märz-april 2004

gehört

Musik

LMT Connection

Universal Soul

Impression Records/B&3 Records 2003

Die US-Metropole Detroit kennt man hierzulande aus zwei Gründen: wegen der (einst florierenden) Automobilindustrie und als heimliche Hauptstadt von Pop- und Rockmusik. Neben Kapazundern wie MC 5, Bob Seger, Mitch Ryder, Ted Nugent oder Iggy Pop und Grand Funk Railroad (die genauso wie Michael Moore aus der näheren Umgebung der Motor City stammen) kommt auch der schwarze Motown-Sound aus Detroit. Letzterer wurde von einer genialen Gruppe von Produzenten, Arrangeuren und Musikern fabriziert, die R & B und Soul erstmals in die „weißen“ Pop-Charts brachten. 2003 rückte der Dokumentarfilm „Standing In The Shadows Of Motown“ die (meist) namenlos gebliebenen Studiomusiker, nämlich die „Funk Brothers“, die diesen wunderbaren Sound mit seinen simplen Harmonien und Melodien mit großer technischer Perfektion exekutierten, ins Rampenlicht einer breiteren Öffentlichkeit. Leroy Emmanuel, Sänger und Gitarrist der LMT Connection, wuchs in Detroit auf und spielte Anfang der 70er Jahre mit den „Brüdern“. Seit dem 12. Lebensjahr arbeitet Leroy mit Legenden wie Marvin Gaye, Stevie Wonder, Al Green, Bohannon und unzähligen anderen Stars, insgesamt ist er auf über 1000 Plattenproduktionen zu hören. Darüber hinaus kennt er Wayne Kramer, den noch immer aktiven Ex-MC 5-Haudegen, und deren legendären Manager und White-Panther-Party-Gründer John Sinclair von gemeinsamen Projekten. Mit Schlagzeuger „Hard Hittin“ Mark Rogers und Bassist „Big Bad“ John Irvine absolviert er als LMT Connection über 250 Live-Gigs pro Jahr. Auf ihrer dritten CD bleiben sie dem klassischen R&B und Funk mit jazzigen und rockigen Einsprengseln treu. Nicht allein die Motown-Tradition, sondern auch der erdigere Stax-Sound sowie die Referenzen an den Godfather James Brown prägen die Aufnahmen und zeugen von gutem Geschmack sowie feiner Musikalität.

Tipp: Für alle Soulbrüder und solche, die es werden wollen: LMT Connection live & direct am 29. 4. im KIK in Ried. Doc Holliday

Probot

Probot

Southern Lord/EFA 2004

Dave Grohl kennt man als Schlagwerker der Grunge-Megaseller Nirvana und natürlich von seiner eigenen Band Foo Fighters. Für das Projekt „Probot“ schrieb Grohl eine Reihe von Instrumentaltracks, die eine stimmige Hommage an die vielfältige Welt des Heavy Metal der 80er Jahre ergeben. In just dieser Dekade differenzierte sich die Metallveredelung bekanntlich in sehr unterschiedliche Verfahren. Also lud sich Grohl die stilgebenden Vokalisten der wichtigsten (und für ihn wohl inspirierendsten) Bands zur Endfertigung ein. Die elf Schichtführer und Vorarbeiter von Thrash-, Power-, Black- und Doom-Metal zelebrieren ihre Subgenres und bieten einen musikalischen Überblick aus den Riffschmieden der Apokalypse-Nation. Mit von der Partie sind Venom (Erfinder des Black Metal), King Diamond, Voivod, Max Cavalera (Sepultura-Sänger), Trouble, Celtic Frost (der Ausflug Richtung Avantgarde), D.R.I. und Corrosion Of Conformity (zwei Combos, die für die Verschmelzung von Hardcore und Schwermetall stehen). Zu meinen persönlichen Favoriten zählen die zähen Doom-Monster „Ice Cold Man“ von Lee Dorian (im richtigen Leben Cathedral-Sänger) sowie „Emerald Law“ mit dem großartigen Wino (von The Obsessed und St. Vitus). Kein Veitstanz ohne Lemmy von Motörhead. Allein dessen punkiger Hard-Rock-Hadern „Shake Your Blood“ (der mit Metal fast nichts, mit Härte aber sehr viel zu tun hat) lohnt die Anschaffung der CD. Diese Generation Eisenbieger aus den vereinigten Metallurgiekombinaten rockt jede Hütte.

Doc Holliday

Black Thangs

„They want me to go to Vietnam to shoot some folks that never lynched me, never called me ‚nigger‘, never assassinated my leaders.“ (Muhammad Ali)

Krieg war und ist immer noch ein probates Staatsmittel sich seiner widerständigen und widerspenstigen, kurz: dissidenten Elemente zu entledigen. Konkret der Jugend und vor allem der Minderheiten. Vietnam war darin beispielgebend. Auch weil hier die Unterschicht (vom White-Trash-Subproletaritat im Süden bis zum schwarzen Industriearbeiter-Proletariat im Norden) derart radikal und brutal verheizt wurde, dass das Wort vom in Vietnam geführten „Klassenkampf“ im mehrfach doppelten Sinn zu verstehen ist. Unter anderem als Zusammenhänge zwischen „Class“ und „Race“, zwischen Rassismus und seinen ökonomischen Bedingungen. Anders gesagt: „They asked us to die for the system in Vietnam, in Watts they are killed by it.“ (Eldrige Cleaver/Black Panther Party)

In Vietnam dienten 41 Prozent Schwarze in der Army (bei einem Bevölkerungsanteil von 11 Prozent), dementsprechend (überdimensional) hoch waren die Verluste (z. B. als Kanonenfutter) und dementsprechend wurden sie auch behandelt: Im offiziellen Armed Forces Radio Network gab es keine schwarze Musik (Soul, oder Jimi Hendrix, konnte in Vietnam nur via Kassette aus der Heimat gehört werden – soviel auch zum Authentizitätsgehalt soulsoundtrackdurchtränkter Vietnamfilme). „A Soldier’s Sad Story. Vietnam Through The Eyes Of Black America 1966 – 73“ (Kent/Ixthuluh) schließt nun – mit sehr viel Akribie und enormem Rechercheaufwand – diese popmusikalische wie historische Lücke. Zu hören gibt es dabei u. a. The O’Jays, Edwin Starr, Bill Whiters sowie Curtis Mayfield. Wobei die Aktualität dieser Antikriegslieder sowohl für die komplexen Soul-Perspektiven bezüglich des Themas sprechen wie gegen die Vorstellung einer sich auch nur irgendwie zum Besseren wandelnden Welt. Auch im Irak dienen in der Army (dem wohl größten „Arbeitsgeber“ für Afro-Amerikaner in den USA, neben Gefängniswerkstätten) überdimensional wenige White Boys.

Dem Zeitraum zwischen 1968/73 widmen sich auch The Temptations: „Psychedelic Soul“ (Motown/Universal), als unter der Regie von Norman Whitfield in Detroit nicht nur Tracks wie „Message From A Black Man“ und „Ball Of Confusion“ eingespielt wurden, sondern auch von Hendrix/Sly Stone kommend Soul zum prototypischen P-Funk (Parliament/Funkadelic) umtransformiert wurde. Was uns einige Quantentransformationen weiter zum Detroit-Techno-Pionier Jeff Mills und seinem „Exhibitionist Mix“ (React) bringt, wo mit gleich drei Plattenspielern der Motown-Psychedelic Soul zum intergalaktisch-afronautischen Voodoo-Techno wird.

Didi Neidhart