november 2003

Thomas Randisek

Zwischen Bewahrungs- und Aufbruchkulturen

Meinungen zur Kulturpolitik des Landes Salzburg

Runde zwei der kunstfehler-Erhebung zu den kulturpolitischen Empfindsamkeiten. Diesmal haben wir sieben KulturmacherInnen aus dem Land Salzburg jene Fragen gestellt, die wir in der vorigen Ausgabe den städtischen Kulturschaffenden gestellt haben: Welche kulturpolitischen Erwartungen hatten Sie in die Kulturpolitik des Salzburger Landtages? Inwieweit wurden diese Erwartungen erfüllt/nicht erfüllt, und: Welches sind ihrer Meinung nach die wichtigsten kulturpolitischen Aufgaben für die kommende Legislatur-Periode? Hier sechs Antworten, Gerhard Eder (Jazzfestival Saalfelden, Kunsthaus Nexus) blieb uns die Antwort schuldig.

Jürg Stenzl

ist Musikwissenschafter an der Paris-Lodron-Universität und Vorsitzender des Salzburger Landeskulturbeirates

Nochmals: Die kulturellen Grenzen zwischen Stadt und Land Salzburg sind politischer (damit allerdings auch parteipolitischer) Natur. Sie entsprechen nicht der Realität einer mobilen Bevölkerung.

Die Kulturausgaben für die Stadt und für das Land klaffen allerdings im Kulturbudget des Landes Salzburg weit auseinander. Zu einem guten Teil begründet: Museen, Landestheater, Rockhouse – aber eben auch der Koloss Festspiele – stehen in der Stadt und nicht in den Bergen. Wenn die Festzeit der eingekauften Sommerkultur am 1. 9. vorbei ist, der Kulturalltag des Hausgemachten einkehrt, findet Kunst weiterhin vornehmlich in der Stadt statt. Die Schere klafft jedoch nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern ebenso zwischen den institutionalisierten Kulturinitiativen und den Mitteln für neue Initiativen; sie klafft erst recht zwischen den Bewahrungs- und den Aufbruchskulturen und zwischen den Investitionen in Materielles (am liebsten Bauten) und in die Personen, die das machen, was Bauten erst mit vielfältigstem Kunstleben füllt. Wer bauen will, Museen etwa, sollte (vor der Ausschreibung von Wettbewerben) zukunftsweisende Konzepte erarbeiten, Konzepte, die die anderswo seit Jahrzehnten anhaltende Diskussion kennt und einbringt, beispielsweise zur Frage „Museum heute?“. Gerade auf dem Land – Nexus in Saalfelden – wurde Stadt und Land Salzburg vorgeführt, dass Kreativität und Professionalität dem Beton vorangehen müssen.

Nichts wäre in einer Zeit, wo Kulturausgaben (ohne Teuerungsausgleich) gedeckelt werden und auf die Dauer keineswegs gesichert sind, für die Kulturlandschaft Salzburgs gefährlicher, als „Kulturkriege“ auf der Basis solcher Widersprüche. Mehr Planungssicherheit ist in den letzten Jahren, aller Kürzungen zum Trotz, erreicht worden. Aber es fehlt an einem entscheidenden zusätzlichen Topf, dem Risikotopf: Er muss bereitstehen für das und die, die sich erst durchsetzen müssen. Kein Topf für modische Musicals und Gewohnte (in allen Sparten), sondern ein Topf für Ungewohntes (das auch aufs Land gebracht wird), keine zusätzliche Bestätigung eines festgefahrenen Kulturverständnisses, sondern einen zusätzlichen Risikotopf für all das, was unsere kulturellen Horizonte erweitert.

