februar 2004

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„Das Bett ist gemacht“

Heinz Schaden, Helmut Hüttinger und Alfred Winter über Vergangenheit und Zukunft der städtischen Kulturpolitik

»kunstfehler«: Herr Hüttinger, seit 2001 das Kulturleitbild der Stadt Salzburg präsentiert wurde, scheint sich eine nachhaltige Harmonisierung der Kulturpolitik breit zu machen. Eindeutige Positionierungen der Parteien sind eigentlich kaum mehr erkennbar.

Helmut Hüttinger: Das sehe ich auch so. Ich hab mir überlegt, was es bedeutet, wenn z. B. der vom Statut her vorgesehene Vorsitzende des Kulturfonds ständig ein – von mir geschätztes – Mitglied einer anderen Fraktion, nämlich Herrn Winter, mit dem Vorsitz betraut. Heißt das, dass die Positionen völlig austauschbar sind? Heißt das, da gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen dem Bürgermeister als SPÖ Kulturreferent oder dem Kultursprecher der ÖVP? Andererseits wurde nach den Auseinandersetzung, die wir zwischen 1992 und 1999 hatten, ein Klima geschaffen, in dem auch viel Positives bewegt worden ist.

»kunstfehler«: Ist es wirklich so, dass die Herren Schaden und Winter im Kulturfonds austauschbar sind, Herr Winter?

Alfred Winter: Nein, überhaupt nicht. Nachdem es eine Idee von mir war, diesen Fonds einzurichten, war der Bürgermeister so fair, mir den Vorsitz zu überlassen. Wir haben anfänglich ziemlich gestritten, und für mich war es wichtig, ein Klima der Ermöglichung herzustellen. Natürlich kann der Eindruck entstehen, dass es da zu wenig zwickt und zu wenig Unruhe gibt. Aufgrund des Leitbildes gibt es jedenfalls gute Voraussetzungen und gute Fördermöglichkeiten – sogar mittelfristige.

»kunstfehler«: War der Abschluss der mittelfristigen Fördervereinbarungen für elf Kulturstätten der alternativen Szene für Sie die wichtigste Entwicklung seit den letzten Wahlen?

Alfred Winter: Der wirkliche Quantensprung der letzten fünf Jahre war, dass wir es in der Kulturklausur gemeinsam geschafft haben, nahezu allen Kultureinrichtungen schon im Vorjahr sagen zu können, was sie im nächsten Jahr kriegen. Vorher war die Übung ja die, dass wir oft im Juni beschlossen haben, was rückwirkend mit erstem Jänner an die Gruppen gezahlt wird. Jetzt ist das Bett gemacht, und jetzt muss man schauen, wie gut die Federung ist. Und ich denke, die Politik soll manchmal auch der Kultur einen leichten Tritt geben, damit mehr Underground-Kultur entsteht und damit mehr Kräfte und Talente zum Vorschein kommen.

»kunstfehler«: Wünschen Sie sich auch mehr Unruhe unter den Kulturschaffenden, Herr Bürgermeister?

Heinz Schaden: Also ich finde diese Diskussion lustig, weil früher war die Klage immer die, dass die Kulturpolitik ein dauerndes Streitthema ist. Es hieß, ÖVP und SPÖ unterscheiden sich nicht, es sei denn in ein paar Themen wie der Kultur. Deshalb war es das dezidierte Ziel des Kulturleitbildes, gewisse Dinge streitfrei zu stellen und die Kulturpolitik so zu einer Konstanten der Kommunalpolitik zu machen. Ich habe schon 1999 gesagt, dass wir die Kultureinrichtungen aus der Rolle der Bittstellerinnen herausholen müssen und dass wir ein verbindliches Kulturleitbild brauchen. Weitere Punkte auf meiner Prioritätenliste waren dreijährige Förderungsvereinbarungen, Valorisierung der Förderung, kürzere Bearbeitungsfristen, Befreiung von der Kommunalsteuer und von der Ankündigungsabgabe. Jetzt ist noch die Befreiung von der Vergnügungssteuer dazugekommen. Ich finde das sehr positiv, dass das in Zusammenarbeit von drei Fraktionen umgesetzt werden konnte, teilweise waren es sogar vier, weil die FPÖ im Gegensatz zu früher bei Kulturthemen nicht nur einfach reflexartig abwinkt.

»kunstfehler«: Ist eigentlich auch der Beschluss für den Neubau der ARGE in dieser harmonischen Stimmung erfolgt?

Heinz Schaden: In der Schlussphase war der ARGE-Neubau gar nicht so leicht über die Bühne zu bringen, nämlich vor allem zeitgerecht. Ich sage auch ausdrücklich dazu, es ist gelungen, weil wir uns irgendwie zusammengerauft haben. Es stimmt, dass wir am Anfang gestritten haben, da ist es nicht nur um die mittelfristigen Förderungen gegangen, sondern auch um die Frage „Wer ist der Wichtigere?“ ...

