märz-april 2004

gelesen

Bücher

Kay Sokolowsky

Late Night Solo

Die Methode Harald Schmidt

Hamburg 2003, Konkret Literatur Verlag

Ende letzten Jahres erschreckte eine Hiobsbotschaft die Welt der Couchkartoffeln und insbesondere die einer quasi-religiösen Gemeinde: Harald Schmidt verkündete das Ende seiner Sat.1-Show. „Die Intelligenzia verliert ihren Konsens-Helden“, befand Roger Willemsen in der SZ. Das deutschsprachige bildungsbürgerliche Feuilleton – das Schmidt in seinen Sendungen immer wieder einmal zitiert und als „Rohstofflieferant“ für Witze benutzt, mitunter aber auch wohlwollend gelobt hatte – startete unverzüglich zum geistigen Amoklauf. Die Gemeindesprecher fanden plötzlich nur Worte des Lobes für ihren Heiland (das war nicht immer so). Manches davon kann man ihnen nicht abnehmen oder fällt unter die Kategorie: In den „Nachrufen“ (so weit ich weiß lebt Schmidt aber noch) zu Tode loben. Die Trauergemeinde, also die „einfachen“ Schmidt-Anhänger, veranstaltete gar Demos, sammelte Unterschriften und überreichte Protestnoten. Schon lange stand Deutschland nicht mehr so nahe am Rande eines (Volks-)Aufstandes. Wer denkt da nicht an den alten Protestsong „The Revolution Will Not Be Televised“?

Dabei machte der geborene Nürtinger Schmidt ja „nur“ Theater („Wir sind jetzt ein kleines Stegreif-Ensemble“). Der Hamburger Publizist Kay Sokolowsky beschreibt in seinem knapp vor der „Kreativpause“ erschienen ausgedehnten Essay dies und weitere Leistungen und Vorzüge des „Solitärs“ (der Autor über Schmidt). Viel gescheites gibt es in dieser Heldensaga zu lesen: Die Harald-Schmidt-Show als eine der letzten Bastionen (wenn nicht die letzte) von (gewollter) Ironie und Satire in der Flimmerkiste, der einzige Entertainer mit „Narrenfreiheit“ in diesem „närrischen Medium“, die permanente Selbstinszenierung und Kreation einer Bühnenfigur „Schmidt“, die Wandlung von der politisch unkorrekten Stand-Up-Comedy („Dirty Harry“) zum alternativen Bildungsfernsehen mit den Mitteln der Parodie (Schmidt liebt unter anderem Bach und Bernhard). Ein Verdienst des in angemessen polemischem Stil verfassten Buches ist die Herausarbeitung der Tradition, in der sich der „Solitär“ befindet: die geniale „Neue Frankfurter Schule“ (NFS), also Robert Gernhardt & Co. (siehe Kunstfehler April 99 und Juni 00). Eher kurios nimmt sich dabei die Kritik Sokolowskys an der NFS (verursachen heute keinen Skandal mehr, sind statt Avantgarde bloß noch Seminarthema) und deren Zentralorgan „Titanic“ („ein Witzblatt“ – das will ich doch stark hoffen!) aus. Eine Schrift ist kein Wunschkonzert, aber gern hätte man noch eine ausführlichere Replik auf die Vorwürfe, die Georg Seeßlen schon vor zehn Jahren in „Konkret“ gegenüber Schmidt erhob, oder über die Pionierarbeit Gerhard Polts gelesen. Trotzdem ein sehr gelungenes und kurzweiliges Buch, das die Wartezeit bis zur Rückkehr dieses Ausnahmeentertainers auf die Mattscheibe verkürzen hilft.

-doc-

Bernd Pfarr

Komische Kunst

Kein & Aber, 2003

Da tummeln sich Yetis, die „feudeln“, Tanzbären am Arbeitsamt, der bemitleidenswerte „Purzel“, demonstrierende Krokodile, zudem Menschen in Nicht-Ganz-Alltagssituationen und, ja, Gott. Wo befindet sich der Betrachter? Im erstaunlichen Kosmos des Zeichners und Schreibers Bernd Pfarr.

Hierzulande ist der Meister der Kombination Bild und Bildunterzeile wohl noch nicht so bekannt. Allerhöchstens „Titanic-Leser“ wissen Bescheid. Bernd Pfarr ist der Schöpfer von „Sondermann“. Besser kennen lernen können Sie diesen vermutlich (die Bildunterschriften lassen diesen Schluss zu) äußerst sympathischen Zeitgenossen aber nun in Buchform.

„Komische Kunst“ ist eine Art von Best-Of der letzten vier Jahre. Die grotesken Situationen, illustriert in der Art der alten Meister der klassischen Moderne, ergeben in Kombination mit den sorgsam gesetzten Bildlegenden jene Art von hintergründigem und intelligentem Humor, von dem die Cartoonistenwelt gar wenig hat.

Zücken sie Bargeld oder Kreditkarte! Und genehmigen sie Hirn, Herz und Auge „Komische Kunst“.

-toemml-