oktober 2003

Norbert Mayr
titel

Raum oder Traum

Zum Umgang mit öffentlichem Raum im historischen Zentrum Salzburgs

Der Max-Reinhardt-Platz im historischen Zentrum Salzburgs ist stadträumlich ungelöst. Die Salzburger Festspiele wünschen sich eine Gestaltung als repräsentatives Entrée. Ein Architektenwettbewerb soll Ideen für den Schnittpunkt zwischen hochkulturellen Blitzlichtern und Alltag – Marktbesuch und Mittagsjause im Furtwänglergarten –bringen.

„Die Stadt wird als Bauherr nicht auftreten!“ – Das ließ Bürgermeister Heinz Schaden noch 2001 Stadtrat Johann Padutsch und den Teilnehmern eines Workshops über den Max-Reinhardt-Platz ausrichten. Das Verantwortungsbewusstsein maßgeblicher Politiker für den Öffentlichen Raum ist sehr beschränkt. Das wird sich nun vielleicht ändern. Der Direktor der Salzburger Sparkasse, Walter Schwimbersky, machte Anfang August 2003 einen Vorstoß und schenkte das lukrative Sparkassen-Stöckl den Festspielen. Dessen Beseitigung und jene der benachbarten Fleischerei sind wichtige Voraussetzungen für die Neugestaltung des Max-Reinhardt-Platzes, wie der Straßenknick beim „Kleinen Festspielhaus“ nach dem Festspiel-Gründer seit 1930 heißt. Die zweite Zone des innerstädtischen Freiraums ist der heutige Furtwänglergarten zwischen Universität und Kollegienkirche.

„Oszillieren zwischen

Platz, Garten und Vedute“

Der heutigen Nutzungsvielfalt des Platzes entspricht seine Heterogenität und temporär unterschiedliche Verhüttelung. Nichtsdestoweniger ist die spezifische Qualität des Stadtraums ein „Oszillieren zwischen Platz, Garten und Vedute“ (Gerhard Plasser). Von verschiedenen Standorten erschließen sich Franziskanerkirche, Rückseite der Universitätskirche, zukünftiges „Museum am Mönchsberg“, Bürgerwehr u.a.m. Breit ist das Spektrum städtebaulicher Vorschläge zum Max-Reinhardt-Platz, das 2001 Studenten der Technischen Universität Darmstadt erarbeiteten. Bernd Trümpler setzte in den Bereich des Straßenknicks einen schlanken, mehrgeschoßigen Solitär. Der Kubus hat eine Gelenks- bzw. Vermittlungsfunktion zwischen Garten bzw. Park und urbanem Platz. Die heute durch Sparkassen-Stöckl und Fleischerei verhüttelte Rückseite der Kollegienkirche wird frei gespielt. Die Durchlässigkeit zur Kirche und verschiedenste Sichtbeziehungen bleiben erhalten. Der kompakte, architektonisch zeitgemäß formulierte Kubus zeigt die Möglichkeit schlüssiger Bebauungskonzepte. Mitte September werden die Ergebnisse eines geladenen, internationalen Wettbewerbs feststehen.

Die Festspiele, die selbst auf eine Neugestaltung des unattraktiv gestalteten Straßenabschnitts drängen, sind selbst alljährliche Verhüttler und Verschandler. Die Übertragungswagen der TV- und Rundfunkstationen machen auch nicht vor dem Toscaninihof halt. Eine fixe Kabelverbindung, damit der Campingplatz der Medien-Busse einen weniger sensiblen, seinen Bedürfnissen angemessenen Standort erhält, ist nicht geplant. Die Stöckl-Schenkung gibt den Festspielen gegenüber anderen Anrainern – Museum Rupertinum, Kollegienkirche, Universität mit Studienbibliothek – bessere Karten. Die oberirdisch bis zu 400 Quadratmeter große neue Baulichkeit soll vorwiegend den Festspielen dienen. Auf ihrer Wunschliste stehen: „Kartenvorverkauf, VIP-Lounge, Ausstellungsfoyer, Shop, Gastronomie und WC-Anlagen.“

Einer großen Nutzergruppe vor Ort fehlt jede Lobby: Viele Arbeitnehmer verbringen im Furtwänglergarten die Mittagspause. Trotz gestalterischer Defizite ist der Garten ein wichtiger Erholungs- und Aufenthaltsort, eine der wenigen Refugien in der Altstadt ohne Konsumzwang. Allerdings verschwand in den siebziger Jahren die Kinderspielecke.

