dezember 2003 - jänner 2004

Juliane Alton

Bei der Förderung freier Theater ist „Best Practise“ eine Frage des Blickwinkels

Nachtrag zur „freien Theaterszene Salzburg“ / »kunstfehler« November ’03

Für die Kulturpolitik ist die beste Förderpraxis jene, in der die Szene sich im Alltag überhaupt nicht bemerkbar macht, aber immer wieder Anlass zur stolzen Präsentation von Erfolgen gibt. Für die Interessenvertretung ist die beste Förderpraxis jene, die entsprechend ihrer eigenen Aufgabenstellungen einer breiten Szene Entwicklungsmöglichkeiten gibt und die Mitsprache der freien Theaterschaffenden in Fragen der Theater- und Förderpolitik garantiert.

Für das Publikum ist die beste Förderpraxis jene, die für eine Vielzahl von hochqualitativen, leicht zugänglichen Theatervorstellungen landauf, landab sorgt. Die Kritik bevorzugt eine Förderpraxis, die Festivals, international herzeigbare Highlights und grandiose Misserfolge – alles nicht in zu großer Zahl – hervorbringt. Für die freien Theaterschaffenden selbst ist die Förderpraxis am besten, die den Bedürfnissen der aktuellen Produktionspraxis entspricht (auch was die Fördersummen betrifft), die künstlerische Arbeit ernst nimmt und der Auseinandersetzung mit den Inhalten Raum gibt.

Ich halte es durchaus für möglich, den berechtigten Interessen vor allem der Künstler/innen und des Publikums gerecht zu werden. Im Folgenden kurze Schlaglichter auf interessante Elemente der Förderpraxis einiger europäischer Länder:

Schweden

Dort geht man in traditioneller sozialdemokratischer Denkweise von den Bedürfnissen der Allgemeinheit aus. Der Versorgungsgedanke steht im Vordergrund: auch in den dünn besiedelten Gebieten z. B. nördlich des Polarkreises hat die Bevölkerung Anspruch darauf, bestes Theater in allen Formen präsentiert zu bekommen. Deshalb setzt die Förderung stark auf ein Gastspielsystem, in das grundsätzlich alle Theater (Oper, Cullbergballett, freie Gruppen, Königliches Dramatisches Theater ...) eingebunden sind und das finanziell sehr gut ausgestattet ist. Die Produktionsförderung wird vom „Staatlichen Kulturrat“ administriert, einem gremialen Organ im Einflussbereich des Kulturministeriums.

Die freien Gruppen haben sich dort selbst die Einhaltung kollektivvertraglicher Mindestgagen auferlegt, obschon die Förderungen auch in Schweden hierarchisch organisiert und die Freien somit benachteiligt sind.

Niederlande

Die Niederlande erhalten wenige nationale Institutionen im Theaterbereich mit gesicherten Betriebssubventionen, alles andere ist „frei“ und muss sich zu denselben Bedingungen um Förderungen für Produktionen, Betrieb, Touring etc. bewerben. Die verschiedenen Ebenen öffentlicher Verwaltung (Staat, Region, Gemeinden) übernehmen dabei unterschiedliche Aufgaben: Auf staatlicher Ebene entscheiden Beiräte über die Vergaben von Produktionsförderungen. Die Regionen kümmern sich um die Förderung der Gastspieltätigkeit, die Gemeinden erhalten die Häuser. Diese Aufgabenteilung erscheint deshalb sinnvoll, weil sie im Prinzip den Interessen der jeweiligen Ebenen entspricht: in der Hauptstadt (traditionell progressiv) werden mit den Produktionszuschüssen die Inhalte mitbestimmt. Die Regionen tragen die Verantwortung für die kulturelle Versorgung der Bevölkerung, die Gemeinden nutzen die Spielstätten, mit denen sie

sich identifizieren, natürlich nicht nur für Theater und sind für deren Funktionalität verantwortlich. Die „theatrale Klassengesellschaft“ ist in so einem System weitgehend eliminiert.

Kroatien

Hier gibt es Förderungen für Theater abseits der nationalen „heiligen Kühe“. Deshalb sind Gruppen wie „Mala Scena“ auch international präsent. Die kommunale Förderung (in Zagreb) ist allerdings auch mit massiven Einschränkungen verbunden, z. B. mit konkreten Programmwünschen der Stadt.

Im übrigen gibt es in den slawischen Ländern und in Ungarn kaum öffentliche Förderungen für Freies Theater. Wo Theatermacher/innen ihren Broterwerb z.B. an staatlichen Häusern sichern können, sind sie in vielen Fällen darüber hinaus aktiv und produzieren frei. Die Stiftung Pro Helvetia ist eine der wenigen Förderinstitutionen, die sich die Förderung der freien Kulturarbeit in den osteuropäischen Ländern zum Ziel gesetzt hat.“