oktober 2003

Doc Holliday
grausame orte

Hormonstauhelfer

Fit For Fuck – Das Sex-Business brummt

Während europaweit die Menschen ob der Wirtschaftsflaute stöhnen (Achtung: billiger Wortwitz), hält die Sexindustrie ihre Stellung bzw. kann sich über ein Anschwellen des Geschäftes freuen.

Europas größter Erotikartikelkonzern Beate Uhse steigerte im Geschäftsjahr 2002 den Umsatz um stramme neun Prozent auf 243 Millionen Euro. Die im Sommer 2001 verstorbene Uhse leistete Pionierarbeit. 1946 verkaufte sie ihren ersten Artikel per Postversand – ein Aufklärungsheftchen zur Knaus-Ogino-Verhütungsmethode. Zur Literatur kamen bald Kondome, Salben, Tinkturen und „Luxuswäsche“. 1962 eröffnete die gewiefte Unternehmerin in Flensburg (der Stadt der Verkehrssünderkartei) den erste Sexshop der Welt: „Fachgeschäft für Ehehygiene.“ Inzwischen ist die Firma auch in den US-(Versand-)Markt eingedrungen und betreibt in Europa 226 Erotik-Fachgeschäfte. Davon befinden sich fünf in Stadt und Land Salzburg. In den großen Supermärkten (etwa im Airportcenter) bemüht sich die Branche, von ihrem Schmuddelimage samt diskreten Eingängen in Nebengassen, der schummrigen Beleuchtung und den alten Geilisten mit ihren aufgestellten Krägen und tief ins Gesicht gezogenen Schlapphüten wegzukommen. Die Supermärkte verzichten oft auf die Video- und Peepshowkabinen und präsentieren Zubehör, Scherzartikel und Animiergeräte (Plastikpuppen, Dildos, Vibratoren, Gleitcremes, Potenzmittel, Erektionsbekleidung, Kontaktmagazine, Handschellen, Intimschmuck, Analkugeln, vielschwänzige Peitschen, Lack, Leder, Latex), hell beleuchtet. Das Hauptaugenmerk liegt auf den (Life-Ball kompatiblen) Dessous, weil verstärkt Frauen als Käuferinnen gewonnen werden sollen. Hansjörg Reinhart, der heimische Beate-Uhse-Lizenznehmer, registriert immer jüngere Kunden mit bis zu 50 Prozent Frauenanteil. In der Stadt Salzburg, wo speziell weibliche Erotikbedürfnisse noch ignoriert werden (etwa Videos aus der weiblichen Perspektive – wie sie die Filmwissenschafterin Linda Williams in ihrer Studie „Hardcore. Macht, Lust und Traditionen des pornographischen Films“ beschreibt oder Performance-Künstlerin Annie Sprinkle produziert), offerieren derzeit zehn Shops Sexwaren. Zuletzt eröffnete Ex-Pornostar Dolly Buster einen Fachmarkt. Die gebürtige Tschechin schaffte es vom „Busenwunder“ zur Krimi-Autorin und Society-Begleiterin. Ob dieser Umgang mit Löwen und Mausis nicht einen grauslichen Abstieg darstellt, soll ein anderes Mal an dieser Stelle erörtert werden. Thomas Janisch, Bad Ischler ÖKM-Verleger weiß, warum Sexscherze und Pornos die Gewinnkurven nach oben zeigen lassen: „Solange die Menschen noch Hormone produzieren, bewegen wir uns in einer relativ krisensicheren Branche.“