Öffentlicher Raum

wird verramscht

Wie wenig kultiviert in Salzburg das Bewusstsein für den öffentlichen Freiraum ist, zeigt der abstruse Vorschlag der Festspielpräsidentin, den Domplatz zu überdachen. Früher gab es auf dessen Tribüne neben dem „Jedermann“ erfreulicherweise und unentgeltlich Vorführungen von Festspielproduktionen auf einer Großleinwand. Obwohl die 22 Aufführungen diesen Sommer kombinierbar gewesen wären, wurde für einen Monat der Residenzplatz mit einer eigenen Leinwand, Restaurantzelten, Bars und Schanigarten massiv verhüttelt. Die Restaurants zahlen der Stadt für diese Kommerzialisierung Öffentlichen Raums keinen Cent. Für diese 500 Quadratmeter „geschlossene Verkaufseinrichtungen“ hätten laut Gebrauchsgebührenordnung pro angefangenen Monat rund 10.000 Euro berappt werden müssen. Eine grundsätzlich positive Belebung durch Schanigärten wird immer häufiger überzogen und damit zum Ärgernis (z.B. Hagnauerplatz), wobei die Genehmigungen verschleudert werden. In Bestlagen in Graz oder Wien kostet die Pacht das vier- bzw. 11-fache.

Im internationalen Trend der Kommerzialisierung des Öffentlichen Raums ist Salzburg „Musterknabe“. Die Stadt der festspielhäuslichen Umwegrentabilität hat nicht erkannt, dass die massive Beeinträchtigung ihrer städtebaulich-freiräumlichen Einzigartigkeit das touristische und damit wirtschaftliche Kapital der Stadt auffrisst. Auf dem erzbischöflichen Erbe aufbauend, hätte Salzburg die Chance, Alternativen zum internationalen Einheitsbrei innerstädtischer Vermarktung zu entwickeln und damit sein unverwechselbares Profil zu schärfen. Für den Max Reinhardt-Platz kann das konkret bedeuten, dass die Stadt ihre Rolle als Bauherr des Öffentlichen Raums für alle (Altstadt-)Bewohner wahrnimmt, nicht jeden Fleck Konsum und Kommerz zuführt und sicher stellt, dass die kleine Neubaumaßnahme über die Festspielwochen hinaus eine belebende Infrastruktur für die Salzburger wird.

Bedauerlicherweise sind die beiden angrenzenden Bauvorhaben weit von dem für Ort und Aufgabe notwendigen Optimum entfernt. Der Neubau des Kleinen Festspielhauses, bei dem hinter verschlossenen Türen Wilhelm Holzbauer als Architekt durchgedrückt wurde, und der Umbau der Universitätsaula sollen in diesem Herbst beginnen. Selbstredend hat sich einer der Festspielhaus-Bauherrn, Bürgermeister und Kuratoriumsvorsitzender Heinz Schaden, im Frühjahr gefreut, dass Architekt Wilhelm Holzbauer nun auf „triumphalistische Sinnlosigkeiten“ verzichten würde. Ein ähnlich inakzeptabel niedriger Anspruch begleitet den Umbau der Universitätsaula.

Trotz dieser unerfreulichen Begleitmusik bleibt die Gestaltung des Stadtraums als Schnittpunkt zwischen hochkulturellen Blitzlichtern, Universitärer Lehre, städtischem Alltag und touristischen Ameisenstraßen eine interessante Herausforderung. Die Funktionsüberlagerungen von Straßenfläche und Pausenfoyer der Festspiele – Passieren und Flanieren – haben trotz Konfliktpotenzial Tradition und eine eigene Qualität. Die temporäre Okkupation des Stadtraums trägt wesentlich zur allseits beschworenen „Unverwechselbarkeit“ der Festspiele bei, beinhaltet aber auch eine große Verantwortung: Das internationale Festival muss permanent an seiner eigenen Öffnung arbeiten.

Der Kulturwissenschaftler und Soziologe Klaus Ronneberger beschreibt die gesamtstädtische Tendenz, „sozial homogene Räume zu schaffen – die exklusiven Konsumzonen für die Wohlhabenden und irgendwelche Sonderzonen oder überhaupt nichts für die Marginalisierten. Immer größer werdende Teile der Städte werden so in privat kontrollierte Räume umgewandelt, in denen eine Art Hausrecht gilt.“ Dieser Prozess ist schleichend und trifft nicht nur so genannte Randgruppen. So akquirierte die Festspielleitung das Pausenfoyer im Obergeschoß des „Großen Hauses“ als exklusive Fördererlounge und machte es damit für den gemeinen Festspielbesucher unbetretbar. Bei Festspiel-Konzerten im Mozarteum werden zwei große Gartenbereiche von den Sponsoren Nestlé und Siemens besetzt. Beim Max-Reinhardt-Platz wird sich zeigen, ob Salzburg internationalen Entwicklungen frönt oder verantwortungsvoll und sensibel mit dem Öffentlichen Raum umzugehen versteht.