Österreich, und wahrscheinlich dauert es nicht mehr lange, da kommen unsere Leute zu euch und fragen: Wo ist hier die winter world Halle?’“.

Sorgt so SalzburgerLand für den Winterurlaubsbesucherrückgang? Ski und Rodel gut? So betrachtet, schon!