märz-april 2004

Markus Grüner
grausame orte

Magazin

Wein um des Weines Willen

Alles schreibt übers Essen, jeder spricht übers Trinken. Stundenlang, enthusiastisch, erbittert. Wenn andere Gesprächsthemen nichts mehr hergeben, aber bloßes Schweigen nicht mehr ausreicht, so bewährt sich Kulinarisches als dauerhafter Ideengeber in einer trostlosen und gezwungenen Runde. Der Wein als Thema ist ohnehin schon lange zur Grundausstattung des intellektuellen Gut-Menschen geworden, man hat seinen eigenen Weinbauern, einen, den sonst keiner kennt, der nur ganz wenige Flaschen pro Jahr herstellt, aber doch gar nicht so teuer ist, und wenn schon – für so einen Tropfen muss man eben was hinlegen. Die Unkenntnis über klassische Weingegenden, Traubensorten oder Lagerungsvarianten wird zum peinlichen Moment, in dem die Gesprächspartner mit einem milden Lächeln zu Verstehen geben, dass diese Bildungslücke unverzeihlich ist. Viel mehr noch, die nächsten zwei Stunden fühlt man sich wie eine kranke Kuh, der verzweifelt die Grundlagen der Rebkunde eingebläut werden – bei permanenter Dauerverkostung, versteht sich.

Zum passenden Thema der passende Ort: In Salzburg eröffnete vor wenigen Monaten das „Magazin“. In einem schicken Hinterhof in der Augustinergasse versucht man „mehr“ zu sein. Mehr als ein Restaurant, eine Vinothek, eine Kochschule, ein Blumengeschäft, ein Delikatessenladen –, all das reicht nicht aus: Das „Magazin“ bezeichnet sich als ein Ort des Genießens und der Lebensart. Tatsächlich wurde auf die Ausstattung besonderer Wert gelegt: perfektes Design, beeindruckende Menüs und eine Weinkarte wie ein Telefonbuch.

Aber das Entscheidende fehlt: Die Atmosphäre. Leblos wie in einem Messestand für Innenarchitekten – man staunt über das viele Geld, das in diesen Schautempel gesteckt wurde. Aber Stil kann man sich nicht kaufen.

Eine Armada von Servicepersonal mit sympathisch überfordertem Gesichtsausdruck versucht sich alles zu merken, was da angeboten wird, der Chef bemüht sich und erkundigt sich nach dem Befinden. Jeder hier macht seinen Job – und das gar nicht schlecht. Aber alles zusammen ist nicht echt – ein gut gemachter „fake“.

Beim Verlassen des Lokals müht man sich durch die Stehbar, an der eine spießige Yuppiebande mit bewusst entspannter Körpersprache den Ort Salzburg allgegenwärtig macht. Ein Lokal für „Gastgebermenschen“ wird in der „Magazin“-Homepage verkündet. Also doch wieder nur ein Lokal für ganz bestimmte Menschen – Salzburg ist zu klein für die Größe seiner Schickeria, und die hat diesen Ort sofort erobert.