november 2003

Sabine Jenichl
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Von Idealismus, finanziellen Engpässen und Selbstausbeutung

Wie steht es um die freie Theaterszene in Salzburg?

„Es konnte keine Empfehlung abgegeben werden.” Mit dieser lapidaren Begründung hatte der Bund als öffentlicher Subventionsgeber dem „Theater Panoptikum“ vor drei Jahren den Geldhahn zugedreht. „Es war kein Riesenbetrag“, so die Schauspielerin und Mitbegründerin der Freien Theatergruppe, Gerda Gratzer. „Doch wir standen knapp vor dem Aus.“ Heute fühlt sie sich ausgepowert. „Panoptikum“ wird es nach fast einem Jahrzehnt Theaterschaffen in dieser Konstellation nicht mehr geben.

„Panoptikum“ ist keine Ausnahme. Künstlerinnen und Künstler, die sich der freien Szene zurechnen, sind tagtäglich mit derartigen Problemen konfrontiert. Idealismus schön und gut, aber wie steht es um die Realisierung der einzelnen Projekte? Dem Salzburger Regisseur und Schauspieler Reinhold Tritscher fällt, auf die finanzielle Situation angesprochen, kein anderes Wort als „düster“ ein. Der Frontmann von „Theater Ecce“ macht zusätzlich zu seiner Theaterarbeit Workshops oder arbeitet im theaterpädagogischen Bereich. Nur „so könne er sich seine Produktionen leisten.“ Und dann wiederum ist die Durchführung eines Projektes nur möglich, wenn der Sparstift angesetzt und zusätzlich Geld lukriert wird. „Alle Beteiligten arbeiten für Minimalgagen“, so Tritscher. Er selbst macht „zig Jobs“. Das grenzt an „Selbstausbeutung“. Von „freiwilliger Ausbeutung“ spricht auch Gratzer. Die Schauspielerin war Organisatorin, Finanzmanagerin und Öffentlichkeitsarbeiterin in einem. Eine Mehrfachbelastung, die letztendlich zu groß wurde.

Den „massiven Einschnitt im Jahr 2000“ bestätigt auch Barbara Stuewe-Essl von der IG Freie Theaterarbeit und beziffert für den Bereich „Freie Theater und Kleinbühnen“ den Rückgang an Bundessubventionen innerhalb eines Jahres mit 26 Prozent. 2001 setzte Kulturstaatssekretär Franz Morak (ÖVP) das noch unter roter Regierungsbeteiligung initiierte Kürzungsmanöver fort. Er dezimierte die Fördersumme für den Bereich Freie Theaterschaffende – ohne Kleinbühnen – um nochmals 16 Prozent auf 1,55 Millionen Euro. Kommt die Interessensvertreterin auf Subventionsvergaberichtlinien der einzelnen Bundesländer zu sprechen, so beurteilt sie diese als „sehr unterschiedlich“.

Salzburg attestiert sie „eine tolle Szene, mit tollen Gruppen“, erklärt sich aber mit der Subventionsvergabe nicht so ganz einverstanden. Kritik übt sie an der erst vor kurzem beschlossenen mittelfristigen Fördervereinbarung, ein nicht unwesentlicher Bestandteil des Kulturleitbildes der Stadt Salzburg. Im Rahmen dieser Fördervereinbarung existieren nun erstmals Verträge mit einigen Kultureinrichtungen der Stadt, die deren Subventionierung für die nächsten drei Jahr garantieren. Eine Tatsache, die Stuewe-Essl als durchaus begrüßenswert erachtet. Bedauernswert hingegen findet sie die „Nichtberücksichtigung freier Gruppen ohne feste Institution.“ Denn berücksichtigt werden ausschließlich Kulturstätten mit fixem Haus, fixen Struktur- und Personalkosten sowie solchen, mit einer Förderhöhe von über 25.500 Euro. Derartige Verträge bestehen zurzeit mit dem „schauspielhaus salzburg. Elisabethbühne“, dem Literaturhaus Salzburg, dem Tanzzentrum SEAD, dem Toihaus, der Radiofabrik und dem republic.

Wurde mit der mittelfristigen Fördervereinbarung ein Teil des Kulturleitbildes erfüllt, existiert, was die Projektförderung der freien Theatergruppen „ohne Haus“ anbelangt, nach wie vor ein Manko. Tritscher wie Gratzer haben „für sich noch keine konkreten Auswirkungen wahrgenommen“. Beide sprechen unisono von „Stagnation“. Gratzer hält das Kulturleitbild für „vielleicht gut gemeint“, aber „nicht realisierbar“. Auch Karl Zechenter, künstlerischer Leiter der ARGEkultur, fehlen „die Projekte“. Er führt dies in erster Linie auf „den Personalmangel im Kulturamt“ zurück.