Sepp Grabmaier

ist Hausmeister des Kulturzentrums „Jazz im Sägewerk“ / Bad Hofgastein

Kunst und Kultur ist ein wesentlicher Aspekt der Identität der Menschen. Wenn nun unter Kunst und Kultur von öffentlicher Seite vielfach nur die Bewahrung des kulturellen Erbes verstanden wird und dahin auch ein großer Teil der öffentlichen Gelder fließt, wird sich deren Identität in diesem Zusammenhang nicht weiterentwickeln können. Auf andere Lebensbereiche übertragen hieße das, mit der Postkutsche von Gastein nach Salzburg fahren zu müssen. Entwicklung und Förderung von neuen Kunst- und Kulturformen ist also unumgänglich für unsere Gesellschaft und kann sich nur aus einer entsprechenden Vielzahl von Personen und Einrichtungen die um diese Belange bemüht sind, heraus entwickeln. Diese gilt es zu erkennen und entsprechend zu fördern, damit die hier lebenden Menschen an diesen Entwicklungen teilhaben und damit eine zeitgemäße Identität in diesem Zusammenhang erlangen können. Um eine kontinuierliche und nachhaltige kulturelle Entwicklung auch im ländlichen Raum dauerhaft zu erreichen, ist eine Absicherung professioneller Arbeit in den regionalen Kulturzentren in Form von hauptberuflich beschäftigten Personen aus meiner Sicht unbedingt notwendig.

Ernie Gadenstätter

ist Leiterin der Galerie Zell am See

Meine Erwartungen in die Kulturpolitik des Landtages sind, dass schwerpunktmäßig Minderheitenprogramme und nicht mehrheitsfähige Programme gefördert werden. Es sollten also gesellschaftspolitische Signale ausgesandt werden, dass Programme (in allen Sparten) mit anspruchsvollen, innovativen, auch unspektakulären Inhalten gewünscht, ermöglicht und gefördert werden. Programme, die das geistige und intellektuelle Leben in einem Land heben. Zur Zeit liegt die Förderung in erster Linie auf Programmen, die großen Unterhaltungswert und daher naturgemäß großen Publikumszuspruch finden. Diese Programme können sich aber meiner Meinung nach durch den Umstand der großen Akzeptanz viel leichter selber finanzieren, wenigstens zum Teil. Die Gefahr, dass die Veranstaltungen immer noch seichter und oberflächlicher werden, ist leicht zu beobachten. Ich wünsche mir daher von der Politik, dass ein geistiges Klima geschaffen wird, das Vertiefung und nicht Verflachung im Mittelpunkt sieht. So utopisch das auch sein mag.

Vom allgemeinen zum praktischen: Als Galerie und auch als Konzertveranstalter (Geschäftsstelle der Jeunesse Musicale in Zell am See) erleben wir hautnah das Transportproblem für Jugendliche, die ein Konzert oder eine andere Veranstaltung (Ausstellungseröffnung, Lesung, Künstlergespräch etc.) besuchen wollen. Am Land gibt es nach 21 Uhr keine Möglichkeit, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel in die umliegenden Gemeinden zu kommen. Daher als Anregung an die Politik, die Einrichtung von Shuttle-Diensten für bestimmte Veranstaltungen zu unterstützen.

Tom Rainer

ist Geschäftsführer des Jugend- und Kulturzentrums Zone 11, Hallein

Auf dem Land gehen die Uhren bekanntlich meist etwas anders. Sowohl im Guten wie im Schlechten. Als eher Glücksfall kann hierbei Hallein genannt werden. Weder leiden wir unter massiven Subventionskürzungen, noch unter rustikal-nationalistisch motivierten Kulturkämpfen.

Dennoch ist natürlich nicht alles super. Themen wie AusländerInnen, Integration, Migration, die in einer Stadt wie Hallein mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an zumeist türkischstämmigen MitbürgerInnen, auf der Hand liegen, werden großteils idealistischen Einzelinitiativen (wie z.B. dem Verein „Kristall“) überlassen und versanden dann meist – auch wegen der Größe und Komplexität spezifischer Probleme oder wegen Geldmangel – in marginalen Randnischen.

Hier müsste auch von Seiten der Kulturpolitik mehr initiiert und in die Wege geleitet werden. Lippenbekenntnisse und Multi-Kulti-Feste alleine können es ja nicht sein.

Aus unserer Sicht erscheint jedoch auch eine aktive (Kultur-)Politik zur weiteren Belebung der Pernerinsel als Art „Kulturinsel“ als äußerst wichtig. Das bedeutet nicht nur den angestammten Kulturvereinen wie den Salzburger Festspielen und der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst, die im Sommer gleich neben der Zone 11 ihre Wirkungsstätten haben, oder mit Einzelaktivitäten (ASF, Focus On), den Standort Pernerinsel/Hallein weiter schmackhaft zu machen, sondern auch darüber hinaus zu denken. Zu adaptierende Räumlichkeiten – sowohl für künstlerische Projekte wie für soziokulturelle Aktivitäten – gäbe es ja zur genüge. Ebenso Ideen jenseits der aktuellen Bierzelt-Event-Kultur zwischen Techno-Stadel und preisgünstig avisierten Kampftrinker-Treffen.

