november 2003

gehört

Musik

Das Geile Institut

An alle Schafe

Selbstverlag in Zusammenarbeit mit Bingo-Sound, 2003

Das Geile Institut (gemeint ist hier die Band, nicht eine flapsige Reminiszenz an die hiesige Psychologie-Uni zu Zeiten der Lehrtätigkeit von Sexpapst Ernest Bornemann) mag bislang nur einer Schar von Eingeweihten bekannt sein. Das aber sollte sich mit Erscheinen ihrer ersten CD schlagartig ändern. Die vier Musikanten besitzen bereits reichlich Studio- und Bühnenerfahrung, da sie allesamt mit sehr unterschiedlichen Künstlern für Platten-, Film-, Videoproduktionen und bei Live-Shows zusammengearbeitet haben – und dies neben den institutseigenen Fachvorträgen auch weiterhin tun. Kurt Ostbahn, Foggy Dew, Die Querschläger, Josef Hader, Dieter Feichtner – um nur einige Namen zu nennen – erfreuten sich der Begleitung durch einzelne Institutsvertreter. Die da sind: H. C. (Gitarren und Stimme), Daniel Schröckenfuchs (Tasteninstrumente und Chorgesang), Andy Grabner (Schlagwerk und Chorgesang) und last but not least René Zechner (Bass und sie ahnen schon welcher Gesang). Dass hier keine Anfänger die Instrumente bedienen, schnallt der geneigte Hörer vom ersten der insgesamt elf Tracks an. Fette funkige Grooves, die meist Richtung Rock, bisweilen zum Jazzigen hin neigen. Dazu deutsche Texte, garantiert dialektfrei, mit stark surrealer Schlagseite. Bisweilen wirkt die textliche Bedeutungsebene etwas überladen (Poesie ist geil?!), aber das stellt die Ausnahme dar. Die musikalische Ebene mit den feinen Arrangements, der unverkennbaren Spielfreude der Akteure und der sauberen Produktion (für die die Band in Zusammenarbeit mit dem Münchner Georg „Schurrrl“ Krumpholz verantwortlich zeichnet) verschafft in jedem Fall ein positives Hörerlebnis. „An alle Schafe“ oder das „Polizisten“-Lied besitzen ob ihrer Eingängigkeit gar echte Hitqualitäten. Zudem treffen einige skurril-witzige Texte genau ins Schwarze und lassen mitunter (in Tateinheit mit dem Sound) Erinnerungen an Gruppen der Neuen Deutschen/Österreichischen Welle oder des heimischen Rock-Cabarets hochkommen. Hansi Lang, die Hallucination Company oder auch Schröders Roadshow bilden Referenzpunkte. Ein gelungenes Debut. Inskribieren sie noch heute, damit sie endlich genau wissen, wer ihr bester Freund ist!

