oktober 2003

Thomas Randisek

Gestern ist auch noch morgen!

Meinungen zur Kulturpolitik der Stadt Salzburg

Sarah Schönauer

ist Vorsitzende von subnet, Plattform für Medienkunst und experimentelle Technologien

Aus der Sicht der Netzkultur ist die Amtsperiode der derzeitigen Stadtregierung zwiespältig zu beurteilen. Auf der einen Seite haben einige Stadtpolitiker subnet von Anfang an unterstützt, und zudem wurde die Bedeutung von Medienkultur - insbesondere neue Medien - im Kulturleitbild der Stadt festgeschrieben. Auf der anderen Seite harrt dieser Schwerpunkt Medienkultur nach wie vor seiner Umsetzung und scheint bislang mehr ein Zugeständnis zum gegenwärtigen Medienhype zu sein als ein Bekenntnis zur Bedeutung von Medienkultur für die Kulturlandschaft in Salzburg. Gemessen an dieser Tatsache, stellt die Umsetzung des Kulturleitbildes die primäre Anforderung des Netzkulturbereiches an die zukünftige Stadtregierung dar. Dazu zählt neben der Anpassung der Förderungspolitik an die Produktionsbedingungen von Medienkultur auch die Verbesserung der Präsentationsmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Die Netzkultur in Salzburg erwartet und erhofft sich dementsprechend nur, dass die Politik endlich das umsetzt, was sie beschlossen hat. Denn kulturelle Schwerpunkte entstehen nicht von alleine, sondern müssen durch aktive Gestaltung der Kulturpolitik herbeigeführt werden.

Daniela Gmachl

ist Geschäftsführerin der

ARGEkultur Gelände Salzburg

In der laufenden Amtsperiode wurde der Neubau der ARGEkultur beschlossen. Zweifellos aktuell und auch zukünftig das wichtigste Ereignis für die ARGEkultur!

Die Fixierung ist u. a. gelungen durch die bereits paktierten Gelder von Stadt und Land Salzburg und das konstruktive Gesprächsklima mit Politik und Beamtenschaft.

Der nächste große Schritt für die ARGEkultur soll der Abschluss der mittelfristigen Fördervereinbarung sein. Die Stadt Salzburg und die ARGEkultur haben im Juni dieses Jahres vereinbart, die Verhandlungen 2004 für die Folgejahre aufzunehmen. Hier werden die finanziellen Grundsteine gelegt, um ein modernes Kultur- Kommunikations- und Medienzentrum verwirklichen zu können. Besonders wichtig – auch in den kommenden Jahren – ist die Entdeckung neuer Ausdrucksformen in der Kunst. Experimentelle Ansätze sollen sich entwickeln können, Produktionsmöglichkeiten geschaffen werden, die nicht lediglich an ihrer Auslastung gemessen werden. Dafür notwendig sind auch Verbesserungen und eine Stabilisierung der Rahmenbedingungen für die Kulturszene.

Die Zusammenarbeit soll sich über den Vernetzungsgedanken definieren; Konkurrenzdenken ist hier fehl am Platze. Ich denke, was die Stadt Salzburg von Linz oder Graz lernen sollte, ist das Selbstbewusstsein im Zusammenhang mit einem modernen Kunstverständnis.

Myrto Dimitriadou

Theaterfrau/Toihaus, Theater am Mirabellplatz und Vorsitzende des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten

Werde ich ob meiner Erwartungen hinsichtlich der Kulturpolitik des zurzeit noch amtierenden Gemeinderates gefragt, so fällt meine Antwort darauf lapidar aus. Meine langjährige Tätigkeit als Theatermacherin in dieser Stadt hat mich gelehrt, in die Kulturpolitik der Salzburger VolksvertreterInnen einfach keine Erwartungen mehr zu setzen. So bleiben mir sehr viele Enttäuschungen erspart. Diese meine Einstellung gilt auch für die noch laufende Legislaturperiode. Für die Zukunft wünsche ich mir von der Salzburger Gemeindepolitik – speziell im Hinblick auf die kulturpolitische Auseinandersetzung – eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung derjenigen KünstlerInnen, die jenseits der so genannten Hochkultur ihr Dasein fristen. Die künstlerische Wertschätzung seitens der Politik sollte auch in denjenigen Bereichen zutage treten, in denen der „Gesellschaftlichkeit“ keine Bedeutung zukommt.