Betrachtet man die freie Szene Salzburgs, gibt es insbesondere im urbanen Bereich eine hohe Konzentration. Neben den „institutionalisierten“ freien Theatern ‚Elisabethbühne’ und ‚Toihaus’ arbeiten landesweit etwa 20 bis 25 Gruppen „ohne Haus“ im freien Theater- und Tanzbereich. Die Zuwendungen der Stadt Salzburg beliefen sich im Bereich Darstellende Kunst/Kulturverwaltung bei einem Gesamtfördervolumen des ordentlichen Haushaltes von 15,7 Millionen im Jahr 2002 auf 5,8 Millionen Euro. Zieht man die „Landestheater-Subvention” in der Höhe von 4,7 Millionen ab, standen den Freien Gruppen unterm Strich lediglich 1,1 Millionen Euro zur Verfügung. Die Landesförderung für das Jahr 2001 bewegte sich bei einer fast gleich hohen Gesamtfördersumme und nach Abzug der „Landestheater-Subvention“ bei 870.000 Euro. Die Förderung der Freien Gruppen „ohne Haus“ erfolgt, bis auf einige, wenige Ausnahmen absehen, projektbezogen.

Tritscher spricht sich für „eine Projektförderung“ aus, da die einzelnen Projekte verschiedene Dimensionen aufweisen. Dabei sieht er aber das „Problem einer Schubladisierung, da die Projekte viel zu wenig beachtet werden.“ Gefördert „wird nicht das Projekt, sondern die öffentliche Anerkennung.“ Auch Zechenter spricht von „einer Förderliste, die schon seit Jahren feststeht“. Das „entmutigt vor allem junge Theatermacher, etwas auf die Beine zu stellen.“

Zudem gibt es nur „wenige Veranstalter, die bereit sind, junge Leute für die Freie Szene aufzubauen“, so Zechenter weiter. Als wesentlichen Grund nennt er „die Abwanderung und Bindung guter Schauspieler und Regisseure an fixe Häuser“. Darüber hinaus sind nur wenige Veranstalter bereit, experimentelles Theater zu forcieren. Das Liebäugeln mit Zuschauerzahlen drosselt – oft auch notgedrungen, weil sonst nicht finanzierbar – die Risikobereitschaft. Bedient wird eine Schiene, die leistbar ist. Eine für Herbst 2002 geplante Theatermesse, bei der die freie Szene hätte präsentiert werden sollen, musste abgesagt werden. Die eingeladenen Veranstalter blieben aus. Vor allem die ‚Landveranstalter’ sind nicht in der Lage, freie Produktionen ins Programm aufzunehmen. Zechenter sieht als einen der Gründe dafür in der am Land – abgesehen von Hallein und dem ‚Nexus’ in Saalfelden – nicht vorhandenen Theaterstruktur“.

Fehlt den Veranstaltern das Geld, experimentelle Projekte zu kaufen, fehlt umgekehrt den Freien Gruppen das Geld, sich ständig Räumlichkeiten anzumieten. Eine Ausnahme bildet eine Veranstaltungsreihe, die alle zwei Jahre am Toihaus stattfindet. Im Rahmen von „Auftritte“ stellt das Theater „all denjenigen, die kein Dach über dem Kopf haben“ Raum und sonstige Infrastruktur zur Verfügung. Auch die ARGEkultur bietet der freien Szene Raum für Kooperationen, die „über den Veranstaltungsort ARGEkultur hinausgehen“, so Zechenter, und präsentiert seit 1999 regelmäßig eine Koproduktion von Salzburger Tanz- und Theaterschaffenden, die in größerem Ausmaß in der Produktion unterstützt werden. Ab 2004 macht die ARGEkultur den Produktionsauftrag, der neben der Präsentation von Salzburger KünstlerInnen, noch stärker den Nachwuchsbereich forciert. Im Rahmen dieses Projektes wird die ARGEkultur auch an Landesveranstalter herantreten, um festgefahrene Strukturen aufzubrechen und Kooperationen zu schaffen.

In diesem Zusammenhang greift Zechenter den Gedanken einer „Tourförderung“ auf. So könnten vor allem auch „junge Theatermacher dabei unterstützt werden, verstärkt aufs Land zu gehen. Denn dort besteht im Gegensatz zur Stadt noch ein größerer Gestaltungsspielraum.“ Auch Tritscher macht sich für den Nachwuchs stark, indem er den Kulturverantwortlichen nahe legt, jungen Leuten auch eine „zweite Chance“ zu geben. Oft sind es „halbherzige Zusagen, die Unerfahrene in ein finanzielles Fiasko treiben.“ Er fordert daher „klare Entscheidungen“ und ein Abweichen von dieser „Wischi-Waschi-Kulturpolitik“. Weiters, so Tritscher, müssen sich die Kulturpolitiker bewusst sein, „wie wichtig die Szene für Salzburg ist.“ Denn „sie ist innovativ und liefert die Inputs für die großen Häuser“.

Dem kann sich Gratzer nur anschließen und kritisiert „das vorsintflutliche Theaterschema“. Entweder „bist du drinnen oder draußen“. Erich Fritzenwallner, im Kulturamt der Stadt Salzburg unter anderem für den Bereich ‚Darstellende Kunst’ zuständig, ist sich der schwierigen Bedingungen bewusst.

Er, der die freie Szene als „Quintessenz“ des Theaters bezeichnet, lässt, was die kritisierte Nicht-Durchführung des Kulturleitbildes anbelangt, mit einem Förderprojekt aufhorchen, das der „klassischen“ Freien Szene zu Gute kommen soll. Details ließ er sich „zu dem in Planung befindlichen Projekt“ noch nicht entlocken.