märz-april 2004

geschaut

Geschaut

U.B.R. Galerie

Ein Raum für aktuelle Kunst

„Sie setze seit jeher auf Leute, die eine Vita hinter sich und eine vor sich haben.“ Sie, das ist Ulrike Reinert, Gründerin und Leiterin der U.B.R. Galerie – Raum für aktuelle Kunst. Im November 2000 eröffnet, hat sie vor gut einem Jahr den Standort von der Bergstraße in die Auerspergstraße verlegt. Das Programm jedoch ist gleichgeblieben, nur die Verpackung hat sich verändert. „Die Galerie“, so Reinert, „ist nach wie vor klein, jedoch repräsentativer als zuvor.“

Die Palette der Ausstellungsobjekte ist trotz räumlicher Begrenzungen vielfältig und reicht von Malereien, Graphiken und Plastiken über Fotografien und Fotobearbeitungen bis hin zu Videostills und Videoinstallationen. Zwischen 50 und 5000 Euro liegen die Preise der gezeigten Exponate. Durchaus erschwinglich, dennoch ist die Spezies Käufer nach wie vor eine Minderheit. Dies führt die aus der Nähe von Stuttgart stammende Reinert nicht zuletzt auf das ambivalente Verhältnis der hiesigen Bevölkerung zeitgenössischer Kunst gegenüber zurück. „Den SalzburgerInnen fehlt jegliche Neugier auf etwas Neues.“

Die Anzahl der Besucher hingegen ist peu à peu gestiegen. Dafür macht die Galeristin nicht zuletzt den Ortswechsel verantwortlich. Was jedoch die Finanzierung der „U.B.R. Galerie“ betrifft, steht Reinert allein auf weiter Flur. Privatgalerien wie ihre entbehren – weil kein Verein – jeglicher Unterstützung seitens der öffentlichen Hand. Sie spricht von einem „finanziellen Kraftakt“. Nach drei Jahren U.B.R. gehören die „art-X-ibit MATERIAL“ 2002 und die Sommerausstellung „THE CITY“ 2003 zu ihren persönlichen Favoriten. Bei letzterer hat die leidenschaftliche Kunstsammlerin einige KünstlerInnen wie die Fotografen Alexander Timtschenko und Ralph Humrich erstmals in Österreich präsentiert. Fünf bis sechs Ausstellungen finden jährlich statt. Die aktuelle läuft seit Mitte Februar und ist noch bis 4. April zu sehen. Gezeigt werden in „Nahaufnahme“ Videostills von Gertrud Fischbacher, Arbeiten mit Acryl und Graphit von Dietmar Franz und „verfremdete“ Fotografien einer Asienreise von Ronald Kodritsch. Dabei handelt es sich um KünstlerInnen, die in der U.B.R. eine Einzelausstellung oder Ausstellungsbeteiligung hatten. Denn Reinert erachtet es als notwendig, „Künstler zu begleiten“.

Sabine Jenichl

Lost & Found?

Zu Person und Werk des Salzburger Künstlers Klaus Reif, an den eine Ausstellung erinnerte.

Oft genug erscheint die moderne Kunst dem „gewöhnlichen“ Betrachter als rätselhaft und mysteriös. Bisweilen treffen dieses Verdikte auch auf Leben und Verbleib von Personen – nicht allein Künstlern – zu. Genau davon handelt diese Geschichte.