Alfred Winter: Also das bin ich sicher nicht. Und das war nicht mein Ziel, denn das muss man schon wissen, wer vorne dran ist.

Heinz Schaden: Das ist halt so in der Politik, dass sich jeder seinen Platz erkämpfen muss. Also ich finde es gut, dass es sich so entwickelt hat, wie es sich entwickelt hat.

»kunstfehler«: Eigentlich wollten wir ein Streitgespräch mit Ihnen führen, aber mit ihrer gemeinsamen Bilanz machen Sie es uns wirklich nicht leicht. Zu den mittelfristigen Förderungen gibt es allerdings auch die Befürchtung, dass gerade die kleinen Kulturstätten, die keine solchen Vereinbarungen haben, im Falle des Falles als erste gekürzt werden.

Heinz Schaden: Für das Jahr 2004 haben wir das Budget wieder aufgestockt. Neu drinnen ist etwa die Tourneeförderungen für die ganz kleinen Theater. Was in Zukunft sein wird, kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, das hängt davon ab wie es uns allen mit einander geht. Geplant sind Kürzungen sicher nicht.

Alfred Winter: Wir fordern von den Kulturinitiativen natürlich sehr viel Professionalität in der Vorbereitung dieser mittelfristigen Vereinbarungen. Dieser Prozess hat also nicht nur dem Amt und der Politik gut getan, sondern auch den Kulturschaffenden.

Helmut Hüttinger: Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss man schon erzählen, dass 1999 sowohl die SPÖ als auch wir gefordert haben, der Anteil der Kultur am Gesamtbudget müsse von vier auf sieben Prozent angehoben werden. Momentan sind wir bei 5,6 oder 5,9 Prozent, da gibt es unterschiedliche Betrachtungsweisen. Von den geforderten sieben Prozent sind wir jedenfalls weit entfernt.

»kunstfehler«: Dabei handelt es sich aber um Prozentsätze, die nicht an den Index angepasst

werden ...

Helmut Hüttinger: ... und das war eine weitere Forderung von Heinz Schaden, ich glaub’ so steht es in der »kunstfehler«-Ausgabe vom März 1999: „Wir wollen für alle Kulturinitiativen mittelfristige Fördervereinbarungen mit valorisierten Zuschüssen.“ Mich würde freuen, wenn ich vor dieser Wahl ein Bekenntnis des Finanzressortchefs bekommen würde, dass er bereit wäre, den Kulturbudgetanteil auf sieben Prozent zu erhöhen. Und zum Zweiten, dass die Valorisierung kommt.

Heinz Schaden: Als wir 1999 das erste Budget gemacht haben, hatte die Stadt ein Defizit von jährlich mehr als 100 Millionen Schilling. Und alle haben gesagt, aus dieser Situation kommen wir nur raus, wenn wir den Haushalt gesund schrumpfen. Das war nicht lustig, auch nicht für Einrichtungen wie die Festspiele oder das Mozarteumorchester. Heute haben wir in den gesamten Förderbudgets der Kultur- und Schulverwaltung eine Steigerung, und das in einer Zeit, wo wir jährlich aus dem Haushalt 2 bis 3 Prozent herausgestrichen haben.

»kunstfehler«: Herr Bürgermeister, für Olympia 2010 wurden 10 Millionen Euro umgewidmet, die eigentlich für das Hollein-Museum vorgesehen waren. Was passiert nun mit diesem Geld, nachdem die Bewerbung in die Hose gegangen ist? Fließt es wieder in die Kultur zurück?

Heinz Schaden: Es gibt einen aufrechten Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2000. In diesem wird der Erlös des Sparkassenverkaufes II (das waren damals etwa 840 Millionen Schilling) zweckgewidmet für das Kongresshaus sowie für Investitionsvorhaben wie z. B. das Hollein-Projekt oder das Guggenheim-Museum. Aus dieser Reserve wurden im Vorjahr 10 Mio. Euro für eine mögliche Olympia Gesellschaft mit Beschluss des Gemeinderates umgewidmet. Diese Gesellschaft hätte es nach einem Zuschlag in Prag gegeben. Nun steht diese Reserve wieder zur Verfügung, solange aber nicht etwas von der Leuchtkraft eines Hollein-Projektes oder einer Olympiabewerbung daherkommt, werden wir sie nicht antasten. Und so ein Projekt gibt es derzeit nicht.

Helmut Hüttinger: Wobei offen bleibt, wie viel uns die Bewerbung wirklich gekostet hat, da sind ja nicht unerhebliche öffentliche Mittel hineingeflossen.

