dezember 2003 - jänner 2004

Markus Grüner
grausame orte

Sehnsucht nach dem Pausentee

Die Leidensfähigkeit der Salzburger Fußballfans wurde in den letzten Monaten unverhältnismäßig strapaziert. Erst der Scheich (ohne Geld), dann der konsequente Aufenthaltsort Tabellenkeller und dann auch noch das Dilemma mit der Kunst. Eben jener Rasen ist die Unterlage im neuen Stadion Klessheim, der schmucken „Multifunktionsarena“ in Salzburg. Nur der internationale Fußball funktioniert hier nicht. Hat die UEFA erst den Kunstrasen finanziell kräftig unterstützt, so musste man jetzt den Aufschlag zahlen, denn UEFA-Cup-Spiele dürfen in der laufenden Saison nicht auf Kunstrasen ausgetragen werden. Auch kein Beinbruch, dachten sich die Verantwortlichen, als der Erstrundengegner Udine zugelost wurde, für ein Spiel geht man einfach nach Linz, in den legendären Europapokal-Spielen der Salzburger pilgerten die Fans sogar nach Wien.

Die Tragödie nahm ihren Lauf: Unter Ausschluss der (Fernseh-)Öffentlichkeit warf man Udine überraschend aus dem Bewerb, und der nächste prestigeträchtige Gegner stand vor der Tür – der AC Parma. Also noch mal ab nach Linz. „Kultur und Sportstadt Linz“ steht über dem Stadioneingang. Der sensible Salzburger zuckt bei dieser Formulierung kurz zusammen, aber für mögliche Lösungen eigener Identitätsprobleme bleibt keine Zeit, der Blick wandert sofort Richtung Spielfeld. Um dieses optisch zu erfassen, muss das geschulte Fußballerauge allerdings noch die rote Laufbahn überwinden, auf der entspannte Exekutivbeamte lässig flanieren. Dann noch über die elektrische Bandenwerbung, die in Spielminute 24 selbstständig den Stroboskopmodus anwählt und damit eine Spielunterbrechung herbeiführt, und schon erkennt man schemenhaft die 22 Akteure. Fußballerherz, was willst du mehr. Das Spiel ist gelinde gesagt erbärmlich, der SV Unvermögen gegen den AC Unwillig, aber das ist auch nicht neu. Mit Fortdauer des Spieles werden die Eigenheiten des Linzer Stadions spürbar. Vor allem die Klappsessel aus Aluminium haben die physikalische Eigenschaft, die Außentemperaturen hervorragend auf das Gesäß zu übertragen, und es ist richtig „arsch“-kalt. Die gastfreundlichen Linzer haben sich vor dem Spiel vom Italiener um die Ecke noch ein Tischtuch geborgt und dieses auf den Fahnenmast neben dem „rot-weiß-roten“ Banner gehängt. Und die wenigen neutralen Einheimischen Zuschauer erkenne auch bald die Trostlosigkeit des Spielgeschehens, mit anhaltenden „Linzaaa! Linzaaa!“ Rufen demonstrieren sie wer hier eigentlich Heimrecht hat. Einzig Herausragend die Pausenshow: 15 mittelalterliche Herren im wintergrauen Arbeitsmantel versuchen, mit Rechen und Schaufel ausgerüstet, die herausgetretenen Rasenteile wieder ordentlich im Spielfeld zu verankern. Mit bescheidenem Erfolg. Das wäre im Salzburger Stadion nicht passiert, der Kunstrasen hätte aller Zerstörungswut der Stollenschuhe getrotzt.

Beim Verlassen des Stadions, beim Spielstand von 0:3 (Endstand 0:4), sagte ein Fan hinter mir sichtlich erleichtert: „Jetzt brauchen wir wenigstens nicht mehr nach Linz fahren.“ Wer die Salzburger Austria herumstehen sehen will nicht, ansonsten ist ein solcher Besuch nur zu empfehlen.