Mein Appell an künftige Salzburger GemeindepolitikerInnen lautet: in Zeiten gesellschaftspolitischer Veränderungen den eigentlichen Stellenwert von Kunst und Kultur zu erkennen und die Bevölkerung auf dessen Wichtigkeit aufmerksam zu machen.

Tomas Friedmann

ist Leiter des Literaturhauses Salzburg

Gewiss, die Kulturpolitik ist nach dem Winterschlaf der Ära Dechant erwacht, dennoch: Zum Jubeln besteht kein Anlass. Gute Ansätze aus der Diskussion zum Kulturleitbild der Stadt Salzburg sind nach dem von einer breiten Mehrheit getragenen Gemeinderatsbeschluss verpufft. Schön, es gibt den Kulturfonds, verkrustete Strukturen werden endlich hinterfragt, und mittelfristige Fördervereinbarungen sollen nun verwirklicht werden – wenn auch Vertragsformulierungen jeden positiven Geist austreiben und versprochene Valorisierungen ausbleiben.

Und die Literatur? Gerne klopft man sich wegen der Stefan-Zweig-Wanderausstellung an die Brust, der abgeschaffte Zweig-Preis wurde aber nicht wieder eingeführt. Auf die erfolgreiche Arbeit des Literaturhauses wird hingewiesen, gleichzeitig wurden Literatureinrichtungen gekürzt. Die erkämpfte „Asylstadt Salzburg“ (für bedrohte Autoren) wurde – auch durch unverständliches Agieren des Internationalen Schriftstellerparlaments – verschenkt, Ideen wie „Eine Stadt liest ein Buch“ liegen in der Schublade.

Das Budget entscheidet, was wichtig und unwichtig ist. Ob Salzburg das Image einer (ganzjährigen) Kulturstadt verdient, bleibt abzuwarten. Mit notwendigen Investitionen ist es nicht getan, um eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Selbstkritik um das Bestehende, Mut zur Umsetzung bedeutender Vorhaben und die Anhebung des Kulturbudgets sind unerläßlich.

Jürg Stenzl

ist Musikwissenschafter an der Paris-Lodron-Universität und Vositzender des Salzburger Landeskulturbeirates

Im Juli 2001 ist die Broschüre „Kulturleitbild und Kulturentwicklungsplan der Stadt Salzburg“ erschienen. Beraten und beschlossen. Welche Überraschung! Bisher waren doch die Salzburger die treuesten Anhänger der Tourismuswerbung von der Kulturstadt Salzburg gewesen. Diese arbeitet mit Suggestionsvokabeln, die als bestehend behaupten, was Zukunftsaufgabe ist. Das Kulturleitbild aber präsentiert Salzburg als „offene Kulturstadt“, die „zeitgenössische Kultur“ und eine „vielfältige künstlerische und kulturelle Produktion“ betont und in der die „Mittelvergabe nach nachvollziehbaren Kriterien“ und „spezifischen Qualitätskriterien“ nach festgelegtem Zeitplan erfolgen muss. Es roch nach Kulturrevolution, dem Ende eines Salzburg als Stadt der festlichen Antimoderne und nostalgischer Heimatpflege.

Wer ein solches Leitbild umsetzen will, muss nicht nur Mut, sondern über einen langen Atem verfügen, darf vor Durchhängern und Leserbriefen nicht zurückschrecken und muss einsehen, dass die administrativen Grenzen zwischen „Stadt“ und „Land“ kulturell für eine mobile Bevölkerung nicht zählen. Solches war, solches ist – wie Kindergärten, Schulen, Universitäten – in dieser Möchte-gerne-Kulturstadt kein Wahlkampfthema. Hier wird den kulturellen „Streichkonzerten“ applaudiert. Schließlich liegt ja im neuen Stadion Kunst-Rasen – auf dem „große Vergangenheiten“ gefeiert werden.

