oktober 2003

Didi Neidhart
leitartikel

Die wahren Skandale sind andere

Legen wir gleich los! Agnes Hussleins Triumphbogen zeigte, wie Kunst unter neoliberalen Bedingungen funktioniert und sich dabei gleichzeitig zum Träger dieser Ideologie macht.

Nehmen wir nur Frau Husslein beim Wort. Dann meint „Freiheit der Kunst“ die (freien) Marktgesetzte des Boulevards (Nur nicht auf den Kunst-Seiten versumpern, dafür zweimal in Farbe in einer Ausgabe der Kronen Zeitung posieren!), die hierdurch vertretene „zeitgenössische Position“ eine „Sex Sells“-Berichterstattung zwischen Busenvergrößerungen und Ballermann-Sex in Privat-TV-Boulevardmagazinen. Genauso wenig, wie es bei „Starmania“ um Musik geht, geht es hier um Kunst. Es geht hier um das, was die Generation Golf (exemplarisch die ewig pubertierende Buberlpartie von Gelatin) darunter versteht. Also um den Endsieg des Boulevards über die Kunst im Zeichen eines Triumphs des Unwillens/Unkönnens, etwas anderes als tautologisch-redundante Eindeutigkeiten (Es ist was es ist) zu produzieren.

Genau das, die radikale Abwesenheit von Geheimnissen und sublimen Details, ist aber typisch für Pornographie. Der eigentliche Skandal (Hussleins „Anschlag auf die Kunst“) ist das „leere“ Kunstwerk vor dem Rupertinum (ein nach Umberto Eco „offenes Kunstwerk“ hätte zumindest mit den barocken Hellbrunner Wasserspielen geliebäugelt) sowie Sexisten, die sich über angebliche Pornographie beschweren. Die Ironie liegt dabei freilich darin, dass der (ab)spritzende Triumphbogen eine klassische Männerphantasie (Selbstbefruchtung) darstellt. Aber wer denkt schon soweit – oder an Kenneth Angers Gay Cinema-Phantasmagorie „Eaux d’Artefice“?

Männer- bzw. Jungsphantasien im Zeichen absoluter Allesmachbarkeit waren dann auch (neben viel Gerede von „Flugtheater“ so als hätte es Anfang des 20. Jahrhunderts nie Marinettis futuristischen „Fliegertanz“ für die „neue Rasse aus Stahl“ gegeben) bei Hubert Lepkas („Ich habe einen Horror vor totalitärem Theater.“) „Taurus Rubens“-Gesamtkunstwerk-Spektakel für Red Bull eines der herausstechendsten Merkmale. Ein anderes Merkmal war die – nicht anders als im Sinne von Walter Benjamin zu bezeichnende – Ästhetisierung von Kriegswerkzeug (Black Hawk-Hubschrauber, Eurofighter) bei gleichzeitiger Sollerfüllung von Kunst als Hostessen/Begleit-Service.

Wenn aber in diesem Zusammenhang der deutsche Kunsttheoretiker Bazon Brock die Abwesenheit von Protesten von „Klassenkämpfern“ begrüßt, dann stellt sich schon die Frage: Ja wo seid ihr den wirklich gewesen, als Eurofighter über Salzburg donnerten? Noch auf Erholungsurlaub nach dem Austrian Social Forum?