Was wir erwarten sind klare politische Bekenntnisse (und Taten!) gegen jene Trends, die Kunst und Kultur auf reine Event-Dienstleistungsunternehmen reduzieren und Kulturpolitik unter das Primat der neuen „Kulturwirtschaftlichkeit“ stellen und damit auch die gesamtgesellschaftliche Wichtigkeit von Kunst und Kultur erkennt.

Elisabeth Schneider

ist Geschäftsführerin des KULTURKREIS DAS ZENTRUM RADSTADT

Da üblicherweise und erfahrungsgemäß Erwartungen nicht oder nur teilweise erfüllt werden (einzuordnen im Bereich der Luftschlösser), erscheint es mir zielführender, Forderungen zu formulieren oder Fragen zu stellen. Wenn die Kulturpolitik des Landes Salzburg eine zeitgenössische, innovative, kreative, professionelle und künstlerisch kompetente Kunst- und Kulturvermittlung im Land Salzburg als wichtig, unverzichtbar und notwendig sieht, dann brauchen wir:

1. Eine Gleichstellung gegenüber städtischen Kunst- und Kultureinrichtungen, sowohl im Bereich der Ressourcen als auch in den Möglichkeiten, Strukturen und Inhalte weiter zu entwickeln.

2. Das aktive Teilnehmen und Mitarbeiten der handelnden Politiker und Beamten der Kulturabteilung, um das Modell „Kultur Land Salzburg“ nicht nur als wahltaktisches Statement zu formulieren, sondern die hier Tätigen als wichtige Mitarbeiter in der Umsetzung gemeinsam formulierter Ziele zu sehen und zu unterstützen.

3. Voraussetzungen, die es ermöglichen Netzwerke regional, überregional und international zu entwickeln.

4. Das Bewusstsein aller handelnden Personen, dass zeitgenössisches kulturelles Schaffen auf dem Land nicht in die Kategorie „Luxus“ einzuordnen ist, genau so wenig wie Kunst und Kultur als städtisches Privileg zu sehen ist. Kunst und Kultur passiert überall dort, wo Menschen aufgeschlossen, neugierig, konfliktfreudig, auf der Suche nach Veränderung und Verbesserung sind. Ebenso dort, wo Menschen die Möglichkeit wahrnehmen, sich mit ihrer Heimat, ihrem Leben, ihren Traditionen und Werten auseinander zu setzen.

Das sollten Gründe genug sein für jeden kulturpolitisch denkenden und handelnden Menschen, diese Arbeit mit großem Engagement zu unterstützen.

Robert Wimmer

ist Schauspieler und Kulturaktivist bei der Lungauer Kulturvereinigung

Die freie Kulturarbeit wird auch im Lungau gefördert. – Finanziell. – Immer gleich viel. – Oder gleich wenig. – Nicht soviel, wie der Region zustehen würde. – Aber regelmäßig.

Immerhin. – In der Bergregion „enterm Tauern“ ist man nicht unzufrieden. – Und. – Die Hand, welche einen füttert, die beißt man nicht.

Das Interesse an der freien Kulturarbeit ist im Land Salzburg gering. – An jener außerhalb der Stadt ist sie geringer. – Und an jener im Lungau ist sie am geringsten. – Im Grunde interessiert diese Arbeit des Lungaus niemand. – Zumindest nicht die Salzburger (Kultur-) Politik. – Und auch nicht die Kulturabteilung des Landes. – Aber.

Die Hand, welche einen füttert, die beißt man nicht.

Und doch. – Ich hab Erwartungen an jene, die für Kulturarbeit zuständig sind im Land Salzburg, bezahlt werden, organisieren und vernetzen sollen. Auch wenn sie im Grunde die freie Kulturarbeit nicht tangiert. Und die „urbanen Kunstzentren“ für sie um vieles interessanter sind. Auch in Kleinstregionen muss befriedigende Kulturarbeit ermöglicht werden. Das geschieht einerseits durch die Erhöhung des Kulturbudgets und andererseits durch professionelle Vernetzung, machbare Projekte und haltbare Diskurse. – Ich warte.