märz-april 2004

Fritz Peßl
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Probegalopp in Schwarz-Grün

Oberösterreich als Versuchslabor einer neuen Partnerschaft

Ein ungleiches Paar wurde am 23. Oktober 2003 aus der Taufe gehoben: Erstmals in Österreich schlossen ÖVP und Grüne in Oberösterreich knapp ein Monat nach den Landtagswahlen ein Koalitionsübereinkommen. Mehr als 100 Tage sind seither vergangen und nichts scheint schwarz-grüne Harmonie und Eintracht trüben zu können. Wo immer ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer und Grünen-Chef Rudi Anschober auftreten, zeigen sie demonstrativ, dass die Chemie zwischen den beiden besser nicht sein könnte. In möglichen Konfliktpunkten wird bereits im Vorfeld nach gemeinsamen Lösungsansätzen gesucht, sodass Unstimmigkeiten erst gar nicht an die Öffentlichkeit dringen.

Wenngleich Rudi Anschober eine Aufbruchstimmung im Land verspürt und die ÖVP von Meinungsforschern erheben ließ, dass die Bevölkerung das Bündnis mehrheitlich goutiert, richtige Bewährungsproben in Sachfragen blieben bislang erspart beziehungsweise wurden bewusst umschifft. Zahlreiche ÖVP-Politiker entdeckten ihre grünen Seiten, mehr Biolebensmittel in Spitälern, Schulen und Landesküchen, eine Investitionsoffensive im Bereich Ökoenergie sowie ein Schulsanierungsprogramm nach ökologischen Schwerpunkten sind nur einige Beispiele, die den guten Willen der Schwarzen im Arbeitsübereinkommen sichtbar machen. Und die Grünen waren in der Startphase vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Zunächst musste Anschober die Revoluzzer in der starken Linzer Fraktion zum Schweigen bringen, dann erfolgte der mühsame Umbau von einer Oppositions- zur Regierungspartei. Anschober will selbst den Beginn der sechsjährigen „Politehe“ nicht überbewerten: „Die Grünen haben Regierungsfähigkeit bewiesen und die politische Umstellung geschafft. Jetzt beginnt Teil 2, die Umsetzung des Arbeitsübereinkommens.“

Konflikte wegen völlig konträrer Interessen scheinen auf den ersten Blick unvermeidlich. Das Thema Verkehr birgt Sprengstoff: Für die Grünen könnten der Bau der äußerst umstrittenen Mühlviertler Schnellstraße S 10 und die geplante Linzer Donaubrücke zur Zerreißprobe werden. Sollte im Straßenbau nichts weitergehen, würde wohl der Wirtschaftsflügel in der ÖVP auf die Barrikaden steigen. Elegant und mit diplomatischem Geschick will Schwarz-Grün auch in dieser heiklen Frage agieren. Eine neue „Planungsphilosophie“ wurde angekündigt: In Zukunft sollen alle relevanten Fachabteilungen – darunter der Umweltschutz und der Umweltanwalt – von Anfang an beim Planungsprozess an einem Tisch sitzen.

Bereiche wie Ausländerintegration, Behinderte, Gleichstellung von Mann und Frau, die von der ÖVP lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt worden waren, stehen bei den Grünen ganz oben auf der Prioritätenliste. Die grüne Basis wird sich mehr als Signale erwarten, dass ihre Wünsche und Vorstellungen in einer Regierungspartnerschaft auch in die Tat umgesetzt werden. Und Anschober selbst erhielt als Umweltlandesrat ein Ressort mit 600 Bediensteten, dessen Zuständigkeiten sich früher zwei Landesräte teilten. Entsprechend hoch wird die Erwartung der eigenen Partei sein, bei Klimaschutz, Ökoenergie, Anti-Atom-∆ampf, Gentechnik und in Transitfragen zufriedenstellende Lösungen zu präsentieren.

Oberösterreich ist zwar nicht der Nabel der Welt, für ein Abtasten in Schwarz-Grün dürfte die Landespolitik dennoch die ideale Plattform sein. Die Kompetenzen sind sehr eingeschränkt, wirklich große Entscheidungen fallen in Wien und auf EU-Ebene. Empfehlungen, dass ein „links-konservatives“ Exempel auch auf Bundesebene zumindest einen Versuch wert wäre, wagt bei aller Euphorie niemand abzugeben. Mit einem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sicher nicht, ist stets von grüner Seite zu hören. Unüberwindbare Gegensätze wie der Kauf von Abfangjägern oder die restriktive Asylpolitik zeichnen sich auf Landesebene nicht ab. Zudem hat der Landeshauptmann angekündigt, den Partner in der ersten Legislaturperiode zwar fordern, aber keinesfalls überfordern zu wollen.

Pühringer selbst hat mit der Umstellung seiner Ernährungsgewohnheiten auf Trennkost – mit viel Gemüse – vor einigen Jahren bereits die Trendwende vorweggenommen. Marathonläufer und Radfahrer Anschober überlegt noch, ob er wie ein „normaler Landesrat“ das ihm zustehende Dienstauto in Anspruch nehmen wird. Und wenn ja, welches? Fiat Punto, Opel Corsa oder standesgemäß einen Audi A 6, BMW 745, in denen sich ÖVP-Regierungsmitglieder chauffieren lassen.