dezember 2003 - jänner 2004

Doc Holliday
geschaut

Mehr als eine Beschäftigungstherapie

Einige Anmerkungen zur dritten „Klappe“, dem Salzburger JugendFilm- und VideoFestival

Am Anfang steht der Respekt: Einerseits vor den jungen FilmemacherInnen (die natürlich in der Realität durchwegs mit digitalen Videoformaten arbeiten), andererseits vor dem tatkräftigen Enthusiasmus der OrganisatorInnen, die sich aus den MitarbeiterInnen der fünf Vereine Aktion Film, Offscreen, Studio West, Spektrum und Zone 11 rekrutieren. 98 Beiträge liefen heuer in den zwei Sälen des Salzburger Filmkulturzentrums, davon nahmen 56 am Wettbewerb teil – es gab Preise in sieben Kategorien zu gewinnen, dazu noch zwei lobende Erwähnungen und ein Stipendium der Sommerakademie. Alle gezeigten Arbeiten besitzen zumindest zwei gemeinsame Kennzeichen: Die geringen finanziellen Ressourcen (die nur unter „No Budget“ eingeordnet werden können), und den durchgängig erkennbaren Willen zur formalen Gestaltung. Die gelingt einmal mehr, ein andermal weniger. Besonders ins Auge sprang in negativer Hinsicht die bisweilen wahllose und übermäßige Anwendung digitaler Effekte (etwa von Blenden).

Zu den formal überzeugenden Arbeiten gehörte wieder einmal eine Zone 11-Produktion: „mono“ (Regie: Filmkombinat) erzählt von der Schwierigkeit des Zusammenlebens zweier junger Frauen und wurde im Frühjahr auch zur „Diagonale“ nach Graz eingeladen. Ein sehr witziger Zugang zu ihren Themen zeichnet die Arbeiten von Zlatan Kozlica und Muhamed Vehabovic aus. Es liefen der etwas andere Dokumentarfilm „Ein Horn/Ein Mazda/Zwei Bosna“ und der mit dem Sonderpreis der Jury bedachte „Anti-Nike-Spot“.

Mit Spannung erwartet wurde auch der Programmpunkt „Filmmelange“ - eine Diskussion über jugendliche Filmarbeit mit ausgewählten Videobeispielen. Der ursprünglich angekündigte Kulturchef und Filmkritiker des Standard, Claus Philipp, sagte leider kurzfristig ab. Das konnte zwar durch die „Verpflichtung“ des früheren kf-Redakteurs und veritablen Szenekenners Mario Jandrokovic mehr als kompensiert werden, trug aber zu einigen „Missverständnissen“ bei. Claus Philipp hatte nämlich den deutschen Spielfilm „Nach fünf im Urwald“ von Hans-Christian Schmid aus dem Jahr 1995 als „ein erfreuliches Beispiel dafür, dass das Thema „Jugendlichsein“ im Film echt und ohne Klischees umgesetzt werden kann“ (Philipp im Programmheft) ausgewählt. Was die Mehrzahl der anwesenden Jugendlichen und der Pädagogen offenbar anders sah. Daraus ergaben sich einige zentrale Fragen, gefolgt von zumeist wenig produktiven Antwortversuchen: Was ist überhaupt ein Jugendfilm? Wozu machen die Kids überhaupt Filme? Welche Intentionen und Ziele verbinden die Erwachsenen (etwa Lehrer und Betreuer) mit der Filmarbeit? Implizit ließen einige Diskussionsbeiträge den Schluss zu, dass wenig oder gar keine Lust besteht, die nun einmal existierenden Disziplinen Filmtheorie, Filmwissenschaft, Filmkritik ernst zu nehmen und sich mit ästhetischen Beurteilungen und Kriterien auseinandersetzen zu wollen.

Die zur Klappe geladenen MacherInnen sind normalerweise im Alter zwischen zwölf und zweiundzwanzig. Schmid, der zu Recht als einer der besseren deutschen „Jungfilmer“ gilt, realisierte „Nach fünf im Urwald“ im Alter von 30 Jahren. Dass die Geburtsurkunde oder das Budget irgend etwas über Relevanz und Qualität eines Films aussagt, scheint doch mehr als fragwürdig. Zumal im Filmgeschäft die Chance eine größere Produktion zu realisieren meist erst in einem fortgeschrittenen Alter gegeben ist. Vielleicht hätte man ja auch eine frühere Arbeit Schmids diskutieren können: Ganze neun Filme machte der Altöttinger bis 1995, den ersten im wohl noch jugendlichen Alter von 20!

Andere zentrale Fragen wurden leider erst gar nicht gestellt: etwa zur Rolle und den Verwertungsmöglichkeiten des Kurzfilms. Der findet auch in den TV-Anstalten immer weniger Nischen. 3-Sat und ARTE (mit dem sehr empfehlenswerten Magazin „KurzSchluss) bilden löbliche Ausnahmen. Der ORF schreibt zwar den Wettbewerb „Shorts On Screen“ aus, aber es fehlt eine kontinuierliche Präsentation und Präsenz im Programm. Kurzfilme im TV gibt es dafür in TW1: jeden Sonntag in Form eines einstündigen Magazins mit dem Titel „kurz & quer“.