Doc Holliday

Tipp: CD-Präsentation & Party am 21. 11. in der ARGEkultur

Iggy Pop

Skull Ring

Virgin 2003

2003 ist das Jahr, in dem er wieder Kontakt aufnahm. Der agile Rock-Opa James Osterberg aka Iggy Pop beendete zu Jahresbeginn mit einem Telefonanruf die gut 30jährige Trennung der legendären Stooges. Gitarrist Ron Asheton und Bruder Scott (Schlagwerk) begruben die alten Differenzen mit ihrem ehemaligen Sänger, und alle drei standen nach dieser langen Unterbrechung heuer erstmals wieder gemeinsam auf einigen wenigen ausgewählten Bühnen in den USA, Spanien und Frankreich. Die Ur-Stooges (natürlich ohne den bereits verstorbenen Bassisten Dave Alexander) spielten vier neue Stücke für diese CD ein, die vor allem eines eindrucksvoll beweisen: die alten Herren fabrizieren noch immer göttlichen Lärm. Die Mehrzahl der insgesamt 16 Lieder interpretiert Iggy mit seinen Studio- und Bühnenbegleitern der vergangenen Jahre (unter der Führung des Gitarristen Whitey Kirst), die jetzt auf den drolligen Namen The Trolls hören. Zwei Songs gibt Mr. Pop mit Green Day, einen mit Sum 41 (im ansonsten wenig aufregenden Fach Pop-Punk für Teenies rettet Iggy die Tracks dank seines Charisma- und „Supermarket” klingt immerhin nach den Ramones). Bei zwei weiteren Liedern handelt es sich um eine Zusammenarbeit mit der Electro-Punklady Peaches, und in einer Soloakustikversion des alten Mississippi Fred McDowell-Blues „Till Wrong Feels Right” rechnet der Pate des harten Rock mit dem jämmerlichen Zustand der heutigen Musikindustrie und deren willigen Vollstreckern in Radio und TV ab. Etwas Kulturkritik darf es schon sein. Der Rest aber ist (bis auf das grüblerische „Inferiority Complex”) die Essenz des ROCK: roh, direkt, kompromisslos. Die Auferstehung der Stooges wird übrigens demnächst mit weiteren Tonträger-Einspielungen und Konzerten fortgesetzt.

Doc Holliday

Various Artists

The Ultimate 50's Rockin' Sci-Fi Disc

Viper/Ixthuluh

Abteilung Unglaublich seltsame Musik. Als am 4.10. 1957 der Sputnik in den Orbit geschossen wurde, war dies auch die Geburtsstunde von Space-Rockabilly. Einer ganz und gar unamerikanischen Seitenlinie ultraobskurster Trash-Rock'n'Roll-Ausgeburten. Denn hier geben weder der Sputnik noch (sowjetrussische) Aliens vom „Red Planet Mars” (so ein damaliger Sci-Fi-Filmtitel) das Futter für paranoide Bedrohungsszenarien ab. Dafür wird auf den Kalten Krieg geschissen und stattdessen das Weltall als sozusagen neu zu entdeckender Partykeller verstanden. Etwa von Jimmy Stewart, der in seinem auch schon von den Cramps gecoverten Klassikaner „Rock On The Moon” auf die NASA pfeift und mit einem Sputnik (!) auf dem Mond landen will, um „The First Rocker In Outer Space” zu werden. Weiter wagt sich Terry Dunavan mit „Rock It On Mars” vor. Dort trifft er auf Marsianer die durch Jahrmillionen wildester Musik die eigentlichen Erfinder von Rock'n'Roll sind. Was durch eine mehr als abgespacte Rockabilly-Gitarre auch überdeutlich unterstrichen wird. Mehr ein Fall für CIA/FBI sind hingegen Bekenntnisse wie Nelson Youngs „Rock Old Sputnik”, wo es ganz deutlich heißt „We're gonna rock old Sputnik to the moon!” Also bitte, wer ist in diesem Fall „Wir”? Die „Fünfte Kolonne”? Die kommunistische Partei der USA? Die Illuminaten? Eben! Ganz spezielle Country & Western-Wünsche bezüglich der bemannten Raumfahrt hat hingegen Jackie Lowell. Zwar wird nie klar, warum er einen „Rocket Trip” machen will, Hauptabtrieb ist jedoch ein herzhaftes „to get away from it all”. Bleibt die Abteilung Unheimliche Begegnungen der dritten Art. Auch hier stellen wir fest: Egal was Pentagon & Hollywood zum Thema außerirdische Kontakte auch an xenophobem Unsinn abliefern mochten, im Rock'n'Roll-Universum gibt es so gut wie keine bösen Aliens. Eher schon Brüder & Schwestern im Geiste, die entweder als „Martian Band” (The Wild Tones) in Rock'n' Roll-Mission erscheinen oder als „Man From Mars” (Butch Paulson), mit einem zum Hot Rod auffrisierten UFO intergalaktisch herumflitzen.

Von all den komischen Geräuschen aus der Steinzeit elektronischer Modulationen ganz zu schweigen. Kult!

Didi Neidhart