oktober 2003

gehört

Musik

My Dirty Life And Times

Warren Zevon - ein Nachruf

Warren Zevon war einer der besten Singer/Songwriter der Popgeschichte. In unseren Breiten blieb der 1947 als Sohn russischer Einwanderer geborene Zevon zeitlebens ein Geheimtipp. Dabei arbeitete er seit seinem Plattenerstling („Wanted: Dead Or Alive“,1969) immer wieder mit Größen der Musikszene: Jackson Browne, David Lindley, Neil Young, Tom Petty, Bruce Springsteen, Ry Cooder, REM, George Clinton und mit seinem ewigen Vorbild Bob Dylan. Die Wertschätzung beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit.

Zynismus und schwarzer Humor kennzeichnen Warren Zevons Texte. Dazu trug wohl auch sein in den 60ern gewählter Wohnort Los Angeles bei. Zevon verabscheute die dort vorherrschende Larmoyanz und Dekadenz. Stattdessen interessierte er sich für Außenseiter und Grenzgänger. Den dunklen Seiten des Lebens gewann er absurde Facetten ab. Auch die wenig erfreuliche soziale Realität thematisierte der Mann mit der Gänsehaut-Stimme – freilich ohne jemals zu den politisch Korrekten zu zählen. Wie ein schwarzer Faden zieht sich die Beschäftigung mit dem Tod durch Zevons Werk: „I’ll Sleep When I’m Dead“ oder die düster-ironische LP „Life’ll Kill Ya“ (2000) sprechen ewige Wahrheiten gelassen aus. Als maßloser Smirnoff-Liebhaber wusste er zweifelsohne, wovon er sang. Mehrere Entziehungskuren verschafften dem „Mr. Bad Example“ (LP- und Songtitel von 1991) einige Trinkpausen. Dem Rauchen blieb der enge Freund von Lästermaul Hunter S. Thompson treu. Seit vergangenem Jahr wusste Zevon von seiner Erkrankung: Diagnose Lungenkrebs. Am 7. September verstarb er 56-jährig in seinem Haus in L. A.

Hörtipps: Im Herbst soll auch bei uns seine letzte Platte erscheinen: „The Wind“ (Rykodisc/Zomba). Sein größter kommerzieller Hit „Werewolves Of London“ findet sich auf der grandiosen LP „Excitable Boy“ (Asylum 1978). Ähnlich herausragend: „Sentimental Hygiene“ (Virgin 1987).

Doc Holliday

The Kills

Keep On Your Mean Side

Domino/Zomba 2003

The Kills sind ein gemischtes Duo: Alison Mosshart – Künstlername „VV“ – stammt eigentlich aus Florida. Ihr männlicher Partner Jamie Hince kommt aus London und nennt sich „Hotel“. Beide singen, bearbeiten die Gitarre und diverse andere Instrumente, bisweilen hilft ein Drumcomputer aus. Das Fundament des göttlichen Lärms, der nach einer ersten EP nun auch ihre Debüt-LP auszeichnet, bildet der gute alte Blues – in seiner rohen und ungehobelten Form. Da denkt man automatisch an The White Stripes. Doch der Vergleich hinkt. The Kills klingen nämlich erstaunlich variabel: von den Früh-70er Stones in der räudigen Royal Trux-Bearbeitung bis zur Jesus-&-Mary-Chain-Anleihe (aus der „Darklands“ oder „Automatic“-Zeit) reichen die Verweise. Dazu erinnern einige Songs an die frühe P J Harvey. Dieser Sound wirkt aber nie künstlich konstruiert und rockt vor allem immer ordentlich. Das eingängige „Cat Claw“ besitzt Hit-Qualitäten, und „Fuck The People“ spendet reichlich Trost in diesem Jammertal Welt genannt. Endlich wieder einmal eine englisch-amerikanische Freundschaft, die Freude bereitet.

Doc Holliday

King Tubby

The Dub Master presents:

The Roots Of Dub & Dub

From The Roots

Moll-Selekta

Die beiden legendären und bahnbrechenden Dub-Alben aus 1974/75. Inklusive jeder Menge elektronischer Radikal-Experimente und den typischen „Blitz- und Donner-Trommeln“ aus King Tubbys Zaubermixer. Damit ging das Dub-Remixen auf Longplayern so richtig los. Essentieller Basisstoff in Sachen ultra-abgespacter Roots-Music!

Didi Neidhart

Various Artists

Crammed Global Soundclash 1980 – 89. Part One: World Fusion & Crammed Global Soundclash 1980 – 89. Part Two: Electrowave

Crammed Discs

„Musical nomadism, transglobalism and hybridation“ war das Motto des 1981 von Marc Hollander (Aksak Maboul, The Honeymoon Killers) und Véronique Vincent (The Honeymoon Killers) in Brüssel gegründeten kosmopolitischen Nomaden-Labels Crammed Discs. Orientiert an Hendrix, Satie, Godard, Duchamp, Punk, Miles Davis, Féla Kuti und Sun Ra entstand hier eine schon ganz frühe „futuro-primitivism“-Electronica, die dabei auch Acts aus Kongo, Japan, Israel, Iran, Äthiopien, Irak miteinbezog. Sozusagen Fusion/World Music im Sinne extrem heterogener Durchlässigkeiten und wildesten Bastard-Musiken. Selbst Lables wie Ninja Tunes orientierten sich bei ihren „World Fusion“-Versuchen noch daran.

Pflichtseminar!

Didi Neidhart

Keith Hudson

Playing It Cool

Basic Replay

Unglaublicher Hardcore-Stuff aus den tiefsten Black-Atlantic-70er-Underground-Sphären. Aufgenommen in einem Kellerstudio in der Bronx und der wahrscheinlich heißeste US-Funk-WahWah-Psycho-Soul-Dub ever. Ultraobskurer Prä-WordSound-Reggae und wie selbstverständlich karibisch-außerirdisch klingend.

Didi Neidhart

Various Artists

Hot Women – Women Singers From The Torrid Regions,

Compiled By R. Crumb

Kein & Aber Records

Genau! DER Robert Crumb, Comiczeichner und Popikone, lädt ein zu einer unwiderstehlich-faszinierenden Reise zu geborgenen Schätzen längst vergessener Sängerinnen aus den Jahren 1927 bis 1950 und zu geheimnisvollen Exotica-Genüssen! „It is an adventure into the unknown, a mysterious, vanished world, an alternate reality.” Eine leidenschaftliche Beatnik-Schrulle der Extraklasse!

Didi Neidhart

Lauschtipp:

Cafe Bizarre – Sonic Adventures mit Didi Neidhart, jeden Sonntag, 18.00 – 19.00 auf der Frequenz der Radiofabrik (107,5 MHz).