Hildegard Fraueneder

ist Leiterin der Galerie 5020

Kulturpolitische Anliegen werden üblicherweise nur peripher in Wahlkämpfen thematisiert, es sei denn, ein Großprojekt kann der „Kulturalisierung der Politik“ dienen. All die Projekte und Einrichtungen, an die sich die Stadt im Laufe der Jahre gewöhnt hat, werden kaum eine Rolle spielen. Das wäre auch nicht notwendig, würde im kulturpolitischen Alltag nicht eine Auffassung vorherrschen, die nach einem für die Ökonomie erarbeiteten Modell funktioniert: Kulturpolitik als Markt, der mit der Verteilung von Ressourcen befasst ist. Dabei wird alles und jede/r auf das Kalkül von Interessen reduziert, was zur Annahme führt, dass die einzige Motivation die Maximierung des Eigeninteresses sei. Auch wenn dies nicht gewollt ist, es wird so gesehen – und leider all zu oft auch dementsprechend gehandelt.

So diesen Sommer, dank Gelatin: Die eine Seite konnte als Avantgardekunst-VerteidigerIn posieren, während die andere Seite moralisierend das Recht beanspruchte. Man agierte rasch, was anstatt zu einer diskursiven Auseinandersetzung zu einem aggressiven „acting out“ von BefürworterInnen und GegnerInnen führte. Versuche, die Diskussion zu versachlichen, konnten so als zynisch zurückgewiesen werden. Ein Ausnahmesommer? Das unglückliche Agieren beider Seiten sollte eigentlich ausreichend Änderungswillen hervorrufen. Wenn nicht, werden wir wohl auch weiterhin mit PolitikerInnen lediglich Subventionsverhandlungen führen, anstatt ...

Michael Bilic

ist Geschäftsführer des Salzburger

Filmkulturzentrums DAS KINO

Nach der desaströsen Ära Dechant hat sich das kulturpolitische Klima verbessert. Wir haben einen Bürgermeister, der die Kulturstätten besucht, einen Kulturausschussvorsitzenden A. Winter, der eine wertschätzende Gesprächsatmosphäre geschaffen hat, eine GR Kronberger, die sich kompetent für kulturpolitische Belange einsetzt und eine Kulturverwaltung, die ihr Bestes tut.

Einiges wurde erreicht in Zusammenarbeit, manchmal auch durch Druck des Dachverbandes der Salzburger Kulturstätten. Gutes Klima und politischer Pragmatismus alleine erzeugen allerdings noch keine Aufbruchsstimmung.

Beim Abgang des Metropolis hat man sich nicht mit Ruhm bekleckert, die Mittelfristige Förderung ist ein Erfolg (für beide Seiten), Investitionen wurden angegangen.

Der Kulturentwicklungsplan war wohl mehr eine Arbeitsbeschaffung und eine Kanalisierung des kritischen Potentials der Kulturschaffenden. Man kann froh sein, dass es ihn gibt und der GR der Realisierung seiner selbstgesetzten Ziele hinterherläuft. Politische Visionen habe ich mich nicht zu erwarten getraut – und das war besser so. Für den Filmbereich bin ich froh über die Förderung von DAS KINO. Für den Film selbst gibt es de facto keine funktionierende ausreichende Förderung. Was wünsche ich mir: Das Mozartjahr 2006 ist eine großartige Herausforderung und Chance (dabei beschleichen mich jedoch bahnhofs- und makartplatz-ähnliche Bedenken). Ich wünsche mir mehr Mut, einen Schwerpunkt für die „Freie Szene“, auch finanziell, denn wenn es im Kleinen an der finanziellen „Großzügigkeit“ mangelt, wie soll ich im Großen an die Fähigkeit zu Visionen glauben?