Heinz Schaden: Also sicher nicht zehn Millionen!

Helmut Hüttinger: Bitte, die Endabrechnung haben wir noch nicht bekommen und werden sie auch vor dem 7. März nicht kriegen. Da können wir jetzt Behauptungen in den Raum stellen, wir werden sie erst nach der Wahl verifizieren können. Für mich stellt sich aber schon die Frage, wie sich die Stadt Salzburg in den nächsten Jahren positionieren will. Sind wir die Sporthauptstadt oder sind wir die Kulturhauptstadt?

Heinz Schaden: Aufgrund eines spöttischen Inserates der Kulturhauptstadt Graz bricht bei uns das öffentliche Selbstbewusstsein ob der Kulturstadt Salzburg in sich zusammen. Also das ist ja ein unglaublicher Vorgang.

»kunstfehler«: Bei wem bricht das Selbstbewusstsein zusammen?

Heinz Schaden: Offensichtlich bei der Bürgerliste.

»kunstfehler«: Sport und Kultur sind zwar jetzt in einem Ressort, doch hat die Stadt Salzburg im Vorfeld zur Olympiabewerbung einfach gesagt, na gut, ab jetzt sind wir Sporthauptstadt. Drängt sich da nicht der Eindruck auf, dass Salzburg sehr flott seine Identität wechselt, wenn es opportun erscheint?

Alfred Winter: In Salzburg ist es prinzipiell schwer, etwas Neues zu bringen. Die Ur-Salzburger haben eine natürliche Neigung, nicht offen zu sein. Das ist zwar jetzt wahltaktisch katastrophal, aber ich muss das sagen, sie haben eine gewisse Präpotenz neuen Dingen gegenüber. Wenn die Dinge aber gut laufen, sind sie auch dabei.

Helmut Hüttinger: Eine Stadt von der Größenordnung Salzburgs braucht eine eindeutige Positionierung in eine Richtung, was nicht bedeutet, dass meine Fraktion sportfeindlich ist. Salzburg hat sich den vergangenen hundert Jahren einen Ruf als Kulturhauptstadt aufgebaut. Vor 15 Jahren sind wir in puncto Kulturangebot noch mit Wien alleine dagestanden. Inzwischen haben auch Linz und Graz langfristige Strukturen geschaffen.

»kunstfehler«: Wie soll sich Salzburg im Mozart-Jahr 2006 von anderen Städten abheben? Noch gibt es im Gegensatz zu Wien nicht einmal eine künstlerische Leitung.

Alfred Winter: Dass alles so diffus begonnen hat, liegt vielleicht auch daran, dass es bereits Mozart-Schwerpunkte gibt, an denen man schwer vorbei kommt. Ich finde aber, dass es Salzburg gut anstehen würde, Mozart-Talente aus aller Welt nach Salzburg einzuladen. Die andere Möglichkeit ist die, unser Musikschulwesen auszubauen. Ich blicke da neiderfüllt nach Oberösterreich, wo hinter jedem Scherhaufen eine Musikschule steht.

»kunstfehler«: Wir wissen aber noch immer nicht, wer das Mozart-Jahr organisieren soll. Mit Inge Brodil gibt es eine Managerin, aber wer entscheidet über die inhaltliche Ausrichtung?

Heinz Schaden: Ich verfolge die Entwicklung auch mit einem gewissen Unbehagen, aber wir haben in Salzburg einige sehr selbstbewusster Einrichtungen wie das Mozarteum, die Mozart-Stiftung oder die Festspiele, die sich keinen Intendanten vor die Nase setzen lassen.

Helmut Hüttinger: Im Jahre 1999 hat unsere Fraktion schon gefordert, dass man die Sache entsprechend budgetiert, dass man die personelle Infrastruktur schafft und vor allem eine Koordination. Es ist nichts passiert, und die Frage, wie sich Salzburg positioniert wird vernachlässigt, so nach dem Motto: Wird eh genug los sein.

Heinz Schaden: Es gab ja schon einige berühmte Namen für eine Intendanz, aber von Seiten der Stiftung hieß es : Wir wissen schon, was wir machen, sorgt ihr dafür, dass diese 1,9 Millionen Euro aufgetrieben werden. Die Festspiele sagten: Wir wissen, was wir tun, sorgt ihr dafür, dass diese 2,5 Millionen Euro aufgetrieben werden. Die Inge Brodil sagte, sorgt dafür, dass diese 10 Millionen Euro aufgetrieben werden.

Ein Vorschlag, der mir interessant erscheint, kam etwa vom Altstadtverband: Eine Biennale der zeitgenössischen Musik, beginnend mit dem Mozart-Jahr.

»kunstfehler«: Danke für das Gespräch.