Der 1959 in Linz geborene Klaus Reif ist nämlich seit dem 16. Oktober 1994 abgängig. Einfach so, von einem Augenblick zum anderen, verschwand der Performancekünstler, Maler und Musiker aus dem Gesichtskreis seiner Familie, Freunde, Bekannten. Dabei stand er durchaus auf dem Sprung zu größerer Bekanntheit. Der so genannte „Durchbruch“, damit auch finanzieller Erfolg, waren wohl in greifbarer Nähe. (Zugegeben: eine Spekulation, wie so vieles in diesem Fall.) Allerlei Mythen und Mutmaßungen ranken sich um die Umstände des Verschwindens. Nach dem Besuch einer Ausstellung und eines Lokals könnte sich Reif auf den Untersberg (ein mythischer Ort, der nicht nur auf Künstler eine spezielle Anziehungskraft ausübt!) begeben haben. Aber nix ist fix. Er bleibt jedenfalls bis zum heutigen Tag verschollen. Auch seine Lebensgefährtin Christine Angerer und die beiden Söhne haben nichts mehr von ihm gehört.

Bis zu seinem Verschwinden schuf Reif über 3000 Bilder: Ölbilder auf Papier und Leinwand, Mischtechniken, Collagen, verschiedene Maltechniken auf Papier. Einen geringen Teil davon präsentierte eine vom Leiter der städtischen Galerie (und Kunstfehler-Autor) Anton Gugg kuratierte Ausstellung vom 4. bis 27. Februar im Museumspavillon des Mirabellgartens. Gugg ordnete die meisten Arbeiten Reifs den „Jungen Wilden“ zu, konstatierte aber auch Einflüsse und Parallelen zu Jackson Pollock und den expressiven und farbkräftigen Bildern der CoBrA-Gruppe. Die „Leinwandattacken“ und der „tobende malerische Furor“ (Gugg) springen den Betrachter nicht nur aus den Bildern an, sondern entsprechen wohl auch dem Naturell des Malers. Hier wird die Geschichte jetzt ein wenig persönlich. Ich kannte Klaus Reif schon vom Institut für Publizistik, wo wir mitunter gemeinsam Lehrveranstaltungen besuchten, und dann natürlich aus Lokalen (wie dem „Gegenlicht”), wo man diskutierte, blödelte und becherte. Näheren Kontakt hatte ich dann 1985 und 1986: Klaus und ich leisteten unseren Zivildienst zur gleichen Zeit bei der „Erwachsenenhilfe“ ab. Gegenseitige Besuche, bei denen er mir manche seiner Arbeiten in seiner damaligen Wohnung in der Bachstraße zeigte, und ich ihm vor allem Musik vorspielte. Er hörte gern Post-Punk-Lärm und – wen wundert es – experimentelle Klänge aus meiner Sammlung: Besonders David Moss hatte es Klaus angetan. Der New Yorker Schlagzeuger, Perkussionist und Sänger befindet sich stilistisch zwischen allen Stühlen. Im Januar 1994 (!) schrieb er einen Aufsatz, der in der Hamburger „Zeit“ veröffentlicht wurde. Titel im Original: „Risk And Culture – A Manifesto“ (!). Darin reflektiert Moss über das „schöpferische Werkzeug Risiko“, das für die Veränderung von Kultur wichtig sei. Die Öffentlichkeit verlange vom Künstler, dass er (ästhetische, emotionale) Risiken eingehe. Was passiert mit der Risikobereitschaft beim Kreativen, der mit Subventionen und Sponsorengeldern bedacht wird? Reif kannte den Artikel wahrscheinlich gar nicht, und es soll hier auch keine mythologische Überhöhung oder gar ein Wirkungszusammenhang konstruiert werden. Tatsache bleibt aber, dass Klaus (zumindest) einige Jahre vor seinem Verschwinden den Musiker David Moss hoch schätzte und über diesen Essay ein verblüffender, wenn auch sicherlich zufälliger Zusammenhang mit seinem eigenen Schicksal besteht. Irgendein Risiko dürfte der „anarchistische Unruhegeist“ (Gugg) Klaus Reif an jenem 16. Oktober 1994 nämlich eingegangen sein.

Bürgermeister Schaden versprach übrigens bei der Vernissage im Museumspavillon, einen Katalog zu finanzieren und so wenigstens das Werk dem Vergessen zu entreißen.

Doc Holliday