november 2003

geschaut

Geschaut

Fernsehen bis es Weh tut!

Vorsätzlich inszenierter Trash ist im besten Fall so selbstentlarvend wie Pop-Star-Casting-Shows, in denen angehende Pop-Klone mit Argumenten wie „Das bist nicht Du” am Klonewerden gehindert werden. ATV+, der nun österreichweit via Antenne zu empfangende Sender für „Echtes Leben und wahre Gefühle“ Made in Austria macht da schon überhaupt gar keine Ausnahme. Und das nicht nur wegen leicht bekleideter und mit der Muttersprache kämpfender Wetter-Ansagerinnen. Auch von ursauschlechten LaiendarstellerInnen nachgespielte Kummerkasten-Shows, die nicht einmal als Verfremdungs-Effekte, im Sinne von Brechts Anti-Illusions-Strategien genossen werden können, wie „Psychologin Mag. Tanja „Da-steckt-doch-mehr-dahinter” G(r)userl – Die Stunde der Wahrheit“ oder „Vertrauensarzt Dr. med. M. „Ich-glaube-sie-brauchen-eine-Therapie“ Ehrenberger“ haben ihre Qualitäten. Etwa angewandten Zen-Buddhismus („Sie müssen jetzt den Weg gehen, den der Weg geht.“). Da kann auch die vom Freund der Tochter schwangere Mutter nicht anders, als „reden wollen.“ Schweigen wollen wir hingegen von der Reality Soap „Die Lugners“ (Untertitel: „Was kostet die Welt?“), außer es stellt sich heraus, dass der eigentliche Initiator dieser „Saudummen Streiche der Neureichen“ die KPÖ ist.

Wobei hier eigentlich nur gezeigt wird, was ein von allen Zwängen (Kultur/Bildungsauftrag) befreiter ORF auch machen würde, dürfte er so wie er gerne könnte.

Die „Seitenblicke“ heißen dann halt „Hi Society“ und Ex-Ö3-Kalauerhausmeister Dominic Heinzl kann endlich über das nicht vorhandene Maturaniveau diverser von „Starmania“-Sternchen herziehen. Dafür sind Infotainment-Formate für den kurzen Kurzzeitgedächtnisblitz wie „Echt“ (ATV+) und „25 – Das Magazin“ (ORF) kaum noch zu unterscheiden. Was bleibt ist die einzig wirklich ernstzunehmende Kino-Sendung im Privat-TV (von Österreich ganz zu schweigen), nämlich „Popcorn“, wo angebliches Hits und Blockbuster wie „Terminator 3“ ebenso ihre Watschen bekommen wie DVDs ohne Special Features und „französische Problemfilme mit viel Gesprächen und wenig Handlung“. Wenn dann noch Hermes Phettberg seine Show und Josef Broukal eine Fotogalerie auf der Homepage bekommt (wie die ATV+-Wettermädchen), kann fernsehen schon wieder spannend werden. Kann...

Didi Neidhart

Zoom auf die „Unschärfen“

Am 10. Juni dieses Jahres präsentierte Initiator David Brenner (SPÖ-Landtagsabgeordneter und Leiter des Salzburger Renner-Institutes) zusammen mit seinen Partnern (von der Galerie Fotohof und Historikern der hiesigen Uni) das Projekt „Unschärfen“ (der »kunstfehler« berichtete): Eine Postkartenedition, die mit acht ausgewählten Beispielen (Straßennamen und Gedenktafeln) auf die andauernde Präsenz des nationalsozialistischen Ungeistes in der Mozartstadt aufmerksam macht. Was geschah seit der Vernissage? Wie wurden die „Unschärfen“ auf- und wahrgenommen?

„Das Projekt war ein großer Erfolg“, erklärt Brenner erfreut. „Innerhalb von zwei Wochen sind nahezu alle Exemplare von der Auflage mit 2000 Stück verschickt worden. Heute gibt es nur mehr Restbestände für unser eigenes Archiv“. 55 Kultureinrichtungen im ganzen Bundesland Salzburg legten die Postkarten kostenlos auf. Alle Fachvorstände der Salzburger AHS- und BHS-Geschichtslehrer erhielten einen Folder. Darüber hinaus verzeichnete das Renner-Institut unzählige Anfragen von Institutionen (darunter etwa dem Katholischen Bibliothekarswerk) und Einzelpersonen. Auch mit dem Interesse im Internet zeigt sich Brenner zufrieden. „Im Juli hatten wir 100 Zugriffe pro Woche. Obwohl das Projekt weitgehend abgeschlossen ist, besuchen noch immer zwei bis drei Personen täglich die Homepage “. Darüber hinaus gab es natürlich zahlreiche schriftliche Reaktionen. „Neun von zehn waren positiver Natur”, schätzt der Leiter der politischen Akademie der SPÖ. Wer sich in Österreich mit dem noch immer heiklen Thema NS-Vergangenheit und dessen „Aufarbeitung” auseinandersetzt, braucht sich über Kritik von den üblichen Verdächtigen nicht wundern. Der FPÖ-Gemeinderatsklub schickte einen Brief samt beiliegendem Abstimmungsformular (für oder gegen eine Umbenennung) an die Bewohner der in der Edition vertretenen Thorakstraße. In dem von Vizebürgermeister Mitterdorfer und Klubobfrau Tazl gezeichneten Schreiben wird „Unschärfen” als ein „fragwürdiges Projekt”, das „stark inquisitorische Züge trägt”, klassifiziert. Wenig überraschend auch, dass die vom DÖW als rechtsextrem eingestufte „Volkstreue Soziale Ordnung (VSO)” des Salzburgers Fritz Rebhandl in ihrem Periodikum „Der Volkstreue” keinen Gefallen an den Postkarten findet und „deutsches Volkstum und Kunst” unter Beschuss sieht. Der hiesige Obmann des Veteranenverbandes Kameradschaft IV, Kurt Sexlinger, fühlt sich verpflichtet das alljährliche „Heldengedenken” am Kriegerdenkmal des Kommunalfriedhofs gleich in zwei Schreiben zu verteidigen. Dass dort zu Allerheiligen nicht nur der Toten, sondern auch der braunen Ideologie (in Form von NS-Abzeichen und -Insignien) gedacht wird, stellt der Veteranenführer in Abrede. Die (auch) aus diesem Briefwechsel ersichtliche Unbelehrbarkeit zeigt einmal mehr, dass die Sensibilisierung der Öffentlichkeit notwendig und eine Ausweitung des Projektes auf Bezirks- und Landesebene wünschenswert ist.

Ob letzteres geschieht, wird der »kunstfehler« beobachten. Dass es frühestens nach den nächsten Wahlen passieren kann, steht für David Brenner außer Zweifel.

